Bilanzierung – Teil 11 – Bewertung der immateriellen Vermögensgegenstände
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
4.4 Bewertung der immateriellen Vermögensgegenstände
Bei der Bewertung der immateriellen Vermögensgegenstände wird zwischen den entgeltlichen, den selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen und dem Firmen- und Geschäftswert unterschieden.
4.4.1 Entgeltlich erworben
Entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände sind beim Zugang gemäß § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten.
Im Rahmen der Folgebewertung gilt es die Wertminderungen zu erfassen und zwar zunächst in Form von planmäßigen Abschreibungen, die nach § 253 Abs. 3 HGB vorzunehmen sind. Planmäßige Abschreibungen sind nur bei solchen Vermögensgegenständen vorzunehmen, deren Nutzung zeitlich begrenzt ist. Das wird regelmäßig bei solchen immaterieller Art der Fall sein. Nur in Ausnahmefällen dürfte sich eine unbegrenzte Nutzungsdauer zeigen. Neben den planmäßigen Abschreibungen kommen außerplanmäßige Abschreibungen bei voraussichtlich dauernder Wertminderung in Betracht. Im Rahmen der Folgebewertung kann dann auch zu prüfen sein, ob eine Wertaufholung notwendig ist. Eine Wertaufholung, setzt voraus, dass zuvor eine außerplanmäßige Abschreibung erfolgte.
4.4.2 Selbst erstellt
Bei der Bilanzierung von selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen wird, wie bei den anderen Bilanzposten, zwischen der Erst- und Folgebewertung unterscheiden. Es gibt hingegen einen erheblichen Unterschied zwischen den Forschungs- und Entwicklungskosten, die sich bei den selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen ergeben.
4.4.2.1 Bewertung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände
Sofern das bilanzierende Unternehmen das Wahlrecht des § 248 Abs. 1 Satz 1 HGB dahingehend ausübt, dass es selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände aktiviert, sind diese bei Zugang mit ihren Herstellungskosten gemäß §§ 253 Abs. 1 Satz 1, 255 Abs. 2, Abs. 2a HGB zu bewerten. Trifft das Unternehmen die Entscheidung, diese nicht zu aktivieren, käme es zu einer ergebnismindernden Aufwandserfassung. Zu beachten ist, dass bei selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen lediglich die Entwicklungskosten zu aktivieren sind. Forschungskosten dürfen hingegen nicht aktiviert werden.
Im Rahmen der Folgebewertung sind dann, wie für jeden Vermögensgegenstand des Anlagevermögens, die Wertminderungen mit den planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen zu erfassen. Besonderheiten bei der Bewertung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände liegen im Bereich der Folgebewertung bei der praktischen Umsetzung d.h. etwa den Beginn der Abschreibung zu erfassen, die Nutzungsdauer sachgerecht zu schätzen oder einen beizulegen Wert plausibel zu bestimmen. Das liegt daran, dass es auf dem börsennotierenden Markt für viele selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände (noch) keine verlässlichen Daten bzw. Zahlen wie z.B. Nutzungsdauer oder Marktpreise gibt. Daher ist es für die betroffenen Unternehmen schwierig diese Vermögensgegenstände und ihre Werte plausibel darzustellen.
4.4.2.2 Ermittlung der Herstellungskosten
Nach § 255 Abs. 2a HGB sind als Herstellungskosten eines selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenstandes des Anlagevermögens nur die Aufwendungen einzubeziehen, die während der Entwicklung anfallen. Für Forschungskosten gilt ein Aktivierungsverbot.
Definition Forschung § 255 Abs. 2a Satz 3 HGB
Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können. Straffer formuliert: Forschung ist die Schaffung von neuem Wissen.
Definition Entwicklung § 255 Abs. 2a Satz 2 HGB
Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen. Straffer formuliert: Entwicklung ist die Anwendung von neuem Wissen.
Der Übergangszeitpunkt von Forschung und Entwicklung ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. Eine Objektivierung des Zeitpunkts lässt sich gegenwärtig nicht formulieren, sodass in der Praxis hier ein erheblicher Gestaltungsspielraum verbleibt. Die Aktivierung von Entwicklungskosten kann dazu führen, dass übermäßig hohe Gewinne ausgewiesen werden, damit entsteht ein zusätzliches Gewinnausschüttungspotenzial.
