Die internationale Entsendung von Mitarbeitern – Teil 07 – Vertragsrisiken und Sozialversicherungsrecht
4.3. Arbeitsrecht (anwendbares Recht)
Die Frage, welches Recht bei einer Auslandsentsendung zur Anwendung kommt, wird zwar viel diskutiert, ist jedoch in der Praxis grundsätzlich klar. Bis auf Fälle des Übertritts ist in allen Varianten der Auslandstätigkeit die deutsche (Mutter-) Gesellschaft bei der Vertragsgestaltung verantwortlich. Da zudem ein deutscher Mitarbeiter beteiligt ist, wäre es ungewöhnlich etwas anderes als die Anwendbarkeit des deutschen (Arbeits-)Rechts zu vereinbaren. Denn die deutschen Arbeitsrechtsregelungen kann man besser erfassen als die Vorschriften einer ausländischen Rechtsordnung. Jedoch ist die sogenannte Rechtswahl nicht immer im Arbeitsvertrag verankert. Nachfolgend werden sich trotzdem immer wieder ergebende Gesichtspunkte aufgeworfen und eine Lösung aufgezeigt.
4.3.1. Rechtswahl durch die Parteien, Gerichtsstand bei Klagen
Die Frage, welches Recht Anwendung findet, wenn aus dem Arbeitsverhältnis ein Gerichtsstand gewählt werden soll, beantworten die Arbeitsgerichte unterschiedlich. Jedoch ist es plausibel, dass sich deutsche Arbeitgeber, und insbesondere auch regelmäßig der Arbeitnehmer, rechtlich eher von einem deutschen Arbeitsgericht vertreten lassen möchten, als von einem Gericht im Ausland. Der Vorteil der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit besteht nicht nur in der damit verbundenen Rechtsklarheit für die Betroffenen, sondern auch in kalkulierbaren Rechtsrisiken.
Die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Rechts obliegt aufgrund der Privatautonomie grundsätzlich den Vertragsparteien. Dies gilt auch im Arbeitsrecht für den Fall der Entsendung.
4.3.1.1. Rechtswahlklausel
Da bei der Entsendung verschiedene staatliche Rechtsordnungen berührt werden, sollten die Entsendungsverträge aus Gründen der Rechtsklarheit idealerweise eine Rechtwahlklausel enthalten. Dadurch wird erreicht, dass die Bestimmung des anwendbaren Rechts zweifelsfrei möglich ist und im Ergebnis auf den Vertrag möglicherweise nicht teilweise deutsches und teilweise ausländisches Recht Anwendung findet. Jedoch werden im Zweifel die Rechte des Arbeitnehmers miteinander verglichen. Diejenigen Rechte, die nach einer Günstigkeitsprüfung die besseren Rechte bieten, behalten vorrangige Geltung. Das heißt, es gilt die günstigere Vorschrift [1].
Beispiel einer Rechtswahlklausel im Entsendevertrag:
„Für diesen Vertrag – einschließlich der Fragen des Zustandekommens, der Form, der Wirksamkeit, des Inhalts, der Durchführung, des Erlöschens und der Auslegung – findet deutsches Recht Anwendung.“
4.3.1.2. vorrübergehende Entsendung [2]
Bei der vorübergehenden Entsendung eines Mitarbeiters (Dienstreise/Abordnung) ist in der Regel von der Anwendung des Arbeitsrechts des entsendeten Landes auszugehen, da gemäß Art. 8 Abs. 2, 3 Rom I-VO [3] das Recht des Staates maßgeblich ist, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung seines Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.
4.3.1.3. Dauernde Entsendung
Abgrenzungsprobleme treten bislang bei der dauernden Entsendungen auf, bei der der Arbeitsort ins Ausland verlegt wird und die grundsätzlich eine Anwendung des ausländischen Rechts zur Folge haben. Für die genaue Dauer gibt es keine gesetzlich definierten Höchstgrenzen seitens der Rechtsprechung, weshalb in Anlehnung an die sozialversicherungsrechtliche Ausstrahlung von der Absicht der Vertragsparteien bei der Entsendung ausgegangen wird [4]. Entscheidend für die Dauer bei einer Entsendung (von über einem Monat) hat der Arbeitgeber wesentliche Vertragsbedingungen, wie z. B. Arbeitsort, Arbeitsentgelt, Kündigungsfristen beachtet werden, zudem laut Nachweisgesetz zusätzlich folgende Punkte schriftlich niederzulegen:
- Dauer der Auslandstätigkeit.
- Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird.
- Mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes zusätzliches Entgelt und Sachleistungen.
- Bedingungen für die Rückkehr des Arbeitnehmers.
4.3.1.4. Mangels Rechtswahl anwendbares Recht
Ist keine Rechtswahl vertraglich bestimmt worden, so legt die EG(Europäische Gemeinschaft)-Verordnung ROM I (Über das anzuwendende Recht auf vertragliche Schuldverhältnisse, die ab dem 17.12.2009 abgeschlossen worden sind) in Art. 8 Abs. 2 folgendes fest: „...Soweit das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet…“. Die Rechtsprechung versucht den unbestimmten Rechtsbegriff „vorrübergehend“ einzugrenzen.
