Kreditsicherheiten – Teil 08 – Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrags
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Daria Lehmann
wissenschaftliche Mitarbeiterin
2.6. Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrags
Beim Abschluss des Bürgschaftsvertrages dürfen keine Nichtigkeitsgründe vorliegen. In Betracht kommen neben dem Formmangel insbesondere die Sittenwidrigkeit, Anfechtung und Störung der Geschäftsgrundlage.
2.6.1. Sittenwidrigkeit der Bürgschaft wegen finanzieller Überforderung
Eine Bürgschaft ist dann sittenwidrig, wenn sie den Bürgen finanziell erheblich überfordert und der Gläubiger bewusst die Geschäftsunerfahrenheit ausnutzt, die wirtschaftlichen Folgen einer Bürgschaft gegenüber dem Bürgen bagatellisiert oder eine Zwangslage missbraucht.
2.6.1.1. Persönlicher Anwendungsbereich
Handelt es sich bei dem Bürgen um einen nahen Angehörigen, wie dem Ehepartner bzw. Lebensgefährte, einem Elternteil oder um die Kinder, erfolgt die Bürgschaft häufig aufgrund der besonderen Nähebeziehung zwischen dem Bürgen und dem Schuldner.
Geschwister lassen sich nur dann als Nahbereichspersonen einstufen, wenn zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme eine vergleichsweise enge persönliche Beziehung zwischen dem Geschwisterpaar bestand. Eine längere räumliche Distanz zwischen dem Geschwisterpaar spricht gegen eine solche Nähebeziehung.
2.6.1.2. Krasse finanzielle Überforderung
Die Bürgschaft ist sittenwidrig, wenn der Bürge durch die Übernahme der Bürgschaft finanziell krass überfordert ist.
Eine solche finanziell krasse Überforderung liegt vor, wenn bei Übernahme der Bürgschaft davon auszugehen ist, dass der Bürge voraussichtlich nicht einmal in der Lage sein wird, die laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens und Vermögens zu tragen.
Beispiel
Sohn Benjamin übernimmt für die Darlehensschuld seines Vaters Siegbert in Höhe von 50.000 Euro die Bürgschaft. Benjamin ist 18 Jahre alt und befindet sich im ersten Ausbildungsjahr, in dem er monatlich 380,00 Euro verdient.
Da Benjamin keine weiteren Einkünfte oder Vermögen vorweisen kann, ist es unzumutbar ihn als Bürgen in Haftung zu nehmen. Die Bürgschaft ist sittenwidrig, so dass die Bank den Sohn nicht auf Zahlung in Anspruch nehmen kann, wenn der Vater Siegbert seiner Ratenzahlung nicht mehr nachkommt.
Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit kann, trotz eines pfändungsfreien Einkommens, aus dem der Bürge nicht die Zinsen leisten kann, entfallen, sofern konkrete Anhaltspunkte über ein voraussichtlich höheres Vermögen z.B. durch Erbschaft oder höheres Einkommen vorliegen. Erforderlich ist eine sichere Prognose, dass die Zahlungsfähigkeit des Bürgen ausreichend ist, um der Verpflichtung aus der Bürgschaft nachzugehen.
Beispiel
Herr Baum in der Position des Bürgen verfügt zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft weder über regelmäßige Einkünfte noch über Vermögen. Die Übernahme der Bürgschaft
stellt für ihn eine erhebliche finanzielle Überforderung dar.
Vor der Übernahme der Bürgschaft sichert sich Herr Baum durch die Unterschrift eines Arbeitsvertrages regelmäßiges Einkommen. Hier kann keine erhebliche finanzielle Belastung angenommen werden. Herr Baum kann in Höhe des verpflichteten Betrages in Haftung genommen werden.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditsicherheiten“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Daria Lehmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27.

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Daria Lehmann
wissenschaftliche Mitarbeiterin
Stand: Januar 2015