Bilanzierung – Teil 17 – Einzelbewertung und Ausnahmen, Festbewertung, Gruppenbewertung, Verbrauchsfolgebewertung, Zusammenstellung der Ergebnisse
Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
6.3.2.1 Einzelbewertung und Ausnahmen
Ein zentraler Grundsatz des deutschen Bilanzrechts ist die Einzelbewertung von Vermögensgegenständen. Nach § 252 Abs. 1 Satz 3 HGB sind die Vermögensgegenstände und Schulden zum Abschlussstichtag einzeln zu bewerten.
Beim Vorratsvermögen ist es allerdings erforderlich, von diesem Grundsatz abzuweichen, da eine Einzelbewertung faktisch nicht vorgenommen werden kann. Bei einer Heizöllieferung verteilt auf das Jahr wäre es wirtschaftlich unsinnig jeden Liter Öl einzeln zu bewerten. Deshalb lässt der Gesetzgeber Bewertungsvereinfachungen in Form der
- Festbewertung gemäß § 240 Abs. 3 HGB,
- Gruppenbewertung gemäß § 240 Abs. 4 HGB und
- Verbrauchsfolgebewertung gemäß § 256 HGB
zu.
6.3.2.2 Festbewertung § 240 Abs. 3 HGB
Die Ermittlung von Gütermengen muss grundsätzlich durch genaues Zählen, Messen oder Wiegen erfolgen. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ebenso wie Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens, deren Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist und deren Bestand in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Schwankungen unterliegt, weil sich erfahrungsgemäß Verbrauch und Neuzugänge bei weitgehend unveränderten Preisen in etwa entsprechen, dürfen nach § 240 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 256 Satz 2 HGB mit einem Festwert angesetzt werden. Dieser Festwert ist in der Regel nur alle drei Jahre durch eine körperliche Bestandsaufnahme zu überprüfen. Im Übrigen bleibt der Wertansatz unverändert, während die Zugänge als Materialaufwand verbucht werden.
Beispiel
Handtücher und Bettwäsche eines Hotels gehören zum Sachanlagevermögen. Wenn die Wäsche regelmäßig ersetzt wird, der Gesamtwert der Wäsche für das Unternehmen nachrangig ist (im Steuerrecht gilt, dass der Gesamtwert 10 % der Bilanzsumme nicht übersteigen darf) und der Bestand der Wäsche in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt, kann ein Festwert gebildet werden.
- Die Vereinfachung besteht dann darin, dass ein gleichbleibender Wert angesetzt werden kann, ohne dass jährlich eine körperliche Bestandsaufnahme erfolgen muss. Wird z.B. neue Wäsche gekauft so ist die Ersatzbeschaffung unmittelbar als Aufwand zu erfassen und braucht nicht aktiviert zu werden. Alle 3 Jahre ist jedoch eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Stellt sich dabei heraus, dass der neue Festwert vom alten um mehr als 10 % abweicht so ist der Festwert anzupassen.
6.3.2.3 Gruppenbewertung § 240 Abs. 4 HGB
Bei gleichartigen Vermögensgegenständen des Vorratsvermögens und anderen gleichartigen oder annähernd gleichwertigen beweglichen Vermögensgegenständen darf nach § 240 Abs. 4 in Verbindung mit § 256 Satz 2 HGB die Gruppenbewertung durchgeführt werden. Entsprechendes gilt für gleichartige Wirtschaftsgüter. Die Gleichwertigkeit von Vermögensgegenständen, auf die im HGB ausdrücklich hingewiesen wird, genügt nach herrschender Auffassung zumindest dann nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, wenn völlig unterschiedliche Vermögensgegenstände nur deshalb zu einer Gruppe zusammengefasst werden, weil sie zufällig annähernd gleiche Anschaffungskosten haben. Vielmehr müssen bei gleichwertigen beweglichen Vermögensgegenständen noch andere gemeinsame Merkmale für eine Gruppenbewertung sprechen (z.B. gleicher Verwendungszweck).
Beispiel
Unternehmer M kauft für die Produktion seiner Waren in großen Mengen Knöpfe ein. Diese werden in 1 kg-Tüten verpackt geliefert. Die Knöpfe unterscheiden sich hinsichtlich der Farbe und Größe. Sie werden gemeinsam und lose in einem Regal gelagert.
- Zur Anwendung der Gruppenbewertung ist Voraussetzung, dass es sich um gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens handelt. Vorratsvermögen liegt hier vor, denn für M bilden die Knöpfe Hilfsstoffe die mit einer untergeordneten Bedeutung in die herzustellenden Waren eingehen. Die Knöpfe sind gleichartig, da sie der gleichen Warengattung - Knöpfe - angehören. Unterstellt, dass keine wesentlichen Qualitätsunterschiede bestehen, sind die Voraussetzungen für die Anwendung der Gruppenbewertung erfüllt.
6.3.2.4 Verbrauchsfolgebewertung (Sammelbewertung) § 256 HGB
Die Bewertung von Vorräten mit Hilfe der Sammelbewertung setzt gleichartige Vermögensgegenstände voraus. Die nach Handelsrecht grundsätzlich zulässigen Sammelbewertungsmethoden in Form des Fifo- und Lifo-Verfahrens nach § 256 Abs. 1 HGB dürfen immer angewandt werden. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn sie im außergewöhnlichen Widerspruch stehen oder absolut undenkbar sind.
