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Das Recht der GmbH – Teil 40 – Insolvenzverschleppung, Unterlassene Insolvenzabsicherung

8.6.2 Insolvenzverschleppung § 15a Abs. 1 InsO, § 823 Abs. 2 BGB

Die Vorschrift des § 15a Abs. 1 InsO bestimmt, wer verpflichtet ist, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person in einer Krisensituation zu beantragen. Bei Verstoß gegen diese Antragspflicht trifft den Verpflichteten eine zivilrechtlichen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB und auch eine strafrechtliche Haftung aus § 15a Abs. 4 InsO. Durch die Antragspflicht und die Haftung sollen die wirtschaftlichen Risiken, die sich für bestimmte Dritte auf Grund der beschränkten Haftung ergeben, begrenzt werden. Es sollen vor allem die Vermögensinteressen der Gesellschaftsgläubiger geschützt werden, um diese vor einer Schädigung durch insolvente und beschränkt haftende Gesellschaften zu bewahren.

In einer Krisensituation wird durch § 15a InsO sichergestellt, dass das Verfahren rechtzeitig eingeleitet wird und dadurch Ansprüche Dritter gegen die Gesellschaft soweit wie möglich gesichert werden. Ein rechtzeitiger Antrag auf Eröffnung des Verfahrens führt zu einer größeren Befriedigung der Gläubiger, da die Haftungsmasse frühzeitig geschützt werden kann. Die Vorschrift stellt zudem ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, wodurch ein Schadensersatzanspruch bei schuldhaftem Verhalten möglich wird.

8.6.2.1 Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags

Nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO besteht für einen Geschäftsführer einer GmbH die Pflicht, im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Eintritt von Überschuldung, ohne schuldhaftes Zögern spätestens nach drei Wochen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Es muss sich um einen Antrag im Sinne von § 13 InsO handeln. Der Antrag muss damit die Formerfordernisse erfüllen und ein fehlerhafter Antrag ist damit nicht ausreichend, um die Haftung nach § 15a InsO zu vermeiden (Fußnote).

Die Frist zur Stellung des Antrags beginnt mit Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung. Die Frist beginnt unabhängig von der Kenntnis des Geschäftsführers mit dem realen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung. Ist ein Eröffnungsgrund eingetreten, muss der Geschäftsführer ohne schuldhaftes Zögern und maximal innerhalb von 3 Wochen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Schuldhaftes Zögern bedeutet, dass der Antrag unverzüglich gestellt werden muss. Die Frist von 3 Wochen stellt eine Höchstfrist dar. Damit tritt nach Verstreichen dieser Frist die Verletzung der Antragspflicht ein.

Die Frist darf nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschöpft werden. Die Frist soll es den Geschäftsführer ermöglichen, die Voraussetzungen der Antragspflicht sorgfältig zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob auch andere Maßnahmen, bspw. Sanierungsmaßnahmen, in Betracht kommen. Kann die Krise innerhalb der Frist von 3 Wochen beseitigt werden, entfällt auch die Verpflichtung zur Stellung des Antrags.

Eine Niederlegung des Amts des Geschäftsführers nach Entstehen der Antragspflicht, entbindet den Geschäftsführer nicht von seiner persönlichen Pflicht. Er muss in diesem Fall seinen Nachfolger zur Stellung des Insolvenzantrags veranlassen. Bei mehreren Geschäftsführern ist eine interne Geschäftsaufteilung unbeachtlich. Die Antragspflicht gilt für jeden Geschäftsführer der GmbH (Fußnote).

8.6.2.2 Haftung bei Verletzung der Antragspflicht

Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht kann zu einer zivilrechtlichen Schadenersatzpflicht des Geschäftsführers gegenüber den Gläubigern führen. Dabei kommt vor allem die Schadensersatzpflicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB, aufgrund der Verletzung eines Schutzgesetztes in Frage. Der Geschäftsführer haftet damit persönlich für eine vom ihm verschuldete Verletzung der Antragspflicht.

