40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung – Teil 19 – §§ 2 - 4 BetrAVG
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
6.6. Höhe der unverfallbaren Anwartschaft § 2 BetrAVG
Der Wert der Berechnung geschieht im Wege des Quotierungsverfahrens. Die Methode wird dabei als zeitratierliche Methode, pro rata temporis Methode oder m/n-tel Prinzip bezeichnet. Zweck der Berechnungsweise ist es, eine allgemeine gültige, vom Inhalt des konkreten Versorgungs-versprechens unabhängige Regel zu statuieren, die die Betriebstreue als einem entscheidenden typischen Berechnungsfaktor honoriert. Ihr Anwendungsbereich ist bewusst auf leistungsorientierte Versorgungszusagen beschränkt, bei beitragsorientierten Leistungszusagen und bei Beitrags-zusagen mit Mindestleistung findet gem. § 2 Abs. 5a und Abs. 5b Betriebsrentengesetz eine stärker an erbrachten Beitrags-aufwand orientierte Berechnungsweise Anwendung.
Beim Zeitwertfaktor nach § 2 Abs. 1 Betriebsrentengesetz kommt es nicht nur auf die ruhegeldfähige Beschäftigungszeit, sondern auf die gesamte Betriebszugehörigkeit einschließlich der Berufsausbildung an.
Zur Ermittlung einer Betriebsrente, ist entsprechend den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 und 5 Betriebsrentengesetz die erreichbare Vollrente zu ermitteln. Dabei gelten Veränderungs-sperre und Festschreibeeffekt. Zugrunde zu legen ist zum einen die bei Ausscheiden geltende Versorgungsordnung und zum anderen die Bemessungsgrundlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens. Dabei sind die zum Zeitpunkt des Ausscheidens bestehenden Bemessungsgrundlagen zwar auf den Zeitpunkt des Versorgungsfalls hochzurechnen. Eine Hochrechnung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die künftige Entwicklung bestimmter Faktoren durch die bei Aus-scheiden bereits vorhandenen Bemessungsgrundlagen fest-steht.
Der Gesetzgeber war bei der Berechnung einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft berechtigt, auf das Verhältnis von tatsächlicher zur gesamten möglichen Betriebszugehörigkeit zwischen dem Beginn des Arbeitsverhältnis und der festen Altersgrenze abzustellen.
Die an das Geschlecht des Arbeitnehmer anknüpfende unterschiedliche Berechnung der Betriebsrente für die bis zum Stichtag zurückgelegten Beschäftigungszeiten verstößt weder gegen das Benachteiligungsverbot des Art 3 Abs. 3 Grundgesetz, noch gegen das unionsrechtlich enthaltene Gebot der Entgeltgleichheit.
Scheidet der Arbeitnehmer vor Erreichen der festen Altersgrenze ohne Inanspruchnahme einer Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Betrieb aus, ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrenten-gesetzes eine Berechtigung zur Kürzung der Betriebsrente. Dabei wird die bei voller Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze erreichbare - fiktive - Vollrente nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 und 5 Betriebsrentengesetz zeitratierlich entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen zu der bis Erreichen der festen Altersgrenze möglichen Betriebs-zugehörigkeit gekürzt.
Ist in der betrieblichen Versorgungsordnung eine Höchstgrenze für die betriebliche Altersversorgung festgelegt und ergibt sich aus den Regelungen nicht, dass die Höchstrente unabhängig vom Zeitpunkt oder den Gründen des Ausscheidens zu zahlen ist, steht das Erreichen einer Kappungsgrenze der Rentenkürzung nicht entgegen.
Es ist dabei zwischen den unterschiedlichen Durchführungswegen zu unterscheiden.
6.6.1. Leistungszusage (Direktzusage, Unterstützungskasse und Pensionsfonds)
Bei der Leistungszusage ist das oben genannte Verfahren entsprechend anzuwenden.
6.6.2. Beitragsorientierte Leistungszusage und Entgeltumwandlung (Direktzusage, Pensionsfonds und Unterstützungskasse)
Für unverfallbare Anwartschaften aus einer beitragsorientierten Leistungszusage oder Entgeltumwandlung tritt gemäß § 2 Abs. 5a Betriebsrentengesetz an die Stelle der zeitanteiligen Berechnung die bis zum Ausscheiden erreichte Anwartschaft aus den bis dahin geleisteten Beiträgen beziehungsweise umgewandelten Entgelten. Damit entstehen dem Arbeitgeber keine Nachfinanzierungsrisiken.
