Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis - Teil 03 - Die einzelnen Tatbestandsmerkmale (Fortführung)
Begriff und Merkmale der AGB
1.1.3 Vielzahl von Verträgen
Die Vorformulierung der Vertragsbedingungen muss für eine Vielzahl von Verträgen oder Rechtsgeschäften erfolgen. Eine Vielzahl bedeutet, dass es ausreicht, wenn die vorformulierten Bedingungen mehr als einmal eingesetzt werden sollen.
Nicht erforderlich ist, dass die Vertragsbedingungen tatsächlich mehrmals verwendet werden. Wurden in Erwartung vieler Geschäfte eine bestimmte Art von Vertrag vorformuliert, kommt es jedoch nur einmalig zur Verwendung, so gelten diese Bedingungen dennoch als AGB, da sie ihrem Sinn nach für mehrere Verträge gelten sollten. Die Absicht, die vorformulierten Bedingungen mehrmals zu verwenden, muss vorhanden sein, wenn der Vertrag geschlossen wird, für den die AGB verwendet werden sollen; es sei denn, es wurden bereits Verträge mit gleichen AGB vorher abgeschlossen.
Wichtig ist, dass die Absicht zur mehrmaligen Verwendung nur vom Ersteller der AGB vorliegen muss. Verwendet man von einem Dritten erstellte AGB, die für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen sind, nur einmal für einen eigenen Vertrag ohne Absicht dies nochmals zu tun, so gelten die AGB dennoch als für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert.
Wurden AGB erstellt, sollen diese jedoch nur einmal verwendet werden, so unterfallen sie dennoch den §§ 305 ff. BGB, wenn es sich beim Vertragspartner um einen Verbraucher handelt (§ 310 III Nr. 2 BGB).
1.1.4 Einseitiges Stellen
Letztes Merkmal ist, dass die vorformulierten Vertragsbedingungen einseitig vom Verwender gestellt werden. Es reicht bereits aus, wenn er lediglich die Absicht hat, dies zu tun. Wichtig ist die Intention des Verwenders die Bedingungen mehrmals den Vertragspartnern als Vertragsinhalt zu bestimmen, ohne jedes Mal neu über den Inhalt verhandeln zu müssen.
Stellen bedeutet in diesem Sinne, dass der Verwender verlangt, dass seine vorformulierten Bedingungen in den Vertrag aufgenommen werden. Beim Stellen kommt es nicht darauf an, wer die vorformulierten Bedingungen in die Vertragsverhandlungen einführte, sondern wer schließlich diese zum Gegenstand des Vertrages macht. Hat also Vertragspartner A die AGB erstellt, doch Vertragspartner B sieht darin den größeren Nutzen und will diese einbezogen wissen, so gelten diese AGB als von B gestellt.
Zudem umfasst das Stellen, dass der Vertragspartner keinen Einfluss auf die Bedingungen nehmen konnte. Denn bei Einflussnahme werden die Bedingungen ausgehandelt, sodass beide Seiten ihre Interessen über die Verhandlung einbringen können. Beim Stellen muss aber gerade der Verwender seine Regelungen einbringen, denen sich der Vertragspartner unterwirft ohne darüber zu verhandeln.
Bereits aus den objektiven Umständen kann ein einseitiges Stellen vermutet werden. Zum Beispiel dann, wenn die AGB in einer Vielzahl vorgedruckter Formulare existieren.
Als gestellt gilt, wenn die AGB mit der Aufforderung zu Änderungen oder Streichungen übergeben werden oder der Vertragspartner zwischen mehreren AGB-Versionen wählen kann. Erst wenn der Vertragspartner durch Änderungen dieser AGB eigene Vorschläge in nicht nur ganz geringem Umfang und zu unwesentlichen Punkten durchsetzen kann, gelten die betroffenen Klauseln nicht mehr als gestellt.
Bei Verbrauchern gelten die Bedingungen als vom Unternehmer gestellt, (§ 310 III Nr. 1 BGB). Brachte der Verbraucher die Regelungen in den Vertrag ein, so muss dies der Unternehmer beweisen.
Nicht gestellt sind Regelungen, die von dritter Seite eingefügt wurden. Fügt beispielsweise ein Makler zwischen Vermieter und Mieter seine Regelungen ein, die den Mietvertrag selbst betreffen, ohne dass eine der Vertragspartner dies veranlasste, so sind diese Regelungen nicht gestellt. Jedoch nur, sofern der Dritte (Makler) nicht die AGB eines der Vertragspartner selbst einbringt oder gar im Auftrag eines Vertragspartners dies tut.
1.1.5 Zusammenfassung
Regelungen sind AGB, wenn Vertragsbedingungen (1), für eine Vielzahl von Verträgen (2) vorformuliert (3) und zudem (4) einseitig gestellt wurden.
Wichtig ist, da alle vier Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, da es durchaus vorkommen kann, das Teile der AGB nicht nach § 305 BGB als AGB qualifiziert werden. Wurde zum Beispiel über einige Klauseln verhandelt, so sind diese von der Kontrolle der §§ 305 ff. BGB ausgenommen, während alle übrigen, über die nicht verhandelt wurde, weiterhin dem AGB-Recht unterliegen. Folglich können innerhalb eines mit AGB überschriebenen Regelwerkes Regelungen auftauchen, die nicht dem AGB-Recht unterliegen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Einführung ins Recht der AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen in der rechtlichen Praxis“ Michael Kaiser
auf AGB-Recht spezialisierter Rechtsanwalt bei Brennecke & Partner, Rechtsanwälte Fachanwälte mbB, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2014,www.vmur.de,ISBN 978-3-939384-36-6.
Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches
Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - AGB-Recht
Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Dezember 2014