Der Geschäftsführer haftet neben den Altgläubigern auch gegenüber Neugläubigern. Zu beachten ist, dass es sich auch bei den sogenannten Neugläubigern um Insolvenzgläubiger handelt. Sie dürfen nicht mit den Neugläubigern verwechselt werden, welche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinzutreten. Neugläubiger im Sinne der Haftungsnorm sind daher solche, die nach dem Zeitpunkt, in dem die Insolvenz hätte beantragt werden müssen, noch Geschäfte mit der Gesellschaft getätigt haben. Gegenüber den Altgläubigern haftet er nur in Höhe des Quotenschadens. Den Neugläubigern haftet er in voller Höhe des eingetretenen Schadens.

Voraussetzung für die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB ist die vorsätzliche Verletzung der Antragspflicht gemäß § 15a Abs. 1 InsO. Er muss damit gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns verstoßen haben. Die Sorgfaltspflichtverletzung wird vermutet. Der Geschäftsführer muss damit beweisen, dass er seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hat.

Beispiel 1

Die Geschäfte der X-GmbH laufen schlecht. Als ein weiterer Auftrag für einen Kunden nicht zustande kommt und das dringend benötigte Geld für die Produktion nicht mehr beschafft werden kann, tritt Zahlungsunfähigkeit ein. Geschäftsführer A der X-GmbH hat sich noch nie sonderlich für die Finanzlage der X-GmbH interessiert und denkt nicht daran, einen Insolvenzantrag zu stellen. Er will neue Aufträge abschließen, um die Finanzlage noch zu retten. Der Geschäftsbetrieb läuft daher zunächst weiter. Vier Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit kauft er bei den neuen Lieferanten L1 und L2 neue Vorräte für die Produktion. Ein Eigentumsvorbehalt war nicht vereinbart. Kurz darauf, stellt der Gläubiger G einen Fremdantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Geschäftsführer A verletzt die Antragspflicht gemäß § 15a Abs. 1 InsO. Er hätte unverzüglich nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und spätestens 3 Wochen danach Insolvenzantrag stellen müssen, um der Antragspflicht gerecht zu werden. Zudem hat er die Pflichtverletzung zu verschulden. Ein ordentlicher Geschäftsmann hätte die Situation erkannt und besagten Antrag gestellt. A hat aber fahrlässig den Geschäftsbetrieb weiterlaufen lassen, da er gedacht hat, evtl. neue Aufträge abschließen zu können. Er hat damit ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB verletzt. Den Lieferanten L1 und L2, die nichts von der finanziellen Lage der GmbH wussten, sind dadurch Schäden in Höhe der verkauften Vorräte entstanden. A haftet daher gegenüber L1 und L2 persönlich in Höhe des entstanden Schadens.

8.6.3 Unterlassene Insolvenzabsicherung § 7e Abs. 7 SGB IV

Nach den sozialrechtlichen Vorschriften des vierten Sozialgesetzbuches muss der Arbeitgeber ein so genanntes „Wertguthaben“ anlegen, um arbeitsvertragliche und sozialversicherungsrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer zu sichern.

Nach § 7e Abs. 1SGB IV ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Wertguthaben einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrages gegen das Risiko der Insolvenz vollständig abzusichern.

Wird diese Verpflichtung verletzt und kommt es zu einer Verringerung oder zum Verlust des Wertguthabens, wird der Arbeitgeber nach § 7e Abs. 7 SGB IV in die Haftung genommen. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person, haften auch die organschaftlichen Vertreter gesamtschuldnerisch für den entstandenen Schaden. Damit ist auch eine persönliche Haftung des Geschäftsführers möglich (Fußnote).

Entsteht aufgrund einer nicht geeigneten, nicht ausreichenden oder fehlenden Insolvenzabsicherung ein Schaden, steht den Arbeitnehmern ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber, und damit auch gegen den Geschäftsführer einer GmbH zu.

§ 7e SGB IV ist als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen wodurch eine Verschuldenshaftung des Geschäftsführers ermöglicht wird. Das Verschulden wird vermutet. Der Geschäftsführer muss damit beweisen, dass die Pflicht zur Insolvenzabsicherung nicht verletzt wurde, um eine persönliche Haftung zu vermeiden. Der Schaden muss kausal auf das Handeln bzw. Nichthandeln des Geschäftsführers zurückzuführen sein.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Das Recht der GmbH“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-33-5.


 

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Stand: Januar 2015


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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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Normen: § 15 a InsO, § 823 BGB, § 7 e SGB IV

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