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Steuerberaterhaftung – Teil 06 – Fristengebundenheit: Beweislast und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand

3.2.1.1.2.3 Beweislast

Das Finanzamt hat grundsätzlich die Ingangsetzung der Frist, d.h. die Aufgabe zur Post zu beweisen (vgl. § 122 Abs. 2, 2. HS AO). Hierzu reicht ein Hinweis in der Steuerakte oder im Postausgangsbuch.(Fußnote) Dass der Steuerbescheid im Anschluss nach drei Tagen bzw. einem Monat zugegangen ist, wird fingiert.(Fußnote) Ging der Steuerbescheid tatsächlich später zu, muss der Steuerpflichtige den späteren Zugang beweisen. Hierzu ist ausreichend, wenn Zweifel erweckt werden, dass der Steuerbescheid rechtzeitig zugegangen ist.(Fußnote)

Beispiel

Das Finanzamt C möchte dem Steuerpflichtigen A den Steuerbescheid für das Jahr 2015 übersenden. Dieser wird am 13.03.2016 zur Post aufgegeben. Tatsächlich geht der Steuerbescheid dem A am 10.04.2016 zu. Grund dafür war, dass der Steuerbescheid dem A wegen eines Wohnungswechsels nachgesendet werden musste.

  • A hat eine Nachsendung erhalten. Darüber hinaus wurde der Steuerbescheid an die falsche Anschrift versendet, sodass bereits durch Vorlage des Steuerbescheides mit falscher Anschrift zumindest Zweifel daran geweckt werden können, dass der Steuerbescheid dem A nicht nach drei Tagen zugegangen ist.

Als Nachweis reicht es ferner aus, wenn der Steuerberater den Zugang des Steuerbescheids durch Vorlage des Poststempels, eines Eingangsvermerks oder eines Briefumschlags schlüssig darstellt.(Fußnote)

Der rechtzeitige Zugang von Schriftstücken des Steuerberaters an die Finanzbehörde ist grundsätzlich durch den Steuerberater zu beweisen.(Fußnote) Bei der Beförderung durch die Post genügt es, wenn der Steuerberater nachweist, dass er den Brief rechtzeitig in den Briefkasten der Post eingeworfen hat, sodass er bei normalem Postlauf den Empfänger rechtzeitig erreicht haben muss.(Fußnote)

Als Nachweis kann herangezogen werden:

  • Postausgangsbuch oder Fristenkalender mit Ausgangsvermerk
  • Empfangsquittung der Poststelle des Finanzamts/Finanzgerichts
  • Zeugen bei Einwurf
  • Sendeprotokoll bei Faxübermittlung

3.2.1.1.2.4 Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand

Bei einem Fristversäumnis besteht unter Umständen die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (§ 110 AO). Hierbei handelt es sich um die Heilung der Fristversäumnis. Der Steuerpflichtige wird so gestellt, als habe er die Frist nicht versäumt. Hierzu muss fristgerecht ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt werden (§ 110 Abs. 1 AO). Die Frist beträgt einen Monat ab dem Zeitpunkt, in dem das Hindernis (Grund der Fristversäumnis) weggefallen ist (§ 110 Abs. 2 AO). Spätestens ist der Wiedereinsetzungsantrag vor Ablauf des Jahres nach Versäumen der Frist zu stellen (§ 110 Abs. 3 AO).

Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist nicht bei jeder Fristversäumnis möglich. Grundsätzlich muss die Fristversäumnis unverschuldet erfolgt sein (§ 110 Abs. 1 AO). Dies muss durch den Antrag auf Wiedereinsetzung glaubhaft gemacht werden.(Fußnote)

Beispiel

Steuerberater B ist überlastet. Aufgrund dessen versäumt er, rechtzeitig gegen den Steuerbescheid seines Mandanten A Einspruch einzulegen.

  • B hätte den A darauf hinweisen müssen, dass er die Frist nicht einhalten kann. Alternativ hätte er geeignete organisatorische Maßnahmen treffen können, wie beispielsweise die Beauftragung eines Vertreters, die die Einhaltung der Frist gewährleistet hätten. Die Fristversäumnis ist verschuldet.

