Die internationale Entsendung von Mitarbeitern – Teil 05 – Anrechnungs- und Freistellungsmethode, 183-Tage-Regel, Grenzgänger
4.2.2. Die Anrechnungsmethode
Bei Anwendung der Anrechnungsmethode berechnet der Ansässigkeitsstaat seine Steuer nach dem Gesamteinkommen des Steuerpflichtigen, einschließlich der aus dem anderen Staat stammenden Einkünfte, die nach dem Abkommen im anderen Staat besteuert werden.
4.2.2.1. Die uneingeschränkte Anrechnung
Die Anrechnung der Steuer kann unterschiedlich vollzogen werden. Bei der uneingeschränkten Anrechnung (Vollanrechnung) wird von der Gewährung eines vollen Anrechnungsguthabens gesprochen, das heißt, wenn Deutschland als Wohnsitzstaat die ausländischen Steuer vollständig zum Abzug von der inländischen Steuer zulässt und, wenn notwendig, die ausländischen Steuern erstattet.
4.2.2.2. Die gewöhnliche Anrechnung
Von Gewährung eines gewöhnlichen Anrechnungsguthabens wird bei begrenzter (gewöhnlicher) Anrechnung gesprochen. Das heißt, wenn der Wohnsitzstaat die ausländischen Steuern nur in der Höhe Steuern anrechnet, in der inländische Steuern fällig wären, wenn das ausländische Einkommen stattdessen im Inland erzielt worden wäre.
Es ist international üblich, dass der Wohnsitzstaat die Anrechnung begrenzt. Unbegrenzte Anrechnung findet in der Praxis kaum Anwendung, da ansonsten der Tätigkeitsstaat den Anreiz hätte, sein Aufkommen zu Lasten des Wohnsitzstaates auszudehnen.
Beispiele:
Karl hat von seinem Auslandsaufenthalt Einkünfte in Höhe von 2.500 Euro – im Ausland ist hierfür bereits eine Steuer von 400 Euro angefallen.
1. Sollte die deutsche Steuer höher sein, so kann mittels der Anrechnungsmethode der Betrag von 400 Euro von dieser abgezogen werden. Müsste man in Deutschland normalerweise 500 Euro auf dieses Einkommen bezahlen, so muss Karl nur noch 100 Euro in Deutschland bezahlen.
2. Sollte die deutsche Steuer niedriger sein, so kann Karl mittels der Anrechnungsmethode nur das anrechnen lassen, was bis zu dieser Grenze anfallen würde. Müsste er in Deutschland zum Beispiel nur 300 Euro zahlen, so kann er von den 400 Euro Steuern aus dem Ausland maximal 300 anrechnen lassen und muss keine Steuern zahlen.
3. Sollte die deutsche Steuer entfallen, so muss Karl auch keine Steuer bezahlen. Die Steuer im Ausland kann er somit auch nicht anrechnen lassen.
4.2.3. Die Freistellungsmethode
Die Methode stellt Einkünfte, die im Ausland besteuert werden (bzw. werden können), von der inländischen Besteuerung frei, um eine doppelte Besteuerung zu verhindern.
Die Freistellungsmethode sorgt dafür, dass deutsche Unternehmen in ausländischen Märkten, in denen das Steuerniveau niedriger ist als in Deutschland, gleiche Wettbewerbschancen wie ihre ausländischen Konkurrenten haben, da sie von den erzielten Gewinnen nicht höhere Steuern zahlen müssen als die örtlichen Mitbewerber. Auf diese Art und Weise wird ihre Fähigkeit, durch die Nichtausschüttung erzielter Gewinne Rücklagen zu bilden und ihr weiteres Wachstum zu sichern, nicht durch zusätzliche deutsche Steuerforderungen beeinträchtigt.
Beispiel:
Der verheiratete Fritz, wohnhaft in Bremen, wird für zwei Jahre in die USA entsandt. Den Wohnsitz in Bremen behält Fritz bei. Seine Familie bleibt während der Entsendung in Deutschland. Fritz hat ein Jahresgehalt von € 100.000,00, davon entfallen auf die Tätigkeit in den USA € 80.000,00.
Unter der Annahme, dass Deutschland aufgrund des Familienwohnsitzes Ansässigkeitsstaat ist und die USA entsprechend dem Doppelbesteuerungsabkommen „Deutschland-USA“ das Besteuerungsrecht auf den auf die Tätigkeit in den USA entfallenen Gehaltsteil hat, bleiben in diesem Fall € 80.000,00 in Deutschland steuerfrei und Deutschland besteuert lediglich den verbleibenden Gehaltsteil in Höhe von € 20.000,00.
4.2.4. Die 183-Tage-Regel
Eine wichtige Ausnahme vom Grundsatz der Doppelbesteuerung bildet die sog. 183-Tage-Regelung, die regelmäßig in DBAs vorgesehen ist. Sind die Bedingungen dieser Regelung erfüllt, werden die Einkünfte des Arbeitnehmers nur einmal besteuert – und zwar in dem Land, in dem er sich mindestens 183 Tage aufhält.
