Kreditsicherheiten – Teil 13 – Widerruf des Bürgen nach § 355 BGB
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Daria Lehmann
wissenschaftliche Mitarbeiterin
2.7.4. Widerruf des Bürgen nach § 355 BGB
Gemäß § 355 BGB kann ein Verbraucher einen von ihm abgeschlossenen Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen, wenn ihm durch das Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt wurde. Bei der Abgabe einer Bürgschaftserklärung kann demnach unter bestimmten Voraussetzungen ein Widerrufsrecht bestehen, sodass der Bürge die Bürgschaftserklärung widerrufen kann.
Erforderlich ist dafür zunächst, dass die Bürgschaftserklärung von einem Verbraucher gegenüber einem Unternehmer abgegeben wurde und dass es sich dabei um einen Vertrag über eine entgeltliche Leistung des Unternehmers handelt (§ 312 Abs. 1 BGB).
2.7.4.1. Bürge als Verbraucher und Sicherungsnehmer als Unternehmer
Der Bürge muss als Verbraucher einzuordnen sein. Nach der Legaldefinition des § 13 BGB ist jemand Verbraucher, wenn er weder im Rahmen seiner gewerblichen noch selbständigen Tätigkeit handelt. Schließt ein Bürge den Bürgschaftsvertrag also im rein privaten Bereich ab, ist er als Verbraucher einzuordnen. Derjenige gegenüber dem die Bürgschaftserklärung abgegeben wird, i.d.R. der Gläubiger, muss Unternehmer sein, also in Ausübung seiner gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit handeln, § 14 BGB.
Beispiel
Frau Köhler ist Inhaberin einer Firma, die bei der W-Bank ein Darlehen in Höhe von 100.000 Euro aufnimmt, um neue Investitionen tätigen zu können. Weil die W-Bank für die Darlehensverbindlichkeit eine Bürgschaft fordert, unterzeichnet Frau Köhler eine Bürgschaftserklärung und gibt diese der Bank.
Hier kann kein Widerrufsrecht für Frau Köhler bestehen, weil diese in Ausübung ihrer beruflichen selbstständigen Tätigkeit gehandelt hat. Sie ist deshalb nicht als Verbraucherin einzuordnen. Würde sie die Bürgschaft aber für ihre Tochter, abgeben, wäre sie als Verbraucherin einzuordnen.
2.7.4.2. Vertrag über eine entgeltliche Leistung des Unternehmers
Eine Bürgschaftserklärung ist nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung als „entgeltliche Leistung des Unternehmers“ einzuordnen oder ihr zumindest gleich zu stellen, obwohl sich bei einem Bürgschaftsvertrag nur der Bürge verpflichtet. Andernfalls wäre ein Widerrufsrecht des Bürgen von vorne herein undenkbar. Betrachtet man jedoch die Situation des Bürgen und vergleicht sie mit anderen Verbrauchersituationen, ist deutlich, dass ein Bürge nicht weniger schutzwürdig ist als ein Verbraucher, der z.B. in einer Haustürsituation einen Kaufvertrag für einen Staubsauger abschließt. Der Bürge kann sich in derselben Situation widerfinden. Da der Bürge oftmals handelt, weil er einem Angehörigen oder einer sonst nahestehenden Person spontan helfen will, kann er sogar noch schutzwürdiger sein. Die Bürgschaftserklärung muss daher einer „entgeltlichen Leistung des Unternehmers“ zumindest gleichstehen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kreditsicherheiten“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Bank- und Kapitalmarktrecht, und Daria Lehmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-27.

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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Daria Lehmann
wissenschaftliche Mitarbeiterin
Stand: Januar 2015