Der Bebauungsplan – Teil 37 – Vorhaben- und Erschließungsplan, Zulässigkeit von Bauvorhaben während der Planaufstellung, Ausnahmen und Befreiungen
10. Der Vorhaben- und Erschließungsplan (gem. § 30 II BauGB)
Nicht immer geht die bauliche Entwicklung von der Gemeinde aus. Denkbar ist auch, dass es für eine Fläche zwar einen Flächennutzungsplan, aber noch keinen Bebauungsplan gibt. Hier besteht die Möglichkeit, dass eine Verwaltung, auf Initiative Dritter, die Bauleitplanung vornimmt. Zumeist geht dies von einer beabsichtigten gewerblichen Nutzung aus, die nicht im Rahmen eines einfachen Baugenehmigungsverfahrens realisierbar ist, sondern wegen der Größe und Bodenrelevanz sowie im Sinne des Konfliktvermeidungsgebots einen eigenständigen Planungsakt erfordert. Die Kosten für die Änderung der Bauplanung trägt dann in der Regel der Bauherr.
Dies wird als sog. „Vorhaben- und Erschließungsplan“ bezeichnet:Mit dem Vorhaben- (V-Plan) und dem Erschließungsplan (E-Plan) regelt die Gemeinde die Rechtsgrundlage für die Erteilung von Baugenehmigungen, ähnlich, wie bei einem qualifizierten Bebauungsplan. Der Gesetzgeber hat ihn daher als Bebauungsplan ausgestaltet und als „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ bezeichnet. In der Regel legt der Investor der Gemeinde einen fertigen Entwurf vor, um so eine Menge Zeit zu sparen. Der V/E-Plan unterliegt dabei allen Anforderungen, die auch an einen Bebauungsplan gestellt werden. D.h., es sind ebenso die Bürger zu beteiligen, der Gemeinderat muss den Plan beschließen und die Abwägung muss vorgenommen werden.
Das Verfahren läuft in der Regel dreistufig ab:
- Der Vorhabenträger arbeitet einen Plan aus und legt diesen der Gemeinde vor.
- Die Gemeinde prüft den Plan und schließt mit dem Investor einen Durchführungsvertrag.
- Sobald alle offenen Punkte geklärt sind, erlässt die Gemeinde eine Satzung, in der die Bebauung des entsprechenden Gebietes geregelt ist.
Die maßgebliche Einbindung des Investors und die Absicht, das Verfahren so schnell wie möglich abzuschließen verlangt, dass der Vorhabenträger in der Lage ist, innerhalb einer kurzen Frist die Kosten für die Erschließung und Planung zu tragen. Diese Punkte werden in dem bereits angesprochenen Durchführungsvertrag geregelt und im Sinne der Gemeinde abgesichert. Von dieser Absicherung ist insbesondere auch umfasst, dass der Investor wirtschaftlich in der Lage sein muss, das Vorhaben zu Ende zu führen, damit die Gemeinde nicht auf einer Investitionsruine und damit zweckfremd verwendeter Baufläche „sitzen bleibt“ bzw auch selbst nicht in die Erschließungspflicht gerät.
Insgesamt gelten für einen solchen vorhabenbezogenen Bebauungsplan alle Verfahrensvorschriften der Bauleitplanung.
11. Die Zulässigkeit von Bauvorhaben während der Planaufstellung
Was passiert, wenn ich bauen möchte, aber noch kein beschlossener Plan vorliegt?
Wonach kann ich dann die Zulässigkeit meines Vorhabens beurteilen?
Generell richtet sich das Verfahren dann nach den Regelungen der §34 ff. BauGB, in Abhängigkeit davon, ob das Grundstück im Außen- oder im sog. Innenbereich liegt. Darauf gehen wir näher in --> Kapitel 13 ein.
Die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bebauungsplänen nimmt bis zum Abschluss des Verfahrens oftmals mehrere Jahre in Anspruch. Dieser Zustand kann jedoch nicht zu einer Einstellung der Bautätigkeit führen. Das Baugesetzbuch gestattet daher dem Bauherren Bauvorhaben vorzunehmen, von denen erwartet wird, dass dies den künftigen Festsetzungen des (noch unbeschlossenen Bebauungsplans) nicht entgegenstehen wird. Das Bauvorhaben wird damit so beurteilt, als hätte der Plan schon Rechtskraft. Der Planentwurf steht damit stellvertretend für den künftigen Plan.
