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Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden – Teil 12 – Schriftliches Verfahren gemäß § 48 Abs. 2 GmbHG

6.3.2 Weitere Erfordernisse

Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit ist ausschließlich, dass ordnungsgemäß zur Gesellschafterversammlung geladen wurde; ein bestimmtes Quorum anwesender Inhaber von Stimmrechten ist grundsätzlich nicht erforderlich, kann jedoch von der Satzung vorausgesetzt werden.[1] In solchen Fällen sollte eine Regelung aufgenommen werden, die eine Vertagung bei Unterschreitung des Quorums ermöglicht, in der sodann kein oder nur noch ein geringeres Quorum einzuhalten ist.[2]

Beispiel

Der Gesellschaftsvertrag der X GmbH legt fest, dass mindestens 50 % der Stimmen vertreten sein müssen, damit die Gesellschafterversammlung beschlussfähig ist. Zur Gesellschafterversammlung am 3. Mai 2016 erscheinen lediglich 40 % der Stimmen.

  • In solchen Fällen ist laut Gesellschaftsvertrag eine Versammlung zu vertagen, wobei beim nächsten Termin kein Quorum mehr einzuhalten ist, sofern die Gesellschafter in der Einladung hierauf ausdrücklich hingewiesen wurden.

Neben der notwendigen Mehrheit bedarf ein Beschluss grundsätzlich keiner weiteren Voraussetzungen, sofern die Satzung diese nicht ausdrücklich vorsieht.[3] So kann zum Beispiel in der Satzung geregelt werden, dass eine Beschlussfassung aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz vom Versammlungsleiter förmlich festzustellen ist oder ein Beschluss nur mit Zustimmung aller oder bestimmter Gesellschafter(gruppen) zustande kommt.[4]

Beispiel

Der Gesellschaftsvertrag der X GmbH sieht vor, dass Beschlüsse förmlich vom Versammlungsleiter festzustellen und schriftlich zu protokollieren sind. Im Rahmen einer Gesellschafterversammlung wird ein Antrag beschlossen, jedoch wird dieser nicht festgestellt oder protokolliert.

  • Der Beschluss ist nichtig und wäre von den Gesellschaftern erneut und unter Einhaltung der Formerfordernisse zu fassen.

Eingeräumte Sonderrechte einzelner Gesellschafter oder Gesellschaftergruppen können nach § 35 BGB allerdings nur mit deren Zustimmung entzogen oder geändert werden.[5]

6.4 Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen

Gesellschafterversammlungen bringen einen nicht unerheblichen Aufwand mit sich:

  • sie benötigen ausreichend Vorlauf- und Vorbereitungszeit
  • sind zeitaufwändig
  • binden Finanzmittel und
  • setzen eine tatsächliche räumliche Zusammenkunft der Gesellschafter voraus.

Aus diesem Grunde kann eine Beschlussfassung in anderen Verfahrensformen im Einzelfall zweckmäßiger sein, so zum Beispiel bei Beschlüssen über unstreitige oder eilbedürftige Themen.[6]

6.4.1 Schriftliches Verfahren gemäß § 48 Abs. 2 GmbHG

Der Gesetzgeber hat in § 48 Abs. 2 GmbHG ein schriftliches Verfahren (Umlaufverfahren) vorgesehen.

6.4.1.1 Anwendungsbereich

Gewisse Entscheidungen dürfen nur im Rahmen einer Gesellschafterversammlung getroffen werden, so zum Beispiel Formwechsel nach § 193 Abs. 1 S. 2 UmwG.[7] Im Übrigen können die Gesellschafter Beschlüsse im schriftlichen Verfahren treffen.

6.4.1.2 Berechtigung zur Einleitung des Verfahrens

Vorbehaltlich anderslautender Satzungsregelungen ist der Geschäftsführer ebenso wie jeder Gesellschafter dazu befugt, Anträge im schriftlichen Verfahren zu stellen.[8]

6.4.1.3 Allseitiges Einverständnis mit der zu treffenden Bestimmung (§ 48 Abs. 2 Alt. 1 GmbHG)

Eine Abstimmung in Textform ist zulässig, sofern die Gesellschafter mit der zu treffenden Bestimmung einverstanden sind, § 48 Abs. 2 Alt. 1 GmbHG. Textform i.S.v. § 126b BGB meint eine Urkunde oder andere zur dauerhaften Wiedergabe von Schriftzeichen geeignete Form, wie sie zum Beispiel E-Mail oder Fax.[9] Voraussetzung ist, dass alle Gesellschafter, unabhängig von möglichen Stimmverboten, dem Beschlussantrag zustimmen.[10] Damit soll der Gefahr, dass Mitwirkungsrechte im erleichterten Verfahren eher verletzt werden könnten, begegnet werden.