Es gelten hierfür folgende Voraussetzungen:
1) der Arbeitnehmer hält sich nicht länger als 183 Tage im Jahr berufsbedingt im Ausland auf
2) der Arbeitnehmer nicht für einen Arbeitgeber im entsendeten Land tätig ist
3) das Gehalt des Mitarbeiters nicht einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Einsatzland zuzuordnen ist
Ausschlaggebend für die Ermittlung der 183 Tage ist nicht die Dauer der Tätigkeit, sondern die tatsächliche körperliche Anwesenheit des Auslandstätigens, so dass z.B. die kurzfristige Anwesenheit an einem Tag für die Wertung genügt. Zudem ist grundsätzlich für jedes Steuerjahr bzw. Kalenderjahr neu zu ermitteln.
Als Tage der Anwesenheit gelten nicht nur Ankunfts- und Abreisetag, sondern auch alle Tage der Anwesenheit oder, während und unmittelbar nach der Tätigkeit, wie Samstage, Sonntage, Feiertage. Auch gelten Tage als anwesend während Arbeitsunterbrechungen, z.B. Streik, Aussperrung, Urlaubstage, die unmittelbar vor, während und nach der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat verbracht werden.
Beispiel :
Peter ist für seinen deutschen Arbeitgeber in Spanien tätig. Mit Spanien besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen. Eine Betriebsstätte des Arbeitgebers in Spanien existiert nicht.
1) Peter ist vom 01. März bis 15. August 2013 in Spanien tätig
2) Direkt im Anschluss hieran verbringt er dort seinen Urlaub bis 15.September
3) Peter ist nun vom 01.November 2013 bis 30.Juni 2014 in Spanien tätig
Lösung:
1) 183-Tage-Regelung unterschritten, kein Besteuerungsrecht für Spanien
2) Spanien hat das Besteuerungsrecht, da Peter sich länger als 183 Tage in Spanien aufgehalten hat
3) Spanien hat kein Besteuerungsrecht, da die 183-Tage-Frist für jedes Jahr gesondert zu ermitteln ist
4.2.5. Grenzgänger
Einige Abkommen der DBA enthalten besondere Regelungen für Grenzgänger. Als Grenzgänger werden Arbeitnehmer bezeichnet, die in Deutschland nahe der Grenze wohnen, im Tätigkeitsstaat in der Nähe der Grenze arbeiten und täglich von der Wohnstätte zur Arbeit in den anderen Staat pendeln. In diesen Fällen verbleibt das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat; der Tätigkeitsstaat hat meist ein auf wenig Prozentpunkte begrenztes Besteuerungsrecht.[1] Diese Doppelbesteuerung wird durch die Anrechnungsmethode verhindert (4.2.2.).
Beispiel 1:
Justus wohnt in Österreich, zehn Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Er arbeitet in dem deutschen Betrieb X, welcher ca. 15 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt liegt.
- Justus ist ein sogenannter Grenzgänger im Sinne des Deutsch-Österreichischen DBA. Mithin steht seinem Wohnsitzstaat Österreich das Besteuerungsrecht zu.
Beispiel 2:
Louis wohnt in Frankreich, 50 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Er arbeitet in dem deutschen Unternehmen L, welches fünf Kilometer von der deutschen Grenze entfernt seine Betriebsstätte hat.
- Louis fällt, aufgrund der Entfernung von 50 Kilometern zur deutschen Grenze, nicht unter den Status eines Grenzgängers im Sinne des DBA, da er außerhalb des Grenzbereichs von 20 Kilometern wohnt. Damit gelten die üblichen Regelungen des DBA, wodurch das Besteuerungsrecht in diesem Falle Deutschland zusteht.
Solche Grenzgängerreglungen enthalten die Abkommen mit Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Staat |
Grenzzone |
Frankreich |
20km für Deutschland |
Österreich |
30km |
Schweiz |
keine km-Grenze |
Die Grenzgängerreglungen gehen von einer täglichen Rückkehr in die Wohnung aus. Abweichungen sind hiervon nicht erfasst, das heißt, es gelten Vereinbarungen mit dem jeweiligen Nachbarstaat, ansonsten wechselt das Besteuerungsrecht zum Tätigkeitsstaat.
Staat |
Grenzen der Vereinbarung |
Frankreich |
45 Tage |
Österreich |
45 Tage |
Schweiz |
60 Tage |
Hinsichtlich der DBA mit Luxemburg, Polen, Tschechien, den Niederlanden und der Slowakei sind keine Vereinbarungen zu Grenzgängern getroffen worden. Demnach gilt hier die Methode der 183-Tage-Regelung.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die internationale Entsendung von Mitarbeitern“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Babett Stoye, LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1.
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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2016