17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – Teil 29 – 2. und 3. Alternative der Vortat
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Oliver Ahnseel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
5.5.2.2. 2. Alternative der Vortat– eigene oder fremde Handlung
Die zweite Variante der in Frage kommender Vortaten setzt als Tatbestandsvoraussetzung eine erfolgte Betriebsspionage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG voraus.
Wortlaut des § 17 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt UWG:
[...] ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das er durch [...] oder durch eigene oder fremde Handlung nach Nummer 1 erlangt [...].
Der Täter der Geheimnishehlerei muss das Geheimnis in der zweiten Alternative durch eine Handlung nach Nummer 1. erlangt haben.
Das Tatbestandsmerkmal des Erlangens ist identisch zu der ersten Vortatvariante. (? 5.5.2.1.) Die Ausführungen sind entsprechend auf die Geheimniserlangung durch eigene oder fremde Handlung anzuwenden.
Bei der Geheimniserlangung durch eigene oder fremde Handlung werden zwei Untervarianten unterschieden.
Bei der ersten Untervariante ist es der Täter selbst, der die Betriebsspionage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG begeht. Bei dieser Konstellation sind die Person des Vortäters und des Täter der Geheimnishehlerei identisch.
Die Verwertung des Geheimnisses im Rahmen der Geheimnishehlerei nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist in diesem Fall eine mitbestrafte Nachtat. Der Täter kann sich in diesen Fällen sowohl der Betriebsspionage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 als auch der Geheimnishehlerei nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG schuldig machen.
Eine eigene Handlung des Täters ist auch anzunehmen, wenn er Mittäter der Betriebsspionage war oder die Tat mittelbar begangen hat.
Im Rahmen der zweiten Untervariante hat eine dritte Person den Tatbestand der Betriebsspionage begangen. Als dritte Personen kommen insbesondere auch Unternehmensfremde in Betracht. Voraussetzung ist, dass diese die Betriebsspionage mit einem der in § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) bis c) UWG benannten Tatmittel begangen hat. (siehe ? 4.5.4) Die dritte Person muss sich das Geheimnis durch:
a) Anwendung technischer Mittel,
b) Herstellung einer verkörperten Wiedergabe des Geheimnisses oder
c) Wegnahme einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist unbefugt gesichert oder verschafft haben.
Im Unterschied zur ersten Untervariante muss der Täter jedoch nicht zwingend an der Vortat beteiligt gewesen sein.
Der eigentliche Täter muss bei der zweiten Untervariante nachweislich durch die Vortat der Betriebsspionage Kenntnis von dem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis erlangt haben.
Wie beim Geheimnisverrat als Vortat (5.5.2.1.) muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der Vortat und Kenntniserlangung gegeben sein.
Beispiel:
Der Täter hat von seinem Freund geheime Zeichnungen übergeben bekommen. Diese hat sich der Freund zuvor auf Anweisungen des Täters durch Spionagehandlungen verschafft. Der Täter will diese Zeichnungen jetzt verwerten.
Die Untervariante der fremden Verwirklichung der Betriebsspionage als Vortat der Geheimnishehlerei kommt nur dann in Betracht, wenn der Täter entweder als Anstifter oder Gehilfe des Vortäters an der Tat beteiligt war.
Erlangt der Täter der Geheimnishehlerei dagegen im Rahmen einer befugten Handlung oder zufällig Kenntnis von dem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, ist der Vortatbestand der Spionagehandlung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG nicht erfüllt.
5.5.2.3. 3. Alternative der Vortat - Verschaffen oder Sichern
Die dritte Alternative möglicher Vortaten bildet den Auffangtatbestand der Geheimniserlangung. Mit dieser Variante sollen alle Fälle erfasst werden, die nicht unter die ersten beiden Alternativen fallen.
Wortlaut des § 17 Abs. 2 Nr. 2 3. Alt UWG:
Ebenso wird bestraft, wer zu Zwecken [...] sich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das er [...] erlangt oder sich sonst unbefugt verschafft oder gesichert hat, unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt.
Die Tatbestandsmerkmale des Sichverschaffens und Sicherns sind bei der dritten Alternative identisch mit den tatbestandlichen Voraussetzungen der Betriebsspionage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG. (4.5.3.) Wie schon bei den vorangegangenen Ausführungen, muss auch bei der dritten Alternative das Sicherverschaffen und Sichern im Rahmen einer aktiven Tätigkeit erfolgen. Erlangt der Täter dagegen das Geheimnis zufällig, ist weder der Tatbestand des Sicherns noch des Sichverschaffens erfüllt.
Neben den Tatbestandsmerkmalen des Sicherns und Sicherverschaffens, muss die Geheimniserlangung im Rahmen der dritten Vortatsalternative unbefugt erfolgen. Unbefugt ist jedes rechtswidrige Verhalten. Dies können in erster Linie Handlungen sein, die als sittenwidrig einzustufen sind oder gegen deutsche Rechtsvorschriften verstoßen. Nach der früheren Fassung des Tatbestandes machte sich der Täter strafbar, sofern dieser das Geheimnis „durch eine gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßende“ Handlung erlangte.
