Das Widerrufsrecht – Teil 06 – Finanzierungshilfen, Ratenlieferungsvertrag, Verträge über Urlaubsprodukte
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
2.1.2.2.2 Finanzierungshilfen
Zu den Finanzierungshilfen zählen der Zahlungsaufschub sowie weitere, sonstige entgeltliche Finanzierungshilfen.
Finanzierungshilfen sind grundsätzlich schriftlich abzuschließen (§§ 506 Abs. 1 S. 1, 492 Abs. 1 BGB). Ein mündlicher Vertragsschluss ist nicht gültig, da § 492 Abs. 1 BGB nur Abweichungen hin zu strengeren Formen (notarielle Form) erlaubt.
Vom Verbraucherschutz nicht erfasst sind Finanzierungshilfen,
- die weniger als 3 Monate laufen (§ 506 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 491 Abs. 2 Nr. 3 BGB),
- die einen Nettobetrag i.H.v. 200 € nicht übersteigen (§ 506 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB),
- die durch ein Pfand gesichert wurden (§ 506 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 491 Abs. 2 Nr. 2 BGB),
- die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entstehen (§ 506 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB),
- die zu günstigeren als den marktüblichen Bedingungen und aufgrund öffentlicher Rechtsvorschriften geschlossen werden (§ 506 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 491 Abs. 2 Nr. 5 BGB).
2.1.2.2.2.1 Zahlungsaufschub
Durch den Zahlungsaufschub wird die Fälligkeit und Durchsetzbarkeit einer Forderung auf einen späteren als den vertraglich vereinbarten Zeitpunkt hinausgeschoben.[1]
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Beispiel: Die Zahlung einer Versicherungsprovision i.H.v. 600 € ist fällig. Der Verbraucher ist aktuell nicht liquide. Es wird vereinbart, die Provisionszahlung um 6 Monate zu verschieben.
- Es liegt ein Zahlungsaufschub vor, da die Fälligkeit der Provisionszahlung verschoben wurde. Die bereits aufgeführten Ausnahmetatbestände sind nicht einschlägig.
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2.1.2.2.2.2 Sonstige entgeltliche Finanzierungshilfen
Eine entgeltliche Finanzierungshilfe, die kein Zahlungsaufschub oder Darlehen ist und eine zeitliche Überlassung von Kaufkraft darstellt, wird als sonstige Finanzierungshilfe bezeichnet.[2] Dies ist beim Leasingvertrag mit Kaufoption der Fall.[3]
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Beispiel: Ein PKW wird zu privaten Zwecken für 12 Monate geleast. Der Leasingvertrag endet mit einer Kaufoption. Der PKW kann nach Auslaufen des Leasingvertrages günstig i.H.v. 1.000 € vom Verbraucher erworben werden. Der Kaufpreis läge sonst bei 3.000 €. Der Verbraucher erwirbt das Fahrzeug nach 12 Monaten.
- Da die bereits genannten Ausnahmetatbestände nicht vorliegen und auch kein Zahlungsaufschub oder Darlehen gegeben ist, liegt eine sonstige Finanzierungshilfe vor.
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2.1.2.2.3 Ratenlieferungsvertrag
Ratenlieferungsverträge sind kreditähnliche Geschäfte. Sie können eine ähnlich lange Bindung wie Darlehensverträge haben. Mit ihnen ist oft eine langfristig schwer überschaubare Gesamtbelastung verbunden. Der Ratenlieferungsvertrag bedarf der Schriftform (§ 510 Abs. 1 S. 1 BGB).
2.1.2.2.3.1 Teillieferungsvertrag
Eine Form des Ratenlieferungsvertrages ist der Teillieferungsvertrag (§ 510 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB). Dieser hat die Teillieferung mehrerer zusammengehörenden Sachen zum Inhalt. Die Teillieferungen sind zusammengehörend, wenn sie funktionelle Verbindungen aufweisen.[4] Wichtig ist, dass auch der Verbraucher das Entgelt in Teilleistungen erbringt.