Beispiel

Ein Gesellschafter der X GmbH stellt per E-Mail an alle Mitgesellschafter den Antrag, das Geschäftsfeld um einen gewinnbringenden Sektor zu erweitern. Seine Mitgesellschafter sind begeistert und stimmen allesamt binnen weniger Tage zu.

  • Der Beschluss ist wirksam zustande gekommen (§ 48 Abs. 2 Alt. 1 GmbHG).

6.4.1.4 Allseitiges Einverständnis mit schriftlicher Abstimmung (§ 48 Abs. 2 Alt. 2 GmbHG)

Ebenso zulässig ist eine Abstimmung außerhalb einer Gesellschafterversammlung, sofern sich sämtliche Gesellschafter zuvor mit diesem Abstimmungsmodus in Textform einverstanden erklärt haben, § 48 Abs. 2 Alt. 2 GmbHG. Die Abstimmung selbst muss jedoch in Schriftform vorgenommen werden, was nach § 126 BGB die Fassung auf Papier mit einer Unterschrift voraussetzt. Die Beschlussfassung folgt wiederum den allgemeinen Mehrheitserfordernissen.[11]

Beispiel

Ein Gesellschafter der X GmbH stellt per E-Mail an alle Mitgesellschafter den Antrag, über neue Geschäftsfelder im schriftlichen Umlaufverfahren abzustimmen. Die übrigen Gesellschafter sind damit einverstanden.

  • Die Abstimmung selbst muss sodann in schriftlicher Form erfolgen.

Sofern allerdings nur ein einziger Gesellschafter die persönliche Beratung des Antragsgegenstandes in einer Gesellschafterversammlung verlangt, ist diese unverzüglich einzuberufen.[12]

Beispiel

Gesellschafter W ist der Auffassung, dass über eine derart wichtige Frage doch nicht im Umlaufverfahren beschlossen werden könne und verlangt die Einberufung einer Gesellschafterversammlung, um auf dieser über die Geschäftspolitik beraten zu können.

  • In diesem Fall ist die Gesellschafterversammlung unverzüglich einzuberufen; die schriftliche Abstimmung ist unzulässig.

Das Einverständnis zu diesem Beschlussmodus kann nur für den Einzelfall, nicht jedoch generell erklärt werden.[13] Das bedeutet, dass die Zustimmung der Gesellschafter für die schriftliche Abstimmung für jeden Beschlussgegenstand neu zu erklären ist.

Beispiel

Gesellschafter A möchte zwei Anträge im Umlaufverfahren zur Abstimmung stellen. Gesellschafter W ist jedoch in einem Fall nicht damit einverstanden.

  • In diesem Fall ist das schriftliche Verfahren nur für den Antrag statthaft, bei dem alle Gesellschafter mit dem Verfahren bzw. dem Beschlussvorschlag einverstanden sind.

6.4.1.5 Sachbehandlungsverlangen einer Minderheit

Sofern eine Gesellschafterminderheit von ihren Minderheitenrechten nach § 50 GmbHG Gebrauch macht[14] und auf diese Weise Beschlussgegenstände beraten wissen will, ist eine Beschlussfassung in Text- oder Schriftform grundsätzlich unzulässig.[15]

Beispiel

Gesellschafter A hat mit seinem Stammkapital von 15 % das Recht, einzelne Beschlussgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen (§ 50 GmbHG) und besteht darauf, dass diese im Rahmen einer Gesellschafterversammlung behandelt werden.

  • Zum Schutz der Minderheitenrechte darf die Mehrheit der Gesellschafter diesen Antrag nicht im Umlaufverfahren behandeln.

Wenn allerdings keine weitere Beratung erforderlich ist und alle Gesellschafter damit einverstanden sind, ist ein Abstimmungsverfahren in Text- oder Schriftform nach § 48 Abs. 2 GmbHG zulässig.[16]

Beispiel

Beispiel wie zuvor, nur ist A in diesem Fall damit einverstanden, seinen Antrag im Umlaufverfahren zur Abstimmung zu stellen.

  • Die Abstimmung im Umlaufverfahren ist zulässig.

6.4.1.6 Zustandekommen des Beschlusses

Bei der schriftlichen Abstimmung gelten die üblichen Mehrheitserfordernisse.[17] Sofern die Geschäftsführer absehen, dass die Gesellschafter einem Beschlussvorschlag widersprechen, sind sie verpflichtet, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen.[18]

Beispiel

Während der Abstimmung im Umlaufverfahren wird deutlich, dass nicht alle Gesellschafter dem Beschlussvorschlag zustimmen werden.

  • Die Geschäftsführung ist sodann verpflichtet, die Abstimmung abzubrechen und eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, in der erneut über den Antrag beraten wird.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2.


 

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Stand: Januar 2016


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Herausgeber / Autor(-en):

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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

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  • Liquidation von Gesellschaften
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  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
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  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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