Um dieses vornehmen zu können, bietet das BauGB in § 33 grundsätzlich die zwei Möglichkeiten der Vorabzulassung:
1) Die Vorabzulassung § 33 Abs. I
Um ein Vorhaben im Vorgriff auf den künftigen Bebauungsplan zu bauen, muss die bisherige Bauleitplanung folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Planaufstellungsbeschluss muss vorliegen
- Öffentliche Bekanntmachung des Planaufstellungsbeschluss und Auslegung des Planentwurfs muss erfolgt sein
- Beteiligung der Träger muss stattgefunden haben
- Vereinbarkeit mit künftiger Bauplanung
- Gesicherte Erschließung
Abschließend muss der Bauherr die künftigen Festsetzungen schriftlich anerkennen. So wird sichergestellt, dass das Vorhaben auch dem künftigen Plan entspricht.
Weiterhin besteht die Möglichkeit der
2) Vorabzulassung nach § 33 Abs II
In Abweichung zur eben genannten Möglichkeit kann hier die Bürger- und Trägerbeteiligung entfallen. Dies setzt allerdings voraus, dass diesen vor Erteilung der einzelnen Genehmigung innerhalb einer angemessenen Frist die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wird. Die Träger beurteilen in diesem Verfahrensschritt also nicht das gesamte Baugebiet, sondern nur ein einzelnes Vorhaben.
Die Möglichkeiten des Rechtsschutzes sind Nachbarn unbenommen. Wendet sich ein Nachbar gegen das Bauvorhaben, so muss er geltend machen, dass nachbarliche Rechte dadurch verletzt werden.
Eine Klage kann sich nur gegen ein einzelnes Bauvorhaben richten, da der Bebauungsplan als Satzung noch nicht in Kraft getreten ist und sich das Normenkontrollverfahren daher noch nicht gegen diesen richten kann.
Die Entscheidung über die Vorabzulassung wird von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde getroffen.
12. Ausnahmen und Befreiungen
„Ausnahmen bestätigen die Regel“, besagt ein Sprichwort. Dies gilt ebenso im Baurecht. Es scheint nicht nur fernab der Lebensrealität, sondern auch ungerecht, wenn die im Bebauungsplan genannten Festsetzungen starr und stur angewendet werden. Denn oft verändern sich Anforderungen an Baugebiete auch im Laufe der Zeit, da die B-Pläne in der Regel schon viele Jahre alt sind.
In diesem Kapitel wird daher dargestellt, unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen und Befreiungen von einzelnen Festsetzungen in Betracht kommen.
a) Ausnahmen
Ausnahmen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans können zugelassen werden, wenn sie im Bebauungsplan oder in der Baunutzungsverordnung ausdrücklich vorgesehen sind. Denkbar ist beispielsweise, dass die Gemeinde damit soziale oder mildtätige Zwecke fördern will und ihnen daher einige „Hürden“ nimmt, um sie zu privilegieren.
Dazu ist in der Regel ein begründeter Befreiungsantrag bei der Bauverwaltung einzureichen.
b) Befreiungen
Eine Befreiung ist von Festsetzungen möglich, sofern im Gesetz keine ausdrückliche Ausnahmeregelung erfasst ist. Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans können erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, die Befreiungen auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind und
- Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder
- Die Abweichung von den Festsetzungen städtebaulich vertretbar ist oder
- Die Einhaltung der Festsetzungen zu einer Belastung führen würden, die so nicht Ziel des Bebauungsplanes war (unbeabsichtigte Härte).
Die Anforderung der Einhaltung der Grundzüge der Planung und die Berücksichtigung der Nachbarinteressen müssen zwingend mit einer der drei anderen Voraussetzungen erfüllt sein.
Bei der Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen nach dem Baugesetzbuch handelt es sich um Ermessensentscheidungen. Eine positive Ermessensentscheidung setzt regelmäßig voraus, dass das Bauvorhaben insgesamt und in seinen wesentlichen Teilen qualitativ den aktuellen städtebaulichen Vorstellungen entspricht.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Bebauungsplan Einführung in das Bauplanungsrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Pascal Bothe LL.B.,wissenschaftlicher Mitarbeiter.
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