Beispiel

Steuerberater B wirft die Klage seines Mandanten A versehentlich in den Briefkasten des Finanzamtes anstatt in den des Finanzgerichts. Dies geschieht am letzten Tag der Klagefrist bzw. eine Woche vor Ende der Klagefrist. In beiden Fällen wird die Klage nicht mehr fristgerecht an das zuständige Finanzgericht weitergereicht.

  • In beiden Fällen handelt es sich um eine grob fahrlässige Fristversäumnis des B, der verpflichtet ist, ein Rechtsmittel an die zuständige Behörde zu übermitteln. Das Finanzamt ist bei fehlender Zuständigkeit verpflichtet, die Klageschrift an das zuständige Gericht in normalem Geschäftsgang weiterzuleiten.(Fußnote) Wird die Weiterleitung versäumt, stellt die Verspätung ein unabwendbares Ereignis dar, das dem B nicht zugerechnet werden kann, wenn die fristgerechte Weiterleitung ohne weiteres hätte erwartet werden können. B hat die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

Beispiel

Steuerberater B ist schwer erkrankt. Er hat eine Einzelkanzlei und keine Mitarbeiter. Die Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid des Mandanten A wird versäumt.

  • Insbesondere wenn es sich um einen Steuerberater in einer Einzelkanzlei handelt, besteht die Verpflichtung, organisatorische Maßnahmen zu treffen, die eine Vertretung bei Verhinderung sicherstellt. B könnte beispielsweise eine Absprache mit einem Kollegen treffen, der sich um die Einhaltung der Fristen während seiner Krankheit kümmert. Eine Ausnahme bestünde dann, wenn der Eintritt der Krankheit völlig unvorhergesehen ist und die Vertretung durch einen Dritten für B unzumutbar ist.(Fußnote)

Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand kommt nicht in Betracht, wenn der Bürobetrieb des Steuerberaters nicht ordnungsgemäß eingerichtet ist. Hierzu müssen Vorkehrungen getroffen werden, die unter normalen Umständen die Beachtung der Fristen gewährleisten.(Fußnote)

Geeignete Vorkehrungen können sein:

  • Anweisungen an das Hilfspersonal
  • Festlegung klarer Zuständigkeiten
  • Stichprobenartige Kontrollen des Personals
  • Einrichtung und Nutzung des Fristenkalenders
  • Notierung der Fristen im Fristenkontrollbuch und in der Handakte

Die Fristenkontrolle darf dem Personal nur dann überlassen werden, wenn es ordnungsgemäß ausgewählt und überwacht wird.(Fußnote)

Beispiel

Steuerberater B überlässt die Kontrolle der Fristen seiner Sekretärin C. Diese ist bereits seit 10 Jahren bei B beschäftigt und hat bisher aufgrund regelmäßiger Kontrollen durch B nachweislich einwandfrei gearbeitet. C trägt aufgrund eines Versehens eine Frist falsch ein.

  • Die 10-jährige nicht zu beanstandende Arbeit der C zeigt, dass sie eine zuverlässige Mitarbeiterin ist. Dies wurde regelmäßig kontrolliert. Dementsprechend hat B die C ordnungsgemäß überwacht, sodass B hinsichtlich der Fristversäumnis kein Verschulden trifft. Er kann Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen.

Verwendet der Steuerberater einen elektronischen Fristenkalender, hat er sicherzustellen, dass Kontrollen eingerichtet sind, die gewährleisten, dass fehlerhafte Eingaben rechtzeitig erkannt werden(Fußnote) – beispielsweise durch die Kontrolle der Eingabe durch eine zweite Person.(Fußnote)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Steuerberaterhaftung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Anika Wegner, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9.


 

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Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Herausgeber / Autor(-en):

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

Portrait Monika-Dibbelt

Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.

Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung  des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.

Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema

  • Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
  • Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
  • Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
  • Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz


Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Dibbelt unter:
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Telefon: 0421-2241987-0

 

Normen: § 122 AO, § 110 AO

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