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Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 08 – Regelungen zur erzwingbaren Mitbestimmung

4.1.2. Regelungen zur erzwingbaren Mitbestimmung

Der Inhalt einer Betriebsvereinbarung bewegt sich vor allem dann im Rahmen der sachlichen Regelungskompetenzen, wenn er eine Angelegenheit betrifft, die der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Insbesondere hier sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass die Betriebspartner befugt sind, eine bestimmte Regelung aufzustellen. Die Mitbestimmung ist erzwingbar, wenn es dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber möglich ist, die Einigungsstelle anzurufen, sofern es zu keiner Einigung über den Inhalt der Betriebsvereinbarung kommt. Die Einigungsstelle dient gem. § 76 Abs. 1 S. 1 BetrVG der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebspartnern. Demnach kann sie deren Einigung durch einen sogenannten Spruch ersetzen.

Der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen insbesondere folgende Angelegenheiten:

  • Zeit und Ort von Sprechstunden mit dem Betriebsrat, § 39 Abs. 1 BetrVG,
  • Soziale Angelegenheiten, § 87 Abs. 1, 2 BetrVG,
  • Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, § 91 BetrVG,
  • Aufstellung von Auswahlrichtlinien, § 95 Abs. 2 BetrVG,
  • Vereinbarung von Sozialplänen, § 112 Abs. 1, 4 BetrVG (--> 10.3).

In Angelegenheiten, welche der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen, haben die Betriebspartner grundsätzlich ein sogenanntes Initiativrecht. Dies bedeutet, dass sie vom jeweils anderen die Aufstellung einer Regelung in Gestalt einer Betriebsvereinbarung verlangen können.

Beispiel
Um die Kapazitäten seines Betriebs besser zu nutzen, möchte der Arbeitgeber, dass seine Beschäftigten künftig in einem Schichtsystem arbeiten. Hierzu soll eine allgemeingültige betriebliche Regelung aufgestellt werden. Der Betriebsrat wirkt an der Gestaltung dieser Regelung mit und es wird eine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen.

  • Die Einführung von Schichtarbeit betrifft den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit. Der Betriebsrat hat bei dieser sozialen Angelegenheit ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Hieraus folgt, dass die Betriebspartner beim Abschluss der Betriebsvereinbarung zur Schichtarbeit im Rahmen ihrer sachlichen Regelungskompetenzen gehandelt haben.

Beispiel
Arbeitgeber X entscheidet sich, seinen Betrieb zu schließen. Da die Auftragslage bereits seit längerem schlecht ist, wechselten schon viele Arbeitnehmer in der vergangenen Zeit zum Arbeitgeber Y. Bezüglich der Betriebsschließung vereinbart Arbeitgeber X mit seinem Betriebsrat einen Sozialplan. Dieser sieht unter anderem die Verpflichtung des Arbeitgebers Y vor, auch die restlichen Arbeitnehmer nach erfolgter Betriebsschließung einzustellen.

  • Es handelt es sich um eine Betriebsstilllegung nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG. In diesem Fall wird dem Betriebsrat das erzwingbare Recht eingeräumt, mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung in Gestalt eines sogenannten Sozialplans zu vereinbaren, durch den die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer ausgeglichen oder abgemildert werden sollen (§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). In diesem Sozialplan soll den Arbeitnehmern jedoch einen Anspruch gewährt werden, vom Arbeitgeber Y eingestellt zu werden. Damit wurde die sachliche Regelungskompetenz überschritten. Eine Betriebsvereinbarung darf nämlich keine Regelung enthalten, welche einen außenstehenden Dritten gegenüber den Arbeitnehmern verpflichtet.(Fußnote) Die Regelung geht somit über die Funktion der Betriebsverfassung hinaus.

Beispiel
Zur Förderung des Austausches zwischen den Arbeitnehmern und dem Betriebsrat, möchte dieser während der Arbeitszeit Sprechstunden einrichten. Um den Ort und die Zeit der Sprechstunden zu regeln, schließt der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung ab.

  • Bei der Einrichtung von Sprechstunden des Betriebsrats mit den Arbeitnehmern handelt es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit. Werden die Sprechstunden während der Arbeitszeit abgehalten, muss er sogar mit dem Arbeitgeber im Wege seines erzwingbaren Mitbestimmungsrechts aus § 39 Abs. 1 S. 2 BetrVG eine Betriebsvereinbarung hinsichtlich des Orts und der Zeit der Sprechstunden vereinbaren.

Beispiel
Für einen Betrieb mit 600 Arbeitnehmern einigen sich die Betriebspartner auf eine Betriebsvereinbarung, durch die Richtlinien zur Einstellung neuer Arbeitnehmer aufgestellt werden. Um den Abschluss voranzutreiben, sicherte der Betriebsrat dem Arbeitgeber in der Vereinbarung zu, in Zukunft von der Aufstellung von Richtlinien zur Versetzung der Arbeitnehmer abzusehen.

  • Die Aufstellung von Einstellungs- oder Versetzungsrichtlinien (Auswahlrichtlinien, § 95 Abs. 1 S. 1 BetrVG) ist eine personelle Angelegenheit, bei welcher der Betriebsrat gem. § 95 Abs. 2 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat. Insofern haben die Betriebspartner die sachliche Regelungskompetenz, derartige Richtlinien durch eine Betriebsvereinbarung aufzustellen. Die Betriebsvereinbarung enthält aber eine Abrede darüber, dass der Betriebsrat künftig von seinem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Aufstellung von Versetzungsrichtlinien absieht. Hierfür hat er keine Regelungsbefugnis, da er auf die ihm gesetzlich eingeräumten Mitbestimmungsrechte nicht verzichten darf.(Fußnote) Die Abrede steht demnach nicht im Einklang mit der Funktion der Betriebsverfassung.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

Portrait Tilo-Schindele  Rechtsanwalt Tilo Schindele

Normen: § 76 Abs. 1 S. 1 BetrVG

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