Die Änderung von Steuerbescheiden – Teil 01 – Änderung von Steuerbescheiden, Festsetzungsfristen und deren Beginn
1 Einführung
Bei der Festsetzung von Steuern ist es für den Steuerpflichtigen wichtig, dass der Steuerbescheid irgendwann einmal bestandskräftig wird und das Finanzamt den Steuerbescheid nicht ewig ändern kann. Für das Finanzamt hingegen ist es wichtig, dass der Steuerpflichtige nicht ständig Unterlagen nachreicht, um eine niedrigere Steuerfestsetzung zu erreichen, denn der Staat benötigt die von den Unternehmen und Bürgern gezahlten Steuern für sein Steueraufkommen. Um diesen wiederstreitenden Interessen zu begegnen, hat der Gesetzgeber in der Abgabenordnung ein Korrektursystem erarbeitet. Die Abgabenordnung regelt, wann das Finanzamt einen bereits erlassenen Steuerbescheid zuungunsten eines Steuerpflichtigen ändern kann und wann sie die bereits festgesetzte Steuer zugunsten des Steuerpflichtigen herabzusetzen hat. Über diese Möglichkeiten und Pflichten des Finanzamtes soll dieses Skript einen Überblick verschaffen.
2 Änderung von Steuerbescheiden
Wurde ein Steuerbescheid vom Finanzamt gegenüber dem Steuerpflichtigen ordnungsgemäß bekannt gegeben und vom Steuerpflichtigen nicht angefochten, ist er materiell und formell bestandskräftig.
Der Steuerbescheid bleibt dann grundsätzlich wirksam, solange er nicht
- zurückgenommen
- widerrufen
- aufgehoben oder
- geändert wird.
Ist der Steuerbescheid fehlerhaft, kann er vom Finanzamt nur geändert werden, wenn die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift erfüllt sind.
Eine Änderung von Steuerbescheiden kommt in Betracht, wenn
- sich die Steuerhöhe verändert
- eine Änderungsbefugnis besteht (gem. §§ 172 ff. oder gem. §§ 164, 165 AO[1]) und
- noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
Beispiel
Frau Winter gibt ihre Steuererklärung für das Jahr 2013 im April 2014 ab. Sie erhält ihren Steuerbescheid für 2013 noch im Jahre 2014. Er wird bestandskräftig.
Das Finanzamt kann den Steuerbescheid nachträglich ändern, da die Festsetzungsfrist von vier Jahren noch nicht abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beginnt in dem Jahr, in dem Frau Winter ihre Steuererklärung abgegeben hat, so dass das Finanzamt den Steuerbescheid von Frau Winter bis zum 31.12.2018 ändern kann, wenn die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift der Abgabenordnung erfüllt sind.
Erkennt der Steuerpflichtige bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist, und er dadurch weniger Steuern bezahlt hat oder bezahlen wird, ist er nach § 153 AO verpflichtet, diese Unrichtigkeit unverzüglich anzuzeigen und die Erklärung richtig zu stellen. Erfolgt dies nicht, liegt eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen[2] vor.
3 Festsetzungsverjährung
Die Festsetzungsverjährung gem. §§ 169-171 AO regelt, wie lange eine Steuer festgesetzt oder eine bereits festgesetzte Steuer aufgehoben bzw. geändert werden kann. Ein Erlass und eine Korrektur eines Steuerbescheides durch das Finanzamt sind möglich, solange die sog. Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Das heißt, dass das Finanzamt für die Dauer der Bearbeitung der Steuererklärung die Festsetzungsfristen beachten muss.
Im Gegensatz dazu bezieht sich die Zahlungsverjährung gem. §§ 228-232 AO auf alle festgesetzte Steuern aus dem Steuerschuldverhältnis. Die Zahlungsverjährung behandelt die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs, der durch die Festsetzung der Höhe nach konkretisiert worden ist. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 229 I AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist und dauert fünf Jahre (§ 228 S. 2 AO).
Beide Verjährungsarten bewirken das Erlöschen des Anspruchs durch Zeitablauf.
Wird eine Steuer nach Eintritt der Festsetzungsverjährung festgesetzt, ist der Steuerbescheid nicht nichtig gem. § 125 I AO, sondern nur anfechtbar. Das Finanzamt kann auf Grund des Steuerbescheides vollstrecken, wenn er bestandskräftig geworden ist, d.h. der Steuerpflichtige ihn nicht angefochten hat.
Der Eintritt der Festsetzungsverjährung schließt nur die Festsetzung aus, nicht Ermittlungsmaßnahmen des Finanzamtes selbst, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung oder eine Verkürzung vorliegen. Ist die Festsetzungsfrist offensichtlich abgelaufen, kann die Entscheidung des Finanzamtes, Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung durchzuführen bzw. durchführen zu lassen, ermessensfehlerhaft sein.
