Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 02 – Das Zustandekommen von Betriebsvereinbarungen und die Folgen ihrer Unwirksamkeit
2. Das Zustandekommen von Betriebsvereinbarungen und die Folgen ihrer Unwirksamkeit
Eine Betriebsvereinbarung kommt durch eine wirksame Einigung zwischen den Betriebspartnern zustande. Hierbei sind verschiedene Aspekte zu beachten.
2.1. Abschluss
Bei Betriebsvereinbarungen handelt es sich um Verträge im privatrechtlichen Sinne. Die Voraussetzungen für ihren Abschluss unterliegen daher den einschlägigen Regelungen des BGB. Notwendig sind somit zwei übereinstimmende, aufeinander gerichtete, also korrespondierende, Willenserklärungen der Vertragsparteien. Hierbei handelt es sich um das Vertragsangebot auf der einen und die Vertragsannahme auf der anderen Seite (§§ 145, 147 BGB). Einer solchen Einigung zwischen den Vertragspartnern bedarf es ausnahmsweise dann nicht, wenn die Betriebsvereinbarung auf Grundlage eines Spruchs der Einigungsstelle (--> 4.1.2.) zustande kommt.
2.1.1. Parteien, Betriebsratsbeschluss und Stellvertretung
Als Vertragsparteien einer Betriebsvereinbarung stehen sich im Regelfall der Arbeitgeber als Inhaber des Betriebs und der Betriebsrat gegenüber. Vertritt der Betriebsrat die Belegschaft eines Gemeinschaftsbetriebes (§ 1 Abs. 2 BetrVG), so können seine Vertragspartner auch mehrere Arbeitgeber gleichzeitig sein. Je nach vorhandenen Betriebsstrukturen und dem Zuständigkeitsbereich können folgende Arbeitnehmervertretungen ebenfalls Partei einer Betriebsvereinbarung sein:
- Gesamt- oder Konzernbetriebsrat, §§ 47, 54 BetrVG (--> 10.1.)
- Arbeitsgruppe, § 28a BetrVG (--> 10.2.)
- Arbeitnehmervertretung im Sinne des § 3 Abs. 1 BetrVG (z.B. ein Spartenbetriebsrat)
Demgegenüber stehen Interessenvertretungen, denen es nicht möglich ist, Vertragspartner einer Betriebsvereinbarung zu sein. Hierbei handelt es sich vor allem um
- Jugend- und Auszubildendenvertretungen, § 60 BetrVG,
- Schwerbehindertenvertretungen, § 94 SGB IX,
- einzelne Ausschüsse (z.B. der Wirtschaftsausschuss, § 106 BetrVG).
Eine in der Sphäre des Betriebsrats liegende wesentliche Voraussetzung für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen ist, dass dieser im Vorfeld einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Liegt ein solcher nicht vor, kommt die Betriebsvereinbarung nicht wirksam zustande. Dasselbe gilt auch, wenn sich das verhandelnde Betriebsratsmitglied beim Abschluss der Betriebsvereinbarung über einen vorhandenen Betriebsratsbeschluss hinwegsetzt. In diesen Fällen kann jedoch der Betriebsrat die Vereinbarung durch einen nachträglichen Beschluss rückwirkend genehmigen (§ 184 Abs. 1 BGB).[1]
Schließt der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung nicht persönlich ab, so muss darauf geachtet werden, dass dessen Stellvertreter eine entsprechende Abschlussbefugnis hat. Eine solche besteht beim Geschäftsführer einer GmbH, beim Vorstand einer AG und beim Gesellschafter einer Personengesellschaft schon kraft Gesetzes, sofern nichts Anderes vereinbart ist. Andere Personen benötigen eine vom Arbeitgeber erteilte Vollmacht (z.B. Prokura oder Handlungsvollmacht, §§ 48, 54 HGB). Überschreitet der Stellvertreter seine Abschlussbefugnis oder handelt er gar gänzlich ohne eine solche, kann auch hierbei die zunächst unwirksame Betriebsvereinbarung nachträglich durch die hierzu berechtigte Person genehmigt werden.
2.1.2. In-Kraft-Treten
Eine Betriebsvereinbarung tritt im Normalfall an dem Tag in Kraft, an welchem sie abgeschlossen wurde. Den Vertragspartnern steht es jedoch grundsätzlich frei, einen anderen Zeitpunkt für das In-Kraft-Treten zu wählen. Eine solche Regelung wird regelmäßig in der Betriebsvereinbarung selbst getroffen.
Auf der einen Seite ist somit eine Vordatierung möglich. Dies schließt auch den Fall mit ein, in welchem die künftige Wirksamkeit der Vereinbarung von einer bestimmten Bedingung abhängig gemacht wird. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass alle Beteiligten vom Eintritt der Bedingung problemlos Notiz nehmen können. Dies gilt insbesondere für die Arbeitnehmer, welche von der Regelung betroffen sind.[2]
Auf der anderen Seite ist auch eine Rückdatierung prinzipiell möglich. Hat eine rückwirkende Betriebsvereinbarung jedoch negative Konsequenzen für den Arbeitnehmer, so sind die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes (--> 5.4) zu berücksichtigen.
[1] BAG 10.10.2007 NZA 2008, 369.
[2] BAG 15.01.2002 NJOZ 2003, 1391.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.
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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2017