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Das Recht der Baugenehmigung – Teil 25 – Bauaufsichtsbehörden und Verwaltungsverfahren

2.2. Bauaufsichtsbehörden und Verwaltungsverfahren

Für den Vollzug der jeweiligen Landesbauordnungen sowie anderer Vorschriften über die Errichtung, Änderung, Nutzung oder den Abbruch baulicher Anlagen sind die Bauaufsichtsbehörden zuständig. Diese handeln als Sonderpolizei- bzw. Sonderordnungsbehörden.(Fußnote)

Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass bei der baulichen Nutzung von Grundstücken die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, besonders die des öffentlichen Baurechts, eingehalten werden. Dazu stehen ihnen unterschiedliche Mittel zur Verfügung, mit dessen Hilfe sie sowohl vorgängige als auch nachgängige Kontrolle ausüben können. Mit der vorgängigen Kontrolle baulicher Vorhaben beschäftigen sich die Vorschriften über ihre Zulassung. Dies betrifft beispielsweise die Genehmigungsbedürftigkeit der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und des Abbruchs baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen.(Fußnote)

2.2.1. Genehmigungspflicht

Das Recht zu Bauen ist Teil des Rechts auf Eigentum, welches aus Art. 14 Abs. 1 GG herrührt, und der allgemeinen Handlungsfreiheit.

Durch den Vorbehalt der Genehmigungserteilung wird sichergestellt, dass die vielfältigen Auswirkungen von Baumaßnahmen und die mit der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung oder Beseitigung baulicher Anlagen verbundenen Gefahren in einem der Bauausführung vorgeschalteten Kontrollverfahren überprüft werde und das jeweilige Vorhaben insbesondere mit dem geltenden öffentlichen Baurecht übereinstimmt.(Fußnote) Das Genehmigungserfordernis spricht daher ein Verbot dahingehend aus, ohne vorherige Kontrolle und Erlaubnis zu bauen. Diese vorläufige Sperre wird als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bezeichnet, welches mit der Genehmigung aufgehoben wird.(Fußnote)

2.2.1.1. Verfahrensfreie Vorhaben

Von dem gesetzlichen Regelfall der bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht sehen zahlreiche Vorschriften Ausnahmen vor. In den Bauordnungen sind daher Vorhaben, denen eine geringere Gefahr innewohnt und die daher auch ein geringeres Kontrollbedürfnis erzeugen – wie etwa Gartenlauben, Einfriedungen, nicht überdachte Stellplätze – als sog. freie Vorhaben vom Erfordernis einer Genehmigung ausgenommen (Fußnote).(Fußnote)

Die Befreiung von der Genehmigungspflicht beinhaltet nicht die Freistellung von den materiellen Anforderungen des Bauordnungsrechts. Die Bauaufsichtsbehörde verzichtet lediglich auf die vorherige Kontrolle. Diese kann aber einschreiten, sofern die Baumaßnahme gegen die materiellen Anforderungen des Bauordnungsrechts verstößt.(Fußnote)

2.2.1.2. Genehmigungsfreistellung

Eine weitere Einschränkung der Genehmigungspflicht stellt die sog. Genehmigungsfreistellung dar. Zahlreiche Bauordnungen der Länder sind dazu übergegangen, Anlagen lediglich einem Anzeige- oder Genehmigungsfreistellungsverfahren zu unterwerfen. Danach kann der Bauherr innerhalb einer bestimmten Frist nach Einreichung von Bauunterlagen bzw. nach Einreichung der Bauanzeige ohne behördliche Genehmigung mit der Bauausführung beginnen.(Fußnote)

Diesem Verfahren unterliegen in der Regel Wohngebäude geringerer Höhe, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans i.S.d. § 30 Abs. 1 und 2 BauGB liegen, den Festsetzungen des jeweiligen Plans nicht widersprechen und gegebenenfalls weitere Voraussetzungen erfüllen.(Fußnote)

Eine Entbindung von der Pflicht zur Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an bauliche Anlagen wird jedoch mit der Genehmigungsfreistellung nicht erteilt.(Fußnote)

2.2.2. Genehmigungspflicht

Einer Baugenehmigung bedürfen nach den entsprechenden Vorschriften der Bauordnungen der Länder grundsätzlich die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung und (allerdings nicht in allen Ländern) der Abriss baulicher Anlagen. Die Vorschriften über die Genehmigung und das Verfahren regeln die sog. formelle Legalisierung.(Fußnote)

Der Begriff der baulichen Anlage wird in den Bauordnungen der Länder in der Regel legal definiert (Fußnote).