Säumniszuschläge und Verspätungszuschläge unterliegen nicht der Festsetzungsverjährung. Die Säumniszuschläge unterliegen allein der Zahlungsverjährung. Daher können Zuschläge jederzeit festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlages ist abzusehen, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuer abgelaufen ist.
Erstattungsansprüche des Steuerpflichtigen unterliegen ebenfalls der Verjährung, so dass die Verjährungsregeln zum Vor- und Nachteil des Steuerpflichtigen wirken.
3.1 Festsetzungsfristen nach § 169 II AO
Die Festsetzungsfrist beträgt gem. § 169 II AO
- Nr. 1 AO ein Jahr bei Verbrauchssteuern
- Nr. 2 AO vier Jahre bei Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern im Sinne von § 169 II Nr. 1 AO oder des Zollkodexes sind.
- S. 2 fünf Jahre für - nicht notwendig vom Steuerschuldner - leichtfertig verkürzte Steuern
- S. 2 zehn Jahre für alle - nicht notwendig vom Steuerschuldner - hinterzogenen Steuern.
Verbrauchsteuern sind begrifflich gesehen Warensteuern, die den Verbrauch von zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs steuerlich belasten. Zu den Verbrauchssteuern zählen somit beispielsweise:
- die Energiesteuer
- Bier-, Kaffee- und Branntweinsteuer
- Einfuhr- und Ausfuhrabgaben
- Vergnügungssteuer
- Hundesteuer
Nicht von den Verbrauchssteuern umfasst ist hingegen die Umsatzsteuer.
Für alle anderen Steuern und Steuervergütungen gilt § 69 II Nr.2 AO und damit eine vierjährige Festsetzungsfrist.
Es sei denn, es liegt eine Steuerhinterziehung vor. Dann gelten die verlängerten Fristen gem. § 169 II S. 2 AO, die unabhängig von einem Verursachungsbeitrag des Steuerpflichtigen zur Anwendung kommen. Eine Ausnahme gilt, wenn er nachweisen kann, keine Vermögensnachteile durch die Tat erlangt zu haben.
3.2 Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 AO
Es gibt einen regelmäßigen Beginn der Festsetzungsfrist sowie einen späteren. Beginnt die Festsetzungsfrist nach dem regelmäßigen Beginn lag eine Anlaufhemmung vor.
3.2.1 Regelmäßiger Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 I AO
Die Festsetzungsfrist beginnt gem. § 170 I AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuern kraft Gesetz entstanden sind.
Dies gilt jedoch nur für diejenigen Steuern, für die keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung besteht, so zum Beispiel
- bei Vorauszahlungsbescheiden
- Zöllen
- Verbrauchsteuern und
- für die erstmalige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen, die nur auf Antrag erfolgen.
3.2.2 Anlaufhemmungen der Festsetzungsfrist nach § 170 II Nr. 1 AO
Bei den Besitz- und Verkehrssteuern wird der Fristbeginn durch eine Anlaufhemmung hinausgeschoben.
- Verkehrssteuern liegen vor, wenn Güter im Wirtschafts- und Rechtsverkehr übertragen werden (Umsatzsteuer, Grunderwerbssteuern).
- Besitzsteuern knüpfen dagegen an das Einkommen bzw. den Ertrag einer Person oder eines Unternehmens.
§ 170 II Nr. 1 AO regelt, dass die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder -anmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, erst mit Ablauf des Jahres, in dem dies erfolgt, beginnt. Bei der Umsatzsteuer ist die Jahresanmeldung relevant. Diese beiden Hemmungstatbestände stehen selbstständig nebeneinander. Trifft also die Pflicht zur Steuererklärung mit einer Anzeigepflicht zusammen, so genügt nicht bereits die Erfüllung einer dieser Pflichten, um die Anlaufhemmung zu beenden und damit die Festsetzungsfrist beginnen zu lassen, sondern es müssen beide Pflichten erfüllt werden.
Die Steuererklärung oder -anmeldung muss wirksam sein, damit die Anlaufhemmung beendet wird und die Festsetzungsfrist einsetzen kann. Dafür muss z.B. die Unterschrift des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters vorhanden sein. Ansonsten beginnt die Festsetzungsfrist gem. § 170 II Nr. 1 AO a.E. spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Entstehungskalenderjahr.
Eine bloße Berichtigungserklärung nach § 153 AO oder eine Selbstanzeige ist keine Anzeige nach § 170 II Nr. 1 AO. Eine Anlaufhemmung tritt dadurch nicht ein.
[1] Abgabenordnung.
[2] Vgl. Skript Selbstanzeige und Steuerhinterziehung in Unternehmen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Änderung von Steuerbescheiden“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-46-5.
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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2016
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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten. Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren. Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte.
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.
Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:
- Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
- Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
- Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
- Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
- Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
- Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
- Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7
Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so
- Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren
Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:
- Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
- Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
- Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
- Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
- Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
- Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
- Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter
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