6.6.3. Beitragszusage mit Mindestleistung (Direktversicherung, Pensionsfonds und Pensionskasse)
Im Fall einer Beitragszusage mit Mindestleistung tritt nach § 2 Abs. 5b Betriebsrentengesetz an die Stelle der zeitanteiligen Berechnung das dem Arbeitnehmer planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf Grundlage der bis zu seinem Ausscheiden geleistete Beiträge (Beiträge und bis zum Eintritt des Versorgungsfalles erzielte Beträge), mind. die Summe der bis dahin zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden.
6.7. Abfindung der Anwartschaft § 3 BetrAVG
Die Abfindung einer Anwartschaft setzt einen Vertrag voraus, durch den der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen auf ihre Anwartschaft verzichten und durch den sich der Arbeitgeber verpflichtet, Zug um Zug gegen Zahlung eines Einmalbetrages, hierfür eine Entschädigung für den Verlust dieser Rechtsposition zu zahlen.
Nach § 3 Abs. 1 Betriebsrentengesetz dürfen gesetzlich unverfallbare Anwartschaften im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnis und laufenden Leistungen gemäß § 30g Abs. 2 Betriebsrentengesetz aus einer betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich nicht abgefunden werden. Verboten ist nicht nur die vollständige Abfindung sondern auch eine Teilabfindung. Ist die Unverfallbarkeit hingegen vertraglich vereinbart, was man häufig bei Organmitgliedern und leitenden Angestellten antrifft, gilt das Abfindungsverbot hingegen nicht. Zu beachten ist lediglich, dass § 3 Abs. 1 S 1 Betriebsrentengesetz nur Anwendung auf Vereinbarungen findet, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeits-verhältnisses getroffen werden. Vereinbarungen im laufenden Arbeitsverhältnis werden vom Abfindungsverbot hingegen nicht erfasst.
§ 3 Abs. 1 Betriebsrentengesetz findet auf jede Form der betriebliche Altersversorgung Anwendung; ausgenommen sind diejenigen Anwartschaften die durch Eigenbeträge des Arbeit-nehmer finanziert wurden.
Eine nach § 3 Abs. 1 Betriebsrentengesetz unverfallbare Anwartschaft kann allerdings nach § 1 b Abs. 1 bis 3 und 5 Betriebsrentengesetz nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 abgefunden werden. Dieses betrifft aber nicht Vereinbarungen, die dem Arbeitnehmer bis zum Eintritt des Versorgungsfalles ein Wahlrecht einräumen, ob er eine Kapitalzahlung oder eine laufende Leistung in Anspruch nehmen will.
Nach § 3 Abs. 2 Betriebsrentengesetz kann der Arbeitgeber, um unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, eine Klein-Anwartschaft beziehungsweise eine Klein-Rente ohne Zustimmung des Arbeitnehmer oder seiner Hinterbliebenen abfinden, wenn deren Monatsbetrag 1% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch IV nicht überschreitet.
Das Abfindungsverbot des § 3 Betriebsrentengesetz ist nicht anwendbar, wenn die betrieblichen Altersversorgung lediglich umgestaltet wird und die neuen Versorgungsleistungen wirtschaftlich gleichwertig sind. Dabei kommt es auf den durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt der getroffenen Vereinbarungen an.
6.8. Erlöschen der verfallbaren Anwartschaft
Die verfallbare Versorgungsanwartschaft erlischt mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Unternehmen.
Unterlag das Arbeitsverhältnis dem Bestandsschutz des Kündigungsschutzgesetz, so kann der Wert der verfallbaren Anwartschaft im Rahmen der Abfindungsbemessung nach §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz berücksichtigt werden.
6.9. Übertragung der Anwartschaft § 4 BetrAVG
So wie bei der Abfindung besteht für die Übertragung gemäß § 4 Abs. 1 Betriebsrentengesetz ebenfalls ein grundsätzlich Übertragungsverbot, was sich jedoch nur auf unverfallbare Anwartschaften bezieht. Der Begriff der Übertragung wird vom Gesetz sowohl als Oberbegriff als auch als Unterfall verwendet, und zwar in der Weise, dass zwischen der Übernahme und der Übertragung im engeren Sinne unterschieden wird. Überdies ist zwischen der für die Arbeitgeber freiwilligen und gesetzlich zwingenden Übertragung zu unterscheiden, wobei die Erteilung eine wertgleichen Zusage durch den neuen Arbeitgeber voraussetzt. Die Übertragung von Anwartschaften ist formfrei möglich.
