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Das Recht der Baugenehmigung – Teil 19 – § 35 Abs. 1 Nr. 4 - 7; nicht-privilegierten Vorhaben des § 35 Abs. 2 BauGB

1.3.1.2. „Erwünschte“ Außenbereichsvorhaben

Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind solche Vorhaben prinzipiell dem Außenbereich zugeordnet, die wegen ihrer spezifischen Beziehungen zur Umgebung nicht sinnvoll innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile errichtet werden können. Diese Klausel verhilft jedem Vorhaben jedweden Gegenstands zur Zulässigkeit, sofern das Vorhaben aus einem der in Abs. 1 Nr. 4 aufgezählten drei Gründe in keinem anderen Baugebiet als dem Außenbereich Platz findet und deshalb notwendigerweise dort ausgeführt werden muss.(Fußnote) Die hiermit angesprochene Erforderlichkeit geht über den Begriff des Dienens (vgl. oben) hinaus und verlangt, dass die Eigenart des konkreten Vorhaben seine Errichtung im Außenbereich quasi erzwingt.(Fußnote) Die Beurteilung der Anforderungen erfolgt im Einzelfall.(Fußnote)

Die Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB unterscheidet drei Fallvarianten:

  • Vorhaben, die besondere Anforderungen an ihre Umgebung stellen;
  • Vorhaben, die eine nachteilige Wirkung auf ihre Umgebung ausüben;
  • Vorhaben, die einer besonderen Zweckbestimmung vorbehalten sind.

Ein Vorhaben kann zugelassen werden, weil es besondere Anforderungen an die Umgebung stellt. In diesem Fall vermag das Vorhaben seine Funktion nur im Zusammenhang mit bestimmten Eigenschaften der Umgebung zu erfüllen, die gerade in einem beplanten oder bebauten Bereich nicht anzutreffen sind.(Fußnote) Hierzu gehören beispielsweise eine Wetterwarte, ein Aussichtsturm, ein Autokino größerer Art(Fußnote) oder eine Jagdhütte(Fußnote).

Hat ein Vorhaben eine derart nachteilige Wirkung auf die Umgebung, dass es selbst in einem ausgewiesenen Industriegebiet keine Verwirklichungschance besitzt, kann es nur im Außenbereich verwirklicht werden. Hierzu gehören intensive Hühner- oder Schweinehaltungen(Fußnote), aber auch Schießplätze oder Tierkörperbeseitigungsanstalten und wegen ihres Gefahrenpotentials Sprengstofffabriken und Sprengstofflager(Fußnote).

Weiterhin kann eine besondere Zweckbestimmung für die Zulässigkeit eines Vorhabens im Außenbereich sprechen. Das ist der Fall, wenn die Nutzung nicht ausschließlich einem individuellen Interesse dient, sondern die Allgemeinheit miteinbezieht.(Fußnote) Hierunter zählen beispielsweise Forsthäuser oder öffentliche Ski- und Berghütten.(Fußnote)

Zu beachten ist, dass nicht jedes Vorhaben, welches sinnvoll nur im Außenbereich errichtet werden kann auch dort errichtet werden „soll“. Hinzukommen muss, dass eine Bewertung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass das Vorhaben wegen der privilegierenden Eigenart „nur im Außenbereich“ ausgeführt werden soll.(Fußnote) Es muss daher wertend abgewogen werden, ob das Vorhaben und der mit ihm verfolgte Zweck seine Privilegierung im Außenbereich rechtfertigen. Folglich muss die zu erwartende Belastung des Außenbereichs durch das, was dem Vorhaben oder seinem Zweck an Wert zukommt, ausgeglichen werden.(Fußnote)

1.3.1.3. Förderung der Wind- und Wasserenergiegewinnung

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB sind Vorhaben privilegiert, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dienen. Bei Anlagen zur Forschung und/oder Entwicklung setzt das voraus, dass der Bauherr auf der Grundlage eines Forschungs- oder Entwicklungskonzepts plausibel darlegen kann, dass die Anlage nach gegenwärtigem Kenntnisstand geeignet ist, die Nutzung der Windenergie mehr als nur unerheblich zu verbessern, aber noch praktisch erprobt werden muss. Zudem muss das Konzept die hinreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit und die Dauerhaftigkeit des Privilegierungszwecks bieten.(Fußnote)

Die Privilegierung umfasst alles, was der Wind- oder Wasserenergieanlage dient. Dabei sind die für § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB entwickelten Grundsätze heranzuziehen (siehe oben).(Fußnote)

1.3.1.4. Förderung der energetischen Nutzung von Biomasse

Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB sind Vorhaben zur Nutzung der aus Biomasse erzeugten Energie privilegiert.

Die Vorschrift dient dem Klimaschutz, der Ressourcenschonung und soll zu einer flexiblen und effizienten Energienutzung beitragen, aber auch den Strukturwandel in der Landwirtschaft unterstützen.(Fußnote) Die Norm setzt voraus, dass die Anlage in einem räumlich.funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb steht, die Biomasse überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus ihm und aus nahe gelegenen Betrieben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 BauGB stammt, je Hofstelle oder Betriebsort nur eine Anlage betrieben wird, die Feuerungswärmeleistung der Anlage 2,0 MW nicht überschreitet und, wenn es sich um Biomasseanlagen handelt, die ausschließlich Biogas erzeugen, die Höchstleistung nicht mehr als 2,3 Mio. Normkubikmeter Biogas pro Jahr beträgt.(Fußnote)

1.3.1.5. Kernenergieanlagen

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB ist eine Anlage, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, privilegiert. Bei derartigen Vorhaben handelt es sich beispielsweise um Kernkraftwerke, Wiederaufbereitungsanlagen, Zwischen- und Endlager, Sammelstellen für radioaktive Abfälle.(Fußnote)

Von der Privilegierung ausgenommen ist die Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität. Nicht von der Ausnahme erfasst wird die Elektrizitätserzeugung zu anderen als gewerblichen Zwecken. Daher bleibt insbesondere die Neuerrichtung von Forschungsanlagen bauplanungsrechtlich privilegiert, auch wenn die Erzeugung von Kernenergie durch Kernspaltung erfolgt.(Fußnote)

1.3.2. Die nicht-privilegierten Vorhaben des § 35 Abs. 2 BauGB

Alle Vorhaben, die nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sind, fasst § 35 Abs. 2 BauGB unter dem Begriff „sonstigen Vorhaben“ zusammen. Hierunter fallen vor allem Wohnhäuser außerhalb des landwirtschaftlichen Bereichs, Wochenend- und Ferienhäuser.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Das Recht der Baugenehmigung“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9.


 

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Stand: Januar 2015


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