Beispiel-Urteil: LAG [5] Rheinland-Pfalz, Urteil aus Mai 2006
Im vorliegenden Fall soll der Kläger zwar für ¼ Jahr Montagearbeiten in der Schweiz für die Beklagte zu 1. verrichten. Die Gesamtheit der Umstände ergibt aber, dass das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu dem deutschen als zu dem Schweizer Staat aufweist.
Beispiel-Urteil: LAG Hessen, Urteil aus September 2008
Die Dauer der Tätigkeit des Klägers in der Türkei bis zu dem von der Beklagten beabsichtigten Rückruf nach Deutschland ist mit nicht einmal drei Jahren nicht so lang, dass sich allein aufgrund des Zeitfaktors eine vorrübergehende Entsendung zu einer endgültigen verfestigt hätte.
Ist keine Rechtswahl in einem Arbeitsvertrag geregelt, kann es zu folgender Konstellation kommen:
Problem-Beispiel [6]:
Ein Mitarbeiter wird für drei Jahre von Deutschland in die USA versandt. Der Mitarbeiter erhält das Zweivertragsmodell, lokaler Anstellungsvertrag mit Deutschland, zusätzlicher Entsendevertrag mit den USA. Im Entsendevertrag ist keine Rechtswahl aufgeführt. Der Mitarbeiter wird in Amerika von einem benachbarten Unternehmen abgeworben. Er kündigt den Entsendevertrag mit einer Kündigungsfrist von 14 Tagen, analog der amerikanischen Rechtsprechung. Die Begründung hierfür lautet, dass er auf dem amerikanischen Sektor seiner Beschäftigung nachgegangen ist und drei Jahre in Amerika angesiedelt sei. Ferner spreche er die Kündigung in Amerika aus. Was für ein Horrorszenario für den deutschen Arbeitgeber, der auf der einen Seite sehr viel Geld in diesen Mitarbeiter investiert hat und auf der anderen Seite natürlich auch einen Knowhow Träger verliert.
Werden nun die Gerichte zu diesem Sachverhalt angerufen, wird das amerikanische Arbeitsgericht sicherlich die Entscheidung des Mitarbeiters unterstützen. Aus Sicht der amerikanischen Gerichte, ist das amerikanische Kündigungsrecht anzusetzen. Daher ist die Kündigung aus deren Sicht rechtmäßig. Der deutsche Arbeitgeber wiederum wird das deutsche Arbeitsgericht anrufen. Hier wird deutsches Arbeitsrecht abgeprüft und die kurzfristige Kündigungsfrist ist mit den deutschen Kündigungsfristen nicht zu vereinbaren. Somit kommt es zum Streitfall zwischen den beteiligten Ländern. Hier hilft oftmals nur ein Verständigungsverfahren.
EXKURS:
Es kann vorkommen, dass sowohl Deutschland als auch das Ausland besteuern wollen, obwohl ein DBA besteht. Der häufigste Grund dafür ist, dass die beiden Staaten den gleichen Sachverhalt unterschiedlich beurteilen (z.B.: Erfüllt eine bestimmte Einrichtung, die die Unternehmerin/der Unternehmer im Ausland nutzt, bereits die Voraussetzungen einer Betriebsstätte?) oder einen Begriff des unterschiedlich auslegen (z.B.: Arbeitgeberin/Arbeitgeber bei der DBA z.B. Personalentsendung). In solchen Fällen besteht für eine deutsche Unternehmerin/einen deutschen Unternehmer, die/der erfolglos versucht hat, im Ausland die gleiche Beurteilung wie durch das deutsche Finanzamt zu erhalten, die Möglichkeit, beim Bundesministerium für Finanzen die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu beantragen. Das Bundesministerium für Finanzen sucht dann gemeinsam mit dem Ausland nach einer Lösung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.
Problem-Lösungsansatz:
Daher gilt die Empfehlung stets eine Rechtswahl im Entsendevertrag zu verankern. Möglichst diejenige, die für die Heimatgesellschaft gültig ist. Dies gibt beiden Seiten eine entsprechende Rechtssicherheit.
EMPFEHLUNG:
Eine weitere Grenze der Rechtswahl besteht darin, dass das deutsche Arbeitsvertragsrecht nicht von allen Staaten gebilligt wird. Daher ist es im Einzelfall immer zweckmäßig, sich bei einer Botschaft, einem Konsulat oder einem im Tätigkeitsstaat ansässigen Rechtsanwalt über die mit einer Rechtswahlklausel verbundenen Zweifelsfragen aufklären zu lassen.
4.3.1.5. Zwingende Vorschriften
Zwingende Vorschriften, von denen zum Nachteil des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden darf, finden sich in allen Bereichen des Arbeitsrechts. Zusammengefasst versteht man darunter gesetzliche oder tarifliche Regelungen, die durch einen Einzelvertrag nicht eingeschränkt oder aufgehoben werden dürfen. Dazu gehören beispielsweise die Vorschriften des Kündigungsschutzes, Mutterschutzes, Jugendarbeitsschutzes oder Arbeitszeitvereinbarungen. Die Zwingenden Vorschriften gelten unabhängig vom vereinbarten bzw., mangels einer Rechtswahl, sonstigen anwendbaren Recht.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die internationale Entsendung von Mitarbeitern“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Babett Stoye, LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1.
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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2016