Beispiel 1
Unternehmer M hat im Geschäftsjahr 02 eine innovative Zuschneidemaschine entwickelt. Er hat sich seine Entwicklung patentieren lassen. Das Patent wurde noch im Dezember 02 erteilt. Im Geschäftsjahr 02 sind dazu Forschungsausgaben in Höhe von 800.000,- € sowie Entwicklungsausgaben in Höhe von 600.000,- € angefallen. M ist unsicher, wie der Sachverhalt bilanzrechtlich im Jahresabschluss 02 zu erfassen ist und zwar
a) in der Handelsbilanz und
b) in der Steuerbilanz. Er will einen möglichst hohen Gewinn ausweisen.
- a) In der Handelsbilanz sind die Forschungskosten von 800.000,- € nicht aktivierbar. Sie sind als Aufwand im Geschäftsjahr 02 zu erfassen. Für die Entwicklungskosten besteht hingegen ein Aktivierungswahlrecht. Entweder werden diese ebenfalls als Aufwand erfasst oder das Patent ist mit seinen Herstellungskosten zu aktivieren. Nach der Verkehrsauffassung ist das Patent einzeln verwertbar. Das Patent ist somit abstrakt bilanzierungsfähig. Da M einen hohen Gewinn haben möchte, ist zu empfehlen, dass Müller es mit seinen Herstellungskosten aktivieren sollte.
- b) In der Steuerbilanz dürfen weder die Forschungs- noch die Entwicklungskosten angesetzt werden, denn nach § 5 Abs. 2 EStG kommt eine Aktivierung nur für entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens in Betracht; nicht aber für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände. Eine Erfassung in der steuerrechtlichen Bilanz ist nicht möglich.
Beispiel 2
Unternehmer M will das, aus dem oben genannten Beispiel, patentierte Zuschneideverfahren optimal vermarkten. Dazu will er eine eigene Marke aufbauen, die er sich auch beim Marken- und Patentamt erteilen lässt. Insgesamt investiert M zum Aufbau seiner Marke 500.000,- € für diverse Werbemedien. Laut dem Gutachten eines Wirtschaftsprüfers beträgt der Wert der rechtlich geschützten Marke 1 Mio. €. Kann die Marke aktiviert werden?
- Nach § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB dürfen selbst geschaffene Marken nicht aktiviert werden. Das gilt auch dann, wenn für den Aufbau der Marke erhebliche Aufwendungen verbunden sind. Aufwendungen sind nicht eindeutig abgrenzbar. Sie können faktisch auf die zu aktivierende Marke entfallen oder zum originären Geschäfts- oder Firmenwert.
4.4.3 Geschäfts- oder Firmenwerte (GoF)
Im Zeitpunkt des Zugangs ist der derivative GoF mit dem Unterschiedsbetrag anzusetzen. Dieser Unterschiedsbetrag ist in § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB definiert: „Der Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt (entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert), gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand."
Der Unterschiedsbetrag ist der Kaufpreis des Unternehmens minus dem Zeitwert der übernommenen Vermögensgegenstände. Danach wird der Zeitwert der übernommenen Schulden hinzuaddiert. Das Ergebnis ist der gesuchte Unterschiedsbetrag.
Im Regelfall ist dieser Unterschiedsbetrag positiv d.h. man zahlt mehr an Kaufpreis als man als Vermögen und Schulden zu Zeitwerten erhält bzw. bei den Schulden übernimmt. Der Kaufpreis wird um das Reinvermögen zu Zeitwerten bereinigt. In der Differenz bezahlt der Unternehmer einen Teil des Kaufpreises für Werte, die nicht in der Bilanz enthalten sind, auch nicht in Form von stillen Reserven, die im Zuge des Kaufpreises vergütet werden. Bei diesen Werten handelt es sich um Werte die eben nicht in der Bilanz enthalten sein dürfen, weil sie nicht bilanziert werden können wie bspw. Kundenstamm, die Organisation, der Standort u.v.m. Die Problematik der Zugangsbewertung liegt hier nicht unmittelbar im Unterschiedsbetrag sondern darin die Zeitwerte zu ermitteln und zwar derjenigen Vermögensgegenstände und Schulden die man im Zuge des Unternehmenskaufes übernommen hat.