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Beispiel: Der Verbraucher bestellt ein mehrteiliges Modellbauset der Titanic. Die Lieferung soll so erfolgen, dass der Verbraucher jeden Monat neue Teile zur Komplementierung des Modells erhält. Mit Verbuchung des Zahlungseingangs am ersten Werktag eines Monats, erhält der Verbraucher die nächste Teillieferung jeweils zum zehnten Werktag des Monats.
- Da die Teillieferungen zusammengehörend in einer funktionellen Verbindung stehen und der Verbraucher die Zahlung (Gegenleistung) ebenfalls in Teilleistungen erbringt, liegt ein Teillieferungsvertrag vor.
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2.1.2.2.3.2 Lieferung gleichartiger Sachen
Verbraucherverträge, die eine regelmäßige Lieferung von Sachen gleicher Art zum Inhalt haben, sind ebenfalls Ratenlieferungsverträge (§ 510 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB). Dabei kann es sich auch um Teillieferungsverträge handeln, bei denen das Merkmal der "Zusammengehörigkeit der Sachen" fehlt.
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Beispiel: Briefmarkensammlerin A bestellt bei Antiquitätenhändler B alte deutsche Briefmarken. Beide vereinbaren die regelmäßige Lieferung sämtlicher Marken die B in die Hände bekommt. Es müssen jedoch mindestens 50 Stück im Monat geliefert werden. Beide Parteien leisten jeweils zum ersten Werktag eines Monats. Es wird ein Pauschalpreis i.H.v. 100 € je monatlicher Lieferung vereinbart. Da B nur die Marken verkaufen kann, die er so auftreibt, erhält A meistens unvollständige Sätze.
- A erhält die Lieferung immer gleichartiger Sachen (Briefmarken). Diese sind jedoch nicht immer zusammengehörig, da sie keine vollständigen Sätze der Sammlung bilden.
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2.1.2.2.3.3 Wiederkehrender Erwerb oder Bezug
Verträge, die eine Verpflichtung zum wiederkehrenden Erwerb oder Bezug von Sachen zum Inhalt haben, sind als Ratenlieferungsverträge zu qualifizieren (§ 510 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB). Dies können Verträge sein, die zum späteren Abschluss weiterer Verträge verpflichtet.
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Beispiel: Der Verbraucher ist Mitglied in einem Literatur-Club. Die Mitgliedschaft sieht den Erwerb von mindestens 3 Büchern eines bestimmten Themengebietes pro Jahr vor.
- Der Mitgliedschaftsvertrag verpflichtet den Verbraucher zum Abschluss weiterer Verträge (Erwerb der Bücher). Damit ist die Voraussetzung des wiederkehrenden Erwerbs gegeben. Ein Ratenlieferungsvertrag nach § 510 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB liegt vor.
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2.1.2.3 Verträge über Urlaubsprodukte
Zu den Verträgen über Urlaubsprodukte bei denen das Widerrufsrecht anwendbar ist, zählen:
- Teilzeit-Wohnrechtsverträge
- Verträge über ein langfristiges Urlaubsprodukt
- Vermittlungsverträge und
- Tauschsystemverträge
2.1.2.3.1 Teilzeit–Wohnrechtsvertrag
Ein Teilzeit-Wohnrechtsvertrag verschafft dem Verbraucher gegen die Zahlung eines Gesamtpreises das Recht für die Dauer von mehr als einem Jahr ein Wohngebäude mehrfach über einen bestimmten Zeitraum für Übernachtungszwecke zu nutzen (Time-Sharing-Vertrag gem. § 481 Abs. 1 S. 1 BGB).
Es handelt sich um ein Recht, ein Appartement, z.B. in einer Ferienanalage oder einem Hotel, für mehr als ein Jahr bewohnen zu dürfen. Dabei kann es sich um das Nutzungsrecht eines Wohngebäudes insgesamt oder auch nur um einen Teil des Gebäudes handeln (§ 481 Abs. 3 BGB). Gegenstand eines Teilzeit-Wohnrechtvertrages kann ebenso eine bewegliche Übernachtungsunterkunft sein. Der Time - Sharing - Vertrag bedarf der Schriftform (§§ 484 Abs. 1, 126 BGB).
