Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 01 – Aufgaben der Gesellschafterversammlung
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
1 Einleitung
Rund 30.000 von gut 1.000.000 GmbHs in Deutschland haben fünf oder mehr Gesellschafter.[1] Nicht nur wegen solcher Größen, sondern vor allem wegen der zentralen Stellung als oberstes - und neben der Geschäftsführung einzig verpflichtendes - Organ einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist die Bedeutung der Gesellschafterversammlung nicht zu unterschätzen: Sie trifft die zentralen unternehmerischen Entscheidungen und kann auch jede operative Entscheidung an sich ziehen.[2]
Das Gesellschaftsrecht kennt zahlreiche Vorschriften, die der Gesellschafterversammlung einen Rahmen geben und die Rechte eines jeden Gesellschafters sichern sollen.[3] Daneben gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Gesellschafter selbst, zum Beispiel im Gesellschaftsvertrag, den Willensbildungsprozess nach ihren Vorstellungen zu gestalten.[4]
Die Willensbildung in einer Gesellschaft birgt ein nicht unerhebliches Konflikt- und die Vorschriften ihrer Durchführung Fehlerpotential in sich. Verstöße gegen gesetzliche oder selbst gesetzte Regularien führen zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen und damit zu möglicherweise erheblicher Rechtsunsicherheit und unnötigerweise zur Bindung personeller, organisatorischer und finanzieller Ressourcen. Darüber hinaus sorgt eine ordnungsgemäße Durchführung, die die Rechte jedes einzelnen Gesellschafters wahrt, für eine ausreichende Legitimität von Entscheidungen im Innenverhältnis.
Das vorliegende Skript soll einen praktischen Leitfaden für Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung einer Gesellschafterversammlung bieten, um diese Konfliktfelder zu umschiffen und Handlungs- und Rechtssicherheit zu schaffen.
2 Aufgaben der Gesellschafterversammlung
In der Gesellschafterversammlung kommen alle Gesellschafter einer GmbH zusammen, um Entscheidungen über bestimmte Angelegenheiten zu treffen. Sie ist grundsätzlich allzuständig, räumt dem Geschäftsführer oder den Geschäftsführern in der Praxis jedoch zahlreiche Kompetenzen ein. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Gesellschafter jede Entscheidung an sich ziehen können, § 37 Abs. 1 GmbHG.[5] Derartige Einschränkungen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis ändern allerdings nichts an der Wirksamkeit von Handlungen des Geschäftsführers im Außenverhältnis.
2.1 Grundlagenentscheidungen
Die Gesellschafter geben die Ausrichtung des Unternehmens vor - einerseits durch die Festlegung des Geschäftszwecks im Gesellschaftsvertrag und andererseits durch Grundlagenentscheidungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen.[6] In solchen Fällen ist die Geschäftsführung verpflichtet, die Entscheidung der Gesellschafter einzuholen. Bei einer Verletzung dieser Pflicht kann sich die Geschäftsführung nach § 43 Abs. 2 GmbHG schadensersatzpflichtig machen. Die Abgrenzung einer Entscheidung im "normalen" operativen Geschäft von einer, die die Grundlagen der Unternehmensführung betrifft, kann nur im Einzelfall getroffen werden. Maßgeblich dafür ist der im Gesellschaftsvertrag niedergelegte Unternehmensgegenstand.[7] Als Faustformel kann zugrunde gelegt werden, dass eine Entscheidung, je weiter sie sich von diesem Gegenstand entfernt, umso eher eine Grundlagenentscheidung darstellt. Dies betrifft insbesondere die Ausweitung der Geschäftstätigkeit.
Beispiel
Die X GmbH war bislang nur auf dem europäischen Markt tätig. Geschäftsführer G hält den chinesischen Markt für sehr gewinnbringend und möchte entsprechend expandieren.
Da es sich um eine Grundlagenentscheidung handelt, muss er eine Beschlussfassung der Gesellschafter herbeiführen.
Daneben steht es dem Geschäftsführer natürlich frei, zu jeder operativen Maßnahme die Entscheidung der Gesellschafter einzuholen.[8]
2.2 Gesetzlicher Aufgabenkreis der Gesellschafterversammlung
Das Gesetz weist diverse Aufgaben grundsätzlich der Gesellschafterversammlung zu.
Dies sind Beschlussfassungen über
- Satzungsänderungen,
- die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses,
- die Einforderung der Einlagen,die Teilung, Zusammenlegung oder Einziehung von Gesellschaftsanteilen,
- die Bestellung von Geschäftsführern, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten,
- Umwandlungen,
- den Abschluss von Unternehmensverträgen,
- die Geltendmachung gesellschaftsinterner Ansprüche sowie
- die Wahl eines Aufsichtsrates oder Beirates sowie der Abschlussprüfer.
Einige der genannten Aufgaben können auch auf andere Organe der GmbH übertragen werden, z.B. einen obligatorischen oder fakultativen Aufsichtsrat oder einen durch die Satzung vorgesehenen Beirat.
2.2.1 Satzungsänderungen
Die Gesellschafter sind für jegliche Änderungen des Gesellschaftsvertrages (Satzung) zuständig (§ 53 GmbHG).[9] Diese Zuständigkeit kann nicht delegiert werden.[10]
2.2.2 Feststellung des Jahresabschlusses und Verwendung des Ergebnisses
Die Gesellschafterversammlung beschließt gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG den vom Geschäftsführer nach § 42a Abs. 1 S. 1 GmbHG vorzulegenden Jahresabschluss sowie den Lagebericht. Die Beschlussfassung muss spätestens innerhalb der ersten acht Monate im neuen Geschäftsjahr bzw. bei kleinen Kapitalgesellschaften i.S.v. § 267 Abs. 1 HGB innerhalb der ersten elf Monate erfolgen, § 42a Abs. 2 S. 1, 2 GmbHG. Diese Zuständigkeit kann auf andere Organe übertragen werden.[11]
2.2.3 Einforderung der Einlagen
Die Gesellschafterversammlung ist gemäß § 46 Nr. 2 GmbHG dafür zuständig, nach der Erhöhung des Stammkapitals bzw. bei Übernahme eines Anteils Leistungen auf Stammeinlagen einzufordern, wenn die Leistungen bislang nicht oder nur teilweise zu bewirken waren.[12] Diese Befugnis kann zum Beispiel auf den Geschäftsführer übertragen werden.[13] Sofern die Satzung Regelungen enthält, wonach die Stammeinlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu leisten sind, macht dies eine Beschlussfassung dagegen überflüssig.[14]
Ein derartiger Einforderungsbeschluss kann wegen des gesellschaftsrechtlichen Prinzips der Gleichbehandlung aller Gesellschafter nicht mehr aufgehoben werden, wenn einzelne Gesellschafter ihre Einlagen bereits geleistet haben.[15]
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.
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Stand: Januar 2016
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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.
Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei
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- Gesellschaftsgründungen:
z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung bei Notarterminen
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Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:
- "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
- "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
- "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
- "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0
Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:
- Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
- Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
- Die Unternehmergesellschaft (UG)
Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
- Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
- Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
- Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
- Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
- Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
- Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
- Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
- Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters
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