2.2.2.1. Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren

Für verschieden, an sich genehmigungspflichtige Vorhaben stellen die meisten Bauordnungen ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren zur Verfügung (Fußnote). Anwendungsfälle sind vor allem kleinere Gebäude. Es wird lediglich die planungsrechtliche Zulässigkeit sowie, sofern es fachgesetzlich angeordnet ist, die Vereinbarkeit mit de Fachrecht, nicht aber die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit kontrolliert.(Fußnote) Lediglich teilweise findet sich die Prüfung einzelner bauordnungsrechtlicher Anforderungen angeordnet (Fußnote).

Um die Einhaltung der von der Behörde nicht zu prüfenden Vorschriften zu gewährleisten müssen die Bauherren entsprechende Nachweise erbringen, wodurch die präventive Kontrolle in Ansätzen privatisiert wird.(Fußnote)

Die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung vermittelt dem Vorhaben keine umfassende materielle Legalität. Verstößt das Vorhaben also gegen Vorschriften, deren Einhaltung die Bauaufsichtsbehörde nicht zu prüfen hatte, steht das Vorhaben im Widerspruch zum geltenden Recht. Dagegen kann sie später noch mit bauaufsichtlichen Mittel einschreiten.(Fußnote)

2.2.2.2. Baugenehmigungsverfahren

Eine Baugenehmigung wird erteilt, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften den Bauvorhaben nicht entgegenstehen.(Fußnote)

2.2.2.2.1. Bauantrag

Das auf die Erteilung einer solchen Genehmigung gerichtete Verfahren ist ein stark formalisiertes Verwaltungsverfahren. Mit der Stellung des Bauantrags beginnt das Genehmigungsverfahren für genehmigungspflichtige Vorhaben. Der Bauherr bestimmt damit auch den Gegenstand des Verfahrens (Fußnote), so dass das Vorhaben der behördlichen Überprüfung nur in dem aus den Antragsunterlagen ersichtlichen Umfang unterliegt (Fußnote). Zudem hat der Bauherr mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen – Bauvorlagen – einzureichen (s.o. Unter Punkt 2.1.4.).

2.2.2.2.2. Beteiligte des Baugenehmigungsverfahrens

Beteiligte des Baugenehmigungsverfahrens sind die Bauaufsichtsbehörde, die Gemeinde und gegebenenfalls die höhere Verwaltungsbehörde und eine Vielzahl anderer öffentlicher Stellen. Ebenfalls zu beteiligen sind die Nachbarn, denn durch die Genehmigung des beantragten Vorhabens können ihre Interessen nachhaltig berührt werden (Fußnote).(Fußnote)

2.2.2.2.3. Entscheidung

Das Verfahren endet mit der bauaufsichtsbehördlichen Entscheidung über den Bauantrag, also entweder mit der Erteilung der beantragten Baugenehmigung oder der Zurückweisung des Bauantrags. Dies erfolgt schriftlich unter Bekanntgabe an den Bauherrn.(Fußnote) Bei der Bekanntgabe wird der Inhalt der Entscheidung mit Wissen und Wollen der Behörde dem Adressaten (hier dem Bauherrn) eröffnet.(Fußnote)

Sofern die Genehmigung erteilt wird, erhält der Bauherr eine Genehmigungsurkunde („Bauschein“) zusammen mit einer Ausfertigung der Bauvorlagen, die mit einem Genehmigungsvermerk zu versehen sind.(Fußnote)

2.2.2.2.4. Umweltverträglichkeitsprüfung

Soweit die Länder ein Gesetz über die Umweltverträglichkeit bestimmter öffentlicher und privater Vorhaben erlassen haben, ist hier regelmäßig zugleich die Pflicht zur Durchführung einer UVP im Baugenehmigungsverfahren verbunden (Fußnote).(Fußnote)