Akzeptiert der neue Arbeitgeber diesen bestimmten Vertrag nicht, weil er einen anderen Anbieter bevorzugt, hat der Arbeitnehmer das Recht auf Übertragung des im Vertrag befindlichen Kapitals auf einen neuen Vertrag beim Anbieter, den der neue Arbeitgeber anerkennt.
Überdies darf der Arbeitnehmer bei der Direktversicherung und Pensionskasse die unverfallbare Anwartschaft mitnehmen und gegebenfalls selbst oder durch den neuen Arbeitgeber finanzieren, wenn:
- eine betragsorientierte Leistungszusage vereinbart wurde,
- die Überschüsse nur zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet werden,
- der Arbeitgeber dem Versicherer beziehungsweise der Pensionskasse das Ausscheiden innerhalb von drei Monaten mitteilt, der Arbeitnehmer spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden ein unwiderrufliches Bezugsrecht auf die Versicherungsleistung erhalten hat,
- die Versicherung nicht abgetreten oder beliehen ist und der Arbeitgeber die vorzeitige Kündigung ausgeschlossen hat und
- der Arbeitnehmer muss das Recht erhalten, die Versicherung mit eigenen Beiträgen weiterzuführen.
Unverfallbare Anwartschaften aus Pensionsfonds, Direktzusage und Unterstützungskasse dürfen grundsätzlich nicht mitgenommen und daher auch nicht fortgeführt werden. Wurden sie als Leistungszusage ausgestaltet und sind sie arbeitgeberfinanziert, errechnet sich der Anspruch aus dem Verhältnis der zurückgelegten bis zum Rentenbeginn möglichen Dienstzeit.
Eine nach § 4 Abs. 1 Betriebsrentengesetz unverfallbare Anwartschaft kann allerdings gemäß § 1b Betriebsrentengesetz nur nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 übertragen werden. Die Regelung zur Übertragung der Anwartschaft in § 4 Abs. 2 Betriebsrentengesetz ist lex specialis zu den zivilrechtlichen Vorschriften über die Schuldübernahme in §§ 414 ff. Bürgerliches Gesetzbuch und schränkt diese ein.
Nach § 4 Abs. 2 Betriebsrentengesetz ist für eine wirksame Übertragung Voraussetzung, dass zuvor das Arbeitsverhältnis mit dem alten Arbeitgeber beendet worden ist. Solange der bisherige Versorgungsschuldner noch Arbeitgeber des Arbeitnehmer ist, kann seine Verpflichtung nicht mit schuldbefreiender Wirkung in Sinne der §§ 414 ff. Bürgerliches Gesetzbuch von einem Dritten übernommen werden. Neuer Versorgungsschuldner muss der neue Arbeitgeber sein, zu dem im Zeitpunkt der Übertragung schon und noch ein Arbeitsverhältnis bestehen muss. Schließlich ergibt sich aus dem Erfordernis eines dreiseitigen Übertragungsvertrags aus § 4 Abs. 2 Betriebsrentengesetz die Voraussetzung eines Einvernehmens zwischen dem neuen und dem alten Arbeitgeber sowie dem Arbeitnehmer. Überdies wird der bisherige Arbeitgeber von seinen Verpflichtungen befreit und der neue Arbeitgeber tritt an die Stelle des alten, wobei der neue Arbeitgeber nach der Übertragung frei in seiner Entscheidung ist, in welchen Leistungsplan er den Übertragungswert verwenden möchte. Der Arbeitgeber kann sogar das weitere Anwachsen der Anwartschaft stoppen.
Für die wirksam übernommene Anwartschaft besteht - in den Grenzen des § 7 Abs. 5 Betriebsrentengesetz - sofort Insolvenzschutz. Durch § 7 Abs. 5 Betriebsrentengesetz wird dieser jedoch zugunsten des Pensionssicherungsverein begrenzt. Übertragungen, die ausschließlich den Zweck verfolgen, die Versorgungslast auf den Pensionssicherungsverein zu verlagern, sollen eingeschränkt werden. Rechtsfolge einer missbräuchlichen Zusage ist ein Leistungsausschluss des Pensionssicherungsvereins.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „40 Jahre Betriebsrentengesetz – betriebliche Altersversorgung“ von Dr. Maren Augustin, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter.
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Monika Dibbelt
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Stand: Januar 2015