Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 05 – Gründung einer SE
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
4 Gründung einer SE
Es gibt unterschiedliche Gründungsformen einer SE. Um eine dieser Möglichkeiten in Anspruch nehmen zu können, muss das Unternehmen die sog. Gründungsfähigkeit besitzen. Gem. Art. 2 SE-VO besteht die Möglichkeit eine SE zu gründen für folgende Unternehmen:
- Aktiengesellschaften
- Gesellschaften mit beschränkter Haftung
- Gesellschaften gem. Art. 48 II EGV (Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts)
- juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts. Sie müssen im Mitgliedsstaat gegründet und ihren Sitz in der Gemeinschaft habe - unabhängig von einem Erwerbszweck.
Der Satzungssitz und die Hauptverwaltung müssen in einem EU/EWR-Staat liegen. Ferner muss das Gründungskapital einer SE mindestens 120.000 Euro betragen. Aktiengesellschaften können Beteiligte aller Gründungsformen sein. Alle anderen gründungsfähigen Unternehmen haben eingeschränktere Beteiligungsmöglichkeiten und können entweder nur Beteiligte bei bestimmten Gründungsformen sein oder müssen weitere Erfordernisse als eine Aktiengesellschaft erfüllen.
Es gibt fünf verschiedene Gründungsformen. Davon sind vier sog. primäre Gründungsformen, d.h. unter den gründenden Gesellschaften befindet sich noch keine Gesellschaft in der Rechtsform der SE. Ebenso besteht die Möglichkeit für eine bereits bestehende SE eine SE-Tochtergesellschaft zu gründen, die sog. sekundäre Gründungsform.
Es gibt folgende Gründungsformen:
- Verschmelzung
- Gründung einer Holding SE
- Grenzüberschreitende Gründung einer Tochter SE
- Umwandlung
- Ausgründung einer Tochter SE
4.1 Verschmelzung
Eine Gründungsform ist die sog. grenzüberschreitende Verschmelzung. Das Verfahren ist in Art. 17 - 31 SE-VO geregelt. Ergänzende Regelungen enthalten die §§ 5-8 SEAG. Im SEAG, dem Ausführungsgesetz der EG-Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft, sind im Wesentlichen Regelungen bzgl. der Gründungsarten einer SE und der unterschiedlichen Leitungssysteme geregelt. Beteiligte einer Verschmelzungsgründung sind mindestens zwei nach dem Recht eines Mitgliedsstaats gegründete Aktiengesellschaften. Diese müssen jeweils aus verschiedenen Mitgliedsstaaten stammen.
Beispiel
Der Papierhersteller T-AG mit Firmensitz in Stuttgart möchte sich mit der S SA, einem großen Verpackungsspezialisten mit Sitz in Dijon in Frankreich verschmelzen.
- Da sowohl die T-AG als auch die S SA ihren Sitz jeweils in einem EU-Mitgliedsstaat haben, ist eine Verschmelzung der Gesellschaften zu einer SE möglich.
Es gibt zwei Formen einer Verschmelzungsgründung:
- Verschmelzung durch Aufnahme
- Verschmelzung durch Neugründung
4.1.1 Verschmelzung durch Aufnahme
Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme wird das Vermögen einer Aktiengesellschaft auf eine andere Aktiengesellschaft übertragen. Die Aktiengesellschaften müssen ihren Sitz in zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten haben. Die aufnehmende Aktiengesellschaft wechselt ihre Rechtsform und wird zu einer SE, die übertragende Aktiengesellschaft erlischt. Die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft werden Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft. Zulässig ist eine sog. Konzernverschmelzung, bei der eine Tochtergesellschaft in Rechtsform einer Aktiengesellschaft auf die Mutter-AG verschmolzen wird und diese sodann als SE auf dem Rechtsmarkt agiert.(Fußnote)
Beispiel
Der Seifenproduzent Y-AG mit Sitz in Hamburg möchte sich mit einer seiner Tochtergesellschaften zu einer SE verschmelzen. Die Rechtsabteilung wird mit der Prüfung der Angelegenheit beauftragt, insbesondere, ob eine Verschmelzung mit der Tochtergesellschaft S-AG, mit Sitz in Lyon, die für die Entwicklung der Lavendel-Duftstoffe zuständig ist, möglich ist, oder aber mit der inländischen Tochtergesellschaft T-AG, die sich auf die Herstellung von Duftstoffen aus heimischen Nadelgehölzen spezialisiert hat.
- Eine Verschmelzung zu einer SE durch Aufnahme ist nur dann möglich, wenn gem. Art. 2 I S-VO die verschmelzungswilligen Aktiengesellschaften aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten stammen. Diese Voraussetzung trifft lediglich auf die S-AG zu, die ihren Sitz in Lyon in Frankreich hat. Mit der T-AG, die ihren Sitz wie die Y-AG in Deutschland hat, ist eine Verschmelzung zu einer SE nicht möglich. Eine Verschmelzungsgründung ist somit nur bei der S-AG möglich. Im Zuge der Konzernverschmelzung wird das Vermögen der S-AG auf das Vermögen der deutschen Y-AG übertragen. Es entsteht eine SE. Die Aktionäre der ursprünglichen S-AG werden Aktionäre der Y-SE. Die S erlischt.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.
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Stand: Januar 2017
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Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.
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Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:
- "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
- "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
- "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
- "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0
Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:
- Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
- Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
- Die Unternehmergesellschaft (UG)
Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
- Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
- Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
- Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
- Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
- Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
- Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
- Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
- Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters
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