2.2.2.3. Abweichung, Ausnahme und Befreiung

Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des jeweiligen Genehmigungstatbestandes vorliegen. Der Behörde ist kein Ermessen eingeräumt, so dass es sich um eine gebundene Erlaubnis handelt, die zu erteilen ist, wenn die Voraussetzungen der Erlaubnisnorm vorliegen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist im Verwaltungsverfahren der der endgültigen behördlichen Entscheidung.(Fußnote)

Entspricht das Bauvorhaben nicht den Anforderungen des Bauordnungsrechts, kann die Bauaufsichtsbehörde hiervon Abweichungen zulassen (vgl. Art. 63 BauO Bay., § 67 BauO MV, § 73 BauO NRW, § 66 BauO Nds.).(Fußnote) Die früher verbreitete und nach Ausnahme und Befreiung (sogenannter Dispens) differenzierte Terminologie ist heute nur noch in der LandesBauO BW zu finden.(Fußnote) Die meisten Bauordnungen haben die frühere Differenzierung zwischen Ausnahme und Befreiung aufgegeben und verwenden stattdessen nur noch den Begriff der Abweichung.(Fußnote)

Abweichungen können im Fall der Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange zurückgelassen werden. Dies gilt indes zum Teil nur vorbehaltlich speziell geregelter Abweichungsmöglichkeiten (vgl. § 73 Abs. 1 S. 1 BauO NRW).

Im konkreten Einzelfall muss eine besondere Situation gegeben sein, die sich vom Regelfall derart unterscheidet, dass die Nichtberücksichtigung oder Unterschreitung des gesetzlich festgelegten Standards gerechtfertigt ist. Daher muss der Nachweis einer atypischen Grundstückssituation erbracht werden.(Fußnote)

Die Zulassung einer Abweichung liegt im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde.(Fußnote)

Eine Abweichung muss schriftlich beantragt und begründet werden.(Fußnote)

2.2.2.4. Bauvorbescheid

Dem förmlichen Bauantrag kann eine Vorfrage vorausgehen, auf die ein Vorbescheid zu erteilen ist(Fußnote) (vgl. § 74 Abs. 1 BauO Bln).

Ein Bauvorbescheid ist ein Bescheid zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens.(Fußnote) Er trifft über einzelne, selbstständig zu beurteilende Fragen des Bauvorhabens eine verbindliche Entscheidung. So kann der Bauherr klären lassen, ob das Grundstück, auf dem das Bauvorhaben errichtet werden soll, überhaupt oder in dem von ihm beabsichtigten Umfang bebaubar ist. Meist betrifft dies die planungsrechtliche Zulässigkeit.(Fußnote)Vorteilhaft dabei ist, dass dem Bauherrn im Falle einer Ablehnung durch die Baubehörde die kostenintensive Ausarbeitung umfassender Bauvorlagen erspart bleibt.(Fußnote) Weiterhin führt eine positive Entscheidung dazu, dass die Behörde innerhalb der Geltungsfrist des Vorbescheides an ihre Entscheidung gebunden ist.(Fußnote) Nach Erlass eines Bauvorbescheids darf die Baugenehmigung nicht mehr aus Gründen, über die im Vorbescheid entschieden worden ist, abgelehnt werden.(Fußnote)

Der Bauvorbescheid ist ein vorweggenommener Teil der Baugenehmigung und bindet die Bauaufsichtsbehörde im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren. Eine nachfolgende Veränderungssperre kann dem Vorhaben daher nicht entgegengehalten werden.(Fußnote) Ebenso bietet der Bauvorbescheid einen Schutz gegen nachträgliche Änderungen der Rechtslage.(Fußnote)

Für den Nachbarn des Bauherrn besteht die Möglichkeit, den Bauvorbescheid mit einem Anfechtungswiderspuch anzugreifen, wenn dieser den Nachbarn belastet.(Fußnote)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Das Recht der Baugenehmigung“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-35-9.


 

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Stand: Januar 2015


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