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Beispiel: Der Verbraucher mietet in Spanien ein Einfamilienhaus für die Dauer von 2 Jahre.
- Mit dem Vertrag erwirbt der Verbraucher das Recht, das Haus, das auch für Übernachtungszwecke geeignet ist, für die Dauer von mehr als zwei Jahre als Urlaubsresidenz zu nutzen. Ein Time - Sharing - Vertrag liegt somit vor.
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2.1.2.3.2 Vertrag über ein langfristiges Urlaubsprodukt
Der Vertrag über ein langfristiges Urlaubsprodukt wird für die Dauer von mehr als einem Jahr abgeschlossen. Der Unternehmer verschafft dem Verbraucher gegen die Zahlung eines Gesamtpreises das Recht, Preisnachlässe oder sonstige Vergünstigungen in Bezug auf eine Unterkunft zu erwerben (§ 481a BGB). Der Vertrag bedarf ebenfalls der Schriftform (§§ 484 Abs. 1, 126 BGB).
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Beispiel: Der Verbraucher ist Mitglied in einem Reise-Rabatt-Club. Die Mitgliedschaft läuft 18 Monate, bevor sie endet. Der Verbraucher zahlt zu Beginn der Mitgliedschaft den gesamten Mitgliedschaftsbeitrag und erhält im Gegenzug einen Zugang zu rabattierten Hotel-, Flug-, oder Mietwagen- Angeboten.
- Da die Mitgliedschaft die Dauer eines Jahrs übersteigt, der Jahresbeitrag komplett gezahlt wurde (Gesamtpreis) und der Verbraucher Rabattangebote für Urlaubsreise erhält und auch in Anspruch nehmen kann, sind die Voraussetzungen eines Vertrages über ein langfristiges Urlaubsprodukt gegeben.
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2.1.2.3.3 Vermittlungsvertrag und Tauschsystemvertrag
Durch einen Vermittlungsvertrag wird der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher ein Teilzeit - Wohnrecht zu vermitteln (§ 481b Abs. 1 BGB). Es kommt jedoch nur auf die Vermittlung eines Vertrages, nicht auf den Abschluss des vermittelten Vertrages an.[5]
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Beispiel: Der Verbraucher hat zwei Anwesen. Eines der Anwesen nutzt er nicht. Deswegen möchte er es gegen die Zahlung eines Preises als Urlaubsresidenz anbieten. Der Unternehmer vermittelt das Anwesen für 3 Jahre an Dritte.
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Durch einen Tauschsystemvertrag erhält der Verbraucher gegen eine Entgeltzahlung den Zugang auf eine vom Unternehmer geführten Plattform, auf der er seine Time-Sharing-Rechte gegen das Recht zum Zugang einer anderen Unterkunft oder Urlaubsleistung eintauschen kann (§ 481b Abs. 2 BGB). Derjenige der die Teilzeit - Wohnrechte des Verbrauchers nutzt, muss nicht zwingend derjenige sein, dessen Teilzeit - Wohnrecht vom Verbraucher genutzt wird. Sowohl der Vermittlungs- als auch der Tauschsystemvertrag bedürfen der Schriftform (§§ 484 Abs. 1, 126 BGB).
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Beispiel: Der Verbraucher A möchte das Time-Sharing-Recht seiner Ferienwohnung in Wien zur Verfügung stellen. Verbraucher B möchte gerne die Ferienwohnung in Wien nutzten. Er stellt im Gegenzug seine Ferienwohnung in Hamburg zur Verfügung. Beide verabreden den Tausch über die Vermittlungsplattform des Unternehmers U.
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[1] Vgl. BeckOK BGB § 506, Rn 5.
[2] Vgl. BeckOK BGB § 506, Rn. 9.
[3] Vgl. BT-Drs 11/5462 S 17.
[4] Vgl. BeckOK BGB § 510, Rn 9.
[5] Vgl. jurisPK-BGB Band 2 § 481b Rn. 10.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Das Widerrufsrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Pascal Schöning, Wirtschaftsjurist LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-56-4.
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Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Stand: Januar 2016
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