Der Gesetzgeber formuliert in § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB, das der derivative GoF als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand zu behandeln ist. Er wird also durch Fiktion zum Vermögensgegenstand. Die Konsequenz ist, dass er im Zuge der Folgebewertung grundsätzlich auch so behandelt wird. Er unterliegt der planmäßigen Abschreibungen nach § 253 Abs. 3 HGB. Die regelmäßige Nutzungsdauer nach § 285 Nr. 13 HGB beträgt 5 Jahre, solange kann auch planmäßig abgeschrieben werden. Abweichungen hiervon müssen gesondert im Anhang begründet werden.
Der derivative GoF ist bei voraussichtlich dauernder Wertminderung auch außerplanmäßig abzuschreiben. Das kann dann der Fall sein, wenn sich die Lage des gekauften Unternehmens dramatisch verschlechtert hat.
Eine weitere Besonderheit gilt bei der Wertaufholung. Während für Vermögensgegenstände generell ein Wertaufholungsgebot besteht, so gilt dies ausdrücklich nicht für die GoF. Nach § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB ist ein niedriger Wertansatz nach erfolgter außerplanmäßiger Abschreibung des GoF beizubehalten. Diese Sichtweise des Gesetzgebers ist logisch, da bei einer Wertaufholung davon auszugehen ist, dass nicht der alte Wert gestiegen ist sondern ein neuer geschaffen wurde.
Beispiel
Unternehmer M hat das Einzelunternehmen XYZ erworben, indem er alle Vermögensgegenstände und Schulden des Unternehmens übernommen hat. M bezahlt einen Kaufpreis in Höhe von 1,5 Mio. €. Dem Unternehmen gehört eine beim Marken- und Patentamt eingetragene Marke mit einem Wert von 150.000,- €, im Vorratsvermögen sind stille Reserven in Höhe von 50.000,- € enthalten. Zum Übernahmezeitpunkt legt das Einzelunternehmen XYZ die folgenden Daten aus der Handelsbilanz vor. Aktiva: 900.000,- € Maschinen und 100.000,- € Vorräte. Passiva: 700.000,- € Eigenkapital und 300.000,- € Schulden.
- Der Kaufvertrag ist hier ein asset deal, da hier die einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden übernommen werden. Ausgangsbasis für die Berechnung des GoF bildet der Kaufpreis i.H.v. 1,5 Mio. €. Davon sind die Zeitwerte der einzelnen übernommenen Gegenstände abzuziehen. Zudem übernimmt M die eingetragene Marke (Wert 150.000,-- €), die zwar in der Handelsbilanz des übernommenen Einzelunternehmens nicht erfasst ist, die aber im Zuge des Unternehmenskaufes erworben wird. Die übernommenen Schulden sind ebenfalls in die Berechnung zu addieren. Unternehmer M wendet ökonomisch also nicht nur den Kaufpreis auf, sondern auch die Schulden die er übernimmt und diese später natürlich auch zu tilgen hat. Dafür wendet er insgesamt 1,8 Mio. € auf. Als Unterschiedsbetrag ergibt sich ein GoF von 600.000,- € (Dieser berechnet sich aus dem Kaufpreis 1,5 Mio., den Schulden 300.000,- € abzüglich des Patentes von 150.000,- €, den Reserven von 50.000,- € sowie der Bilanz von 1 Mio.). Er ist von M in seiner eigenen Bilanz zu bilanzieren. Ebenso wie die übernommenen Vermögensgegenstände und Schulden. Der Geschäftswert ist im Zuge der Zugangsbewertung mit einem Wert dem Unterschiedsbetrag anzusetzen. Im Rahmen der Folgebewertung ist der GoF planmäßig abzuschreiben. Es gilt die Regelvermutung, dass die betriebliche Nutzungsdauer 5 Jahre beträgt. Abzuschreiben sind ferner die übernommenen Vermögensgegenstände, also die Maschine und die zu bilanzierende Marke, diese ist nun aktivierungspflichtig, da sie entgeltlich erworben wurde.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Bilanzierung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6.
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Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016