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Arbeitnehmerüberlassung – Teil 13 – Gemeinsame Förderung der unternehmerischen Ziele, Verwendung von Mitteln des Entleihers, Gelebte Gewährleistung

4.1.1.5.1 Gemeinsame Förderung der unternehmerischen Ziele

Arbeiten die Stammmitarbeiter und das Fremdpersonal im gleichen Tätigkeitsfeld eng zusammen und fördern dabei gemeinsam die unternehmerischen Ziele des Entleihers, gilt dies als Indiz für die Eingliederung des Leiharbeiters in den Betrieb des Entleihers.

Erfolgt die Werkherstellung im Betrieb des Werkbestellers müssen die Erfüllungsgehilfen räumlich und organisatorisch vom Arbeitsbereich der Mitarbeiter des Werkbestellers getrennt werden. Sie dürfen nicht zusammen mit den Stammmitarbeitern dieselben Aufgaben erfüllen. Andernfalls gelten sie nach dem äußeren Erscheinungsbild als in den Betrieb eingliedert, was dem Wesen des Werkvertrages widerspricht.

Problematisch ist die Eingliederung des Leiharbeiters in den Betrieb des Entleihers, wenn der Leiharbeiter in eine Kernposition des Betriebs eingegliedert wird. Die sog. Kernfunktionen eines Unternehmens bezeichnen innerbetriebliche Daueraufgaben, die dem unmittelbaren Betriebszweck dienen. Meist wurden sie vorab von Stammmitarbeitern übernommen. Bei solchen Aufgaben arbeiten die Stammmitarbeiter eng mit den Leiharbeitern zusammen. Daher sollte bei einem Fremdpersonaleinsatz die Form der Arbeitnehmerüberlassung und nicht des Werkvertrages gewählt werden.

Beispiel 2
Beim Automobilhersteller liegt die Kernfunktion in der Montage und Fertigung.
Bei einem Lackierbetrieb ist die Kernfunktion das Lackieren der Produkte.

  • Arbeitet das Fremdpersonal in einem solchen Kernbereich mit, ist von einer Eingliederung in den Betrieb und einer Arbeitnehmerüberlassung auszugehen.

Das Beispiel zeigt, dass die Eingliederung nur bei einer Arbeitnehmerüberlassung möglich ist. Würde die Kernfunktionen durch einen Werkvertrag erledigt werden, könnte durch die enge Zusammenarbeit mit den Stammarbeitnehmern nicht zwischen beiden unterschieden werden. Beide bilden im Produktionsprozess eine nach außen in Erscheinung tretende Einheit. Zudem wäre bei der Erledigung einer so wichtigen unternehmerischen Aufgabe davon auszugehen, dass das Fremdpersonal die unternehmerischen Ziele des Bestellers fördert.
Damit spricht auch die Übernahme der Kernfunktionen für eine Eingliederung in den Betrieb und die Arbeitnehmerüberlassung.

4.1.1.5.2 Verwendung von Mitteln des Entleihers

Ferner ist eine vollständige Eingliederung anzunehmen, wenn der Entleiher Mittel zur Verfügung stellt. Als Mittel kommen technische Geräte, Werkzeuge und Materialien des Dritten in Betracht.

Ist der Leiharbeiter in den Betrieb des Entleihers vollständig eingegliedert, kann er die Mittel des Entleihers problemlos nutzen. Der Entleiher übernimmt einen Teil der Arbeitgeberfunktion und hat alle erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit der Leiharbeitnehmer die geschuldete Tätigkeit erbringen kann.

In Abgrenzung zum Werkvertrag nutzt der Werkunternehmer in der Regel nur eigene Mittel. Überlässt der Besteller dem Werkunternehmer seine eigenen Mittel, ist davon auszugehen, dass der Werkunternehmer seine Werkherstellung nicht selbständig vornehmen kann. In einem solchen Fall könnte der Werkunternehmer nur das Personal bereitstellen, das den Weisungen des Werkunternehmers untersteht. Die Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung wäre dann noch schwieriger, da auch in diesem Fