Das Recht der Baugenehmigung – Teil 14 – Umweltverträglichkeit, Drittschutz
1.1.6 Umweltverträglichkeit
Bei der Aufstellung eines Bebauungsplans hat nach § 2 Abs. 4 S. 1 BauGB eine Umweltprüfung (UP) zu erfolgen, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden. Dies dient als Instrument des vorbeugenden Umweltschutzes.
1.1.7 Drittschutz
Drittschutz oder Nachbarschutz behandelt die Frage, welche Rechtsschutzmöglichkeiten einem Dritten zur Verfügung stehen, der sich durch ein geplantes oder vorhandenes Bauwerk in seinen Interessen beeinträchtigt sieht. Die Zulassung und Durchführung von Vorhaben i.S.v. § 29 BauGB berührt nämlich oftmals die Interessen Dritter, insbesondere von Nachbarn. Sie ist daher oftmals Anlass für dagegen gerichtete Rechtsmittel.
1.1.7.1. Begriff des Nachbarn
Der Nachbar ist nicht unmittelbarer Adressat behördlicher Maßnahmen auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts. Dennoch kann er sich gegen ein Vorhaben des Bauherrn wenden und dabei behördlichen oder gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Daneben kann er sein Begehren auch auf privatrechtlichem Wege durchsetzen.
Mit der Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes hat sich für den Nachbarn eine weitere Möglichkeit eröffnet, seine Interessen gegenüber Bauvorhaben Dritter zu wahren. Im Gegensatz zum privatrechtlichen Nachbarrecht, wo der Nachbar seine Ansprüche unmittelbar gegen den Bauherrn richtet, existiert im öffentlich-rechtlichen Baunachbarrecht ein rechtliches Verhältnis des Bauherrn und des abwehrenden Nachbarn jeweils nur zur Bauaufsichtsbehörde, aber nicht untereinander. Folglich können Ansprüche wegen Verletzung öffentlich-rechtlicher Nachbarrechte nur der Behörde gegenüber geltend gemacht werden.
Damit der Kreis der Personen, die als Träger subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte in Betracht kommen, ist der Begriff des Nachbarn zu bestimmen. Eine allgemeine Definition findet sich im Baurecht nicht.
Soweit der Kreis der abwehrberechtigten Personen gesetzlich nicht beschrieben ist, muss er jeweils für den Einzelfall durch Auslegung insbesondere nach dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift ermittelt werden.
Nachbar ist grundsätzlich nur der Eigentümer des Grundstücks, da das öffentliche Baurecht nicht personen-, sondern grundstücksbezogen ist.
Zum Kreis der Eigentümer rechnen beispielsweise:
- bei Eigentümergemeinschaften jeder Mitei gentümer
- vorgemerkte Eigentümer, wenn auf diese bereits Besitz und damit die Nutzung und Lasten des Grundstücks übergegangen sind
- bei Sondereigentum nach dem Wohnungs eigentumsgesetz jeder Eigentümer einer Sondereigentumseinheit
- Erbbauberechtigte
- uneingeschränkte Nießbraucher
- Jagdausübungsberechtigte im Eigenjagd bezirk und Jagdgenossenschaften
Nachbarliche Abwehransprüche stehen bei angrenzenden Grundstücken nur dem Eigentümer oder solchen Personen zu, die am Grundstück in eigentumähnlicherweise dinglich berechtigt sind (z.B. im Grundbuch eingetragene Nießbraucher).
In räumlicher Hinsicht ist das Gebiet, auf den sich die nachbarschützende Vorschrift oder planerische Festsetzung ihrem Regelungszweck nach auswirken kann, zu bestimmen. Entscheidend sind dabei Art und Umfang der tatsächlichen Beziehungen eines Grundstücks zu dem Vorhaben, welche wiederum durch die Auswirkungen des jeweiligen Vorhabens geprägt werden.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass, soweit die Verletzung einer immissionsschutzrechtlichen Vorschrift in Betracht kommt bzw. gerügt wird, jedenfalls auch der Mieter aufgrund der Nutzung des Grundstücks als Nachbar anzusehen ist.
1.1.7.2. Subjektiv-öffentliches Recht
Zu berücksichtigen ist, dass die Aufgabe des Bauplanungsrechts nicht allein darin liegt, das baunachbarliche Beziehungsgeflecht zu regeln, vielmehr sind auch andere öffentliche und private Belange einzubeziehen. Dem entspricht es, dass nicht jede rein faktische Auswirkung eines Vorhabens i.S.v. § 29 Abs. 1 BauGB mit Rechtsmitteln erfolgreich verhindern werden kann. Daher reicht es in der Regel nicht aus, wenn ein Vorhaben realisiert wird, dass möglicherweise rechtswidrig ist, jedoch keine bestimmten Personen in eigenen Rechten verletzt. Folglich hat der Bürger keine durch ein Klagerecht abgesicherte allgemeine Kontrollfunktion gegenüber der Bauverwaltung und dem einzelnen Bauherrn. Vielmehr ist erforderlich, dass ein Bauvorhaben rechtswidrig und der Nachbar in eigenen Rechten verletzt ist.
Rechtsschutzmöglichkeiten hat dieser nur, wenn er die Verletzung eigener, subjektiv öffentlicher Rechte geltend machen kann. Ob eine Vorschrift des öffentlichen Baurechts ein subjektiv-öffentliches Recht für ihn darstellt, ist nach dem BVerwG für den jeweiligen Einzelfall anhand des Schutzzwecks der betreffenden Norm zu ermitteln (sog. Schutznormtheorie).
Subjektiv-öffentliche Rechte Dritter können sowohl in den Grundrechten als auch in Normen des einfachen Rechts enthalten sein. Die Bestimmung des subjektiv-rechtlichen Gehalts einfachgesetzlicher Baurechtsvorschriften wirft deshalb besondere Schwierigkeiten auf, weil nicht alle Baurechtsvorschriften potentiell drittschützenden Charakter haben. Es kommt darauf an, ob der objektiv-rechtliche Rechtssatz auch Individualinteressen zu dienen bestimmt ist. Folglich reicht es nicht aus, dass die Wahrnehmung der Verpflichtung durch die Behörden den Dritten (Nachbarn) tatsächlich begünstigt. Die Begünstigung muss vielmehr durch die Norm bezweckt sein.
Der Nachbarschutz hat vier Komponenten, die sich als Ansprüche des Nachbarn ausdrücken lassen:
- Anspruch auf Beachtung
- Anspruch auf Abwehr
- Anspruch auf Ausgleich in Geld
- Anspruch auf Einschreiten
1.1.7.2.1. Anspruch auf Beachtung
Der Nachbar hat einen Anspruch auf Beachtung der nachbarschützenden Normen durch die Behörde bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit eines Bauvorhabens. Hieraus folgen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung und gegebenenfalls der Anspruch auf Beteiligung.
1.1.7.2.2. Anspruch auf Abwehr
Der Nachbar wird in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, wenn die Behörde eine rechtswidrige Entscheidung trifft, weil sie nachbarschützende Normen nicht beachtet hat.
Ihm steht daher ein Anspruch auf Abwehr der rechtswidrigen Entscheidung zu, den er mittels eines Rechtsschutzverfahrens geltend machen kann.
1.1.7.2.3. Anspruch auf Ausgleich in Geld
Laut dem BVerwG hat der in seinem nachbarlichen Schutzrecht nachteilig Betroffene zum Ausgleich der ihm auferlegten Duldungspflicht einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, sofern im Einzelfall ein Ausgleich der widerstreitenden Interessen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.
Der Entschädigungsanspruch kann nur herangezogen werden zur Prüfung der Frage, ob das an sich rechtswidrige und den Nachbarn in geschützten Rechten verletzende Vorhaben des Bauherrn durch den Geldausgleich unter den aufgeführten negen Voraussetzungen legalisiert wird.
1.1.7.2.4. Anspruch auf Einschreiten
Missachtet der Bauherr die Erforderlichkeit eines Genehmigungsverfahrens und errichtet ein Bauwerk, das nachbarschützenden Vorschriften widerspricht, so kann dem Nachbarn ein gegen die Bauaufsichtsbehörde gerichteter Anspruch auf Einschreiten gegen die illegalen Bauarbeiten oder das illegal errichtete Bauwerk zustehen (näher dazu Punkt 3.3.).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Das Recht der Baugenehmigung“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9.
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