6.3.2.4.1 Fifo-Verfahren (first in – first out)
Beim Fifo-Verfahren wird unterstellt, dass die jeweils ältesten Bestände an Vorratsgegenständen zuerst verbraucht oder veräußert werden. Am Jahresende befinden sich entsprechend dieser Fiktion nur noch die Bestände der zuletzt eingetroffenen Lieferungen auf Lager, die mit ihren Einstandspreisen bewertet werden. Wird die unterstellte Verbrauchsfolge eingehalten, so entspricht das Fifo-Verfahren dem Prinzip der Einzelbewertung zu Anschaffungskosten.
Beispiel
Der Unternehmer M hat bei seinen Vorräten einen Anfangsbestand von 10 Mengen/Kg zu einem Preis von 10 €/Kg. Im Laufe des Jahres sind Zugänge von 70 Mengeneinheiten hinzugekommen und 30 Mengeneinheiten abgegangen. Der Endbestand zum 31.12. weist ein Vorratsendbestand von 50 Mengen/Kg zu einem Gesamtwert von 590 €. Das folgende Abbild stellt dies exemplarisch dar.
Datum | Menge | Preis | Gesamtwert |
1.1 Anfangsbestand | 10 | 10 € | 100 € |
3.4. Zugang | 30 | 11 € | 330 € |
6.5. Abgang | 20 | ||
8.9. Zugang | 40 | 12 € | 480 € |
11.12. Abgang | 10 | ||
31.12. Endbestand | 50 | 590 € |
- Beim Fifo-Verfahren wird unterstellt, dass die jeweils ältesten Bestände an Vorratsgegenständen zuerst verbraucht oder veräußert werden. Da die zuerst angeschafften Vorräte verbraucht werden, sind die letzten noch da, sodass die letzten 40 kg zu 12,- € zu bewerten sind und die restlichen 10 kg, die noch bis zum Endbestand fehlen zu 11,- € bewertet werden, so dass 50 kg zu insgesamt 590,- € zu bilanzieren sind.
6.3.2.4.2 Lifo-Verfahren (last in – first out)
Im Gegensatz zur Fifo-Methode geht das Lifo-Verfahren davon aus, dass die zuletzt beschafften Waren als erstes das Unternehmen wieder verlassen. Der Bestand am Jahresende wird deshalb mit den Preisen der zuerst beschafften Mengen bewertet.
Beispiel
Der Unternehmer M hat bei seinen Vorräten einen Anfangsbestand von 10 Mengen/Kg zu einem Preis von 10 €/Kg. Im Laufe des Jahres sind Zugänge von 70 Mengeneinheiten hinzugekommen und 30 Mengeneinheiten abgegangen. Der Endbestand zum 31.12. weist ein Vorratsendbestand von 50 Mengen/Kg zu einem Gesamtwert von 550 €. Das folgende Abbild stellt dies exemplarisch dar.
Datum | Menge | Preis | Gesamtwert |
1.1. Anfangsbestand | 10 | 10 € | 100 € |
3.4. Zugang | 30 | 11€ | 330 € |
6.5. Abgang | 20 | ||
8.9. Zugang | 40 | 12 € | 480 € |
11.12. Abgang | 10 | ||
31.12. Endbestand | 50 | 550 € |
- Das Lifo-Verfahren geht davon aus, dass die zuletzt beschafften Waren als erstes das Unternehmen wieder verlassen. Somit wird der Zugang zum 8.9. zuerst verbraucht. Die Bewertung des Endbestandes erfolgt dann mit den Preisen aus dem Anfangsbestand also zu 10,- €. Dann werden die nächsten Zugänge vom 3.4. (30 kg) zu 11,- €. Es verbleiben dann noch 10 kg damit der Endbestand erreicht ist. Diese werden dann mit 12,- € bewertet (da hier der letzte Zugang am 8.9. ausschlaggebend ist). Im Ergebnis beträgt ein Endbestand von 50 kg 550,- €.
6.3.2.5 Zusammenstellung der Ergebnisse
Verfahren | Bestand | Verbrauch |
Gruppenbewertung – periodischer Durchschnitt | 568,75 € | 341,25 € |
Lifo-Verfahren | 550,-- € | 360 € |
Fifo-Verfahren | 590,-- € | 320 € |
Bei den hier aufgezeigten Werten handelt es sich um die fortgeführten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Es geht hier noch nicht um die endgültigen Bilanzansätze. Dazu ist erst noch im Rahmen der Folgebewertung der Niederstwert-Test durchzuführen.
Durch die Anwendung des Lifo-Verfahrens ist der Verbrauch und damit der Aufwand am höchsten. Dieser hohe Aufwand führt entsprechend zu einem niedrigeren Gewinn. Das Perioden-Lifo ist das praktisch relevanteste, da hier einerseits der Bestand klein ist und der Verbrauch hoch ist.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Bilanzierung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6.
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Carola Ritterbach
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Monika Dibbelt
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Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stand: Januar 2016