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Die Änderung von Steuerbescheiden – Teil 03 – Ablaufhemmungen nach § 171 V-XIV AO, Wahrung der Festsetzungsfrist, Sonderregelungen

3.4.6 Maßnahmen der Fahndungsstellen nach § 171 V AO

Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist für diejenigen Steuern gehemmt, für die Maßnahmen der Fahndungsstellen durchgeführt werden.

Voraussetzung für die Hemmung ist, dass

  • vor Fristablauf mit den Ermittlungen begonnen oder
  • dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Verfahrens gem. § 397 AO bekannt gegeben wurde.

Die Vorschrift ist für die Fälle wichtig, in denen Steuernachforderungen festgestellt wurden, eine Steuerverfehlung allerdings nicht nachgewiesen werden kann, denn in diesen Fällen tritt keine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 II 2 AO für Steuerhinterziehung auf 10 Jahre und für die leichtfertige Verkürzung auf 5 Jahre ein.

3.4.7 Verfolgungsverjährung nach § 171 VII AO

Die Festsetzungsfrist bei hinterzogenen oder leichtfertig verkürzten Steuern endet nicht, bevor die Verfolgung der Straftat oder der Ordnungswidrigkeit verjährt ist. Dies gilt auch für Fälle, in denen die Steuerhinterziehung bzw. Steuerverkürzung durch einen Dritten begangen wurde.

3.4.8 Vorläufige und ausgesetzte Steuerfestsetzungen nach § 171 VIII AO

Wurde die Festsetzung einer Steuer gem. § 165 I 1 AO ausgesetzt, da ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, endet die Festsetzungsfrist nach § 171 VIII S. 1 AO ein Jahr nach Beseitigung der Ungewissheit und positiver Kenntnis der Finanzbehörde. Wurde die Festsetzung nur für einen Teil der Steuer ausgesetzt, erstreckt sich die Ablaufhemmung nach § 165 I AO nur auf diesen.

Durch die Ablaufhemmung erhält das Finanzamt nach Wegfall der Ungewissheit eine ausreichende Frist, um die steuerliche Konsequenz zu ziehen.

Gem. § 171 VIII S. 2 AO endet die Festsetzungsfrist bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 I S. 2 Nr. 1- 3 AO zwei Jahre nach Beseitigung der Ungewissheit und der positiven Kenntnis der Behörde hierüber.

Dies betrifft die Fälle, wenn

  • ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteuerung, die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, für die Steuerfestsetzung wirksam werden. (Nr. 1)
  • das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz festgestellt hat und der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet ist
  • die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens beim EUGH, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist.
  • die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens beim Bundesfinanzhof ist.

Die Unterscheidung ist wegen der unterschiedlichen Anpassungsfristen von ein oder zwei Jahren von wesentlicher Bedeutung. Die Ablaufhemmung beschränkt sich dabei auf den für vorläufig erklärten Teil.(Fußnote)

3.4.9 Berichtigungs- und Selbstanzeige nach § 171 IX AO

Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist im Fall einer Berichtigungs- und Selbstanzeige gehemmt. Die Festsetzungsfrist endet in diesem Fall erst ein Jahr nach Eingang der Anzeige beim zuständigen Finanzamt.

Dies gilt für eine

  • Selbstanzeige gem. § 371 AO und
  • eine Berichtigungs- oder Nachanzeige nach § 153 AO.

Eine bloße Mitteilung von Tatsachen, die sich zu Ungunsten des Steuerpflichtigen auswirken können, sind keine Anzeigen.
Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird nur hinsichtlich derjenigen Steueransprüche gehemmt, auf welche sich der Steuerpflichtige in seiner Selbst- bzw. Berichtigungsanzeige bezieht.

3.4.10 Folgebescheide nach § 171 X AO

Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein

  • Feststellungsbescheid
  • Steuermessbescheid oder
  • ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid)

endet gem. § 171 X S. 1 AO die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.

Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird für eine Folgesteuer im Umfang der Bindungswirkung des Grundlagenbescheids gehemmt, solange dieser noch zulässig ergehen oder korrigiert werden kann. Die Änderung des Grundlagenbescheids durch Einspruchsentscheidung oder Gerichtsentscheidung ändert nichts an der Frist.(Fußnote)

3.4.11 Zahlungsverjährung nach § 171 XIV AO

Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet gem. § 171 XIV AO nicht, soweit die Zahlungsverjährungsfrist für einen Erstattungsanspruch nach § 37 II AO noch nicht abgelaufen ist.

Dadurch wird die Festsetzungsfrist bis zum Ablauf der Zahlungsverjährung für die Erstattung von rechtsgrundlos gezahlten Steuern verlängert. Der Erstattungsanspruch erlischt nach §§ 228, 232 AO erst fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch durch die rechtsgrundlose Zahlung entstanden ist.

Das Finanzamt kann Steuerfestsetzungen, die wegen Mängeln bei der Bekanntgabe unwirksam waren, noch innerhalb der Zahlungsverjährungsfrist nachholen. Denn ansonsten könnte eine tatsächlich entstandene und gezahlte Steuer zurückgefordert werden, weil die ursprüngliche Festsetzung unwirksam ist.

Die Nachholung ist betragsmäßig auf die Höhe des Erstattungsanspruchs beschränkt, da nur insoweit eine Ablaufhemmung vorliegt.

3.5 Wahrung der Festsetzungsfrist

Die Frist ist gewahrt, wenn das Finanzamt den wirksamen Steuerbescheid vor Fristablauf erlassen hat. Auf den Zugang und die Bekanntgabe kommt es nicht an.

3.6 Sonderregelungen

Abgesehen von den eigentlichen Festsetzungsvorschriften nach §§ 169-171 AO, finden sich an anderen Stellen im Gesetz weitere Regelung zur Festsetzungsfrist, wie z.B. in § 174, 175 AO.

§ 174 AO bietet die gesetzliche Grundlage für widerstreitende Steuerfestsetzungen und schafft die Möglichkeit, Vor- und Nachteile der Steuerfestsetzung auszugleichen, die sich inhaltlich widersprechen.(Fußnote)

Bei einem rückwirkenden Ereignis gem. § 175 I Nr. 2, II AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres, in dem das Ereignis eintritt, so dass es sich um eine Anlaufhemmung handelt. Ob ein Ereignis steuerliche Rückwirkung hat, beurteilt sich nach dem jeweils anzuwendenden Steuergesetz.(Fußnote)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Änderung von Steuerbescheiden“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-46-5.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Herausgeber / Autor(-en):

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 171 AO, § 174 AO, § 175 AO, § 165 AO

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