Die heutige dritte Alternative der Geheimniserlangung soll als Auffangtatbestand derartige Handlungen miteinschließen.
Das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ bezieht sich auf die Voraussetzungen, unter denen das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis durch den Täter erlangt wurde.
Beispiele für unbefugte Handlungen:
- Anstiftung zum Geheimnisverrat
- Diebstahl
- Raub
- Betrug
- Nötigung
- Erpressung
- Bestechung
- Unterschlagung
- Hausfriedensbruch
Trotz der weiten Fassung des Tatbestandsmerkmals der Unbefugtheit ist nicht alles was gesetzes- oder sittenwidrig ist, automatisch unbefugt.
Nach § 228 StGB bspw. kann eine Tat auch dann sittenwidrig sein, wenn diese durch die Einwilligung befugtermaßen erfolgte.
Wie aus den oben genannten Beispielen hervor geht, kommen ebenfalls vertragswidrige Verhaltensweisen sowie die unredliche Erlangung eines Geheimnisses als unbefugtes Verhalten in Betracht.
Ein Geheimnis wurde unbefugt verschafft, wenn der Täter das Geheimnis entgegen dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Geheimnisträgers erlangt hat.
Weitere Beispiele für unbefugte Geheimniserlangungen:
- schuldhaftes Verhalten bei Vertragsverhandlungen in Folge vorsätzlich unterlassener Aufklärungspflichten
- planmäßiges Einprägen von Geheimnissen während der Beschäftigungsdauer mit der Absicht, diese nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu verwerten
- Besichtigung von Produkten der Konkurrenz unter falschem Vorwand mit Absicht, diese Informationen später zu verwerten
- Vorgänge im Zusammenhang mit dem Reverse Engineering (? 4.5.4.1.2.), sofern die Geheimniseigenschaft nicht mangels Offenkundigkeit fehlte
Der Täter des Geheimnisverrates muss bei der dritten Alternative der Vortaten selbst aktiv werden. Wie bei zweiten Variante ist jedoch eine Strafbarkeit auch bei mittelbarer Täterschaft gegeben.
Beispiel:
Der Täter T stiftet den Beschäftigten B eines Unternehmens an, ihm ein Betriebsgeheimnis zu verraten, welches er dann verwertet. T kann als Verleitender zunächst nicht für die Verschaffenshandlung direkt bestraft werden. Für die Verwertung hingegen kann T im Rahmen der Geheimnishehlerei bestraft werden.
Das „sonst“ nimmt eine Eingrenzung der Anwendbarkeit der dritten Alternative vor. Es schließt negativ Handlungen nach § 17 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG aus.
Als nicht „sonst unbefugt“ sind dagegen folgende Aktivitäten einzustufen :
- Abwerben eines fremden Beschäftigten
- bloßes Anhören oder Entgegennehmen eines Geheimnisses
- Ankauf von Geheimnissen von entlassenen Bediensteten
Der Tatbestand der Geheimnishehlerei kann zur Anwendung kommen, in Fällen in denen Arbeitnehmer ihre Kenntnisse nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses verwerten. Voraussetzung ist, dass diese sich das Geheimnis unbefugt verschafft haben. Wurden die Kenntnisse und Fähigkeiten befugtermaßen durch den Beschäftigen erlangt, ist dessen Verwertung zulässig.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ von Harald Brennecke, auf Vertriebsrecht spezialisierter Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, und Oliver Ahnseel, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-38-0.
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Harald Brennecke
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Oliver Ahnseel
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Stand: Januar 2015
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Rechtsanwalt Brennecke berät Unternehmer beim Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse und Kundendaten. Er ist im Bereich der UWG-Straftaten als Srafverteidiger und bei der Ermittlung und Dokumentation von Straftaten und der Erstellung von Strafanzeigen tätig, unter anderem bei Strafbarer Werbung, 16 UWG oder Verrat von Geschäftsgeheimnissen, 17 UWG, wie z.B. die unberechtigte Verwendung von Kundendaten.
Harald Brennecke hat im unter anderem veröffentlicht:
- "Wettbewerbsrecht - Einführung in das Recht des unlauteren Wettbewerbs und das UWG", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-12-0.
- "17 UWG - Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“, 2015, ISBN 978-3-939384-38-0, Verlag Mittelstand und Recht
- "Urheberrecht - eine Einführung", von Harald Brennecke und Simon Hofmann, 2011, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-23-6
- "Lizenzrecht - eine Einführung. Lizenzarten und Lizenzverträge.“ von Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-08-3
- "Markenrecht - eine Einführung Markenformen, Markenschutz und Markenanmeldung ", Harald Brennecke und Florin Brückner, 2010, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-22-9
Weitere Veröffentlichungen von Harald Brennecke sind in Vorbereitung, unter anderem zum Thema
- Recht im Marketing
Harald Brennecke ist Dozent für Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Lizenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
- Strategische Ausrichtung von Unternehmen aus wettbewerbsrechticher Sicht
- Markenschutzstrategien als betriebswirtschaftliches Instrument
- Onlineshops rechtssicher gestalten
- Lizenzvertragsgestaltung
- Der Gebrauchtsoftwarekauf
- Vertriebslizenzen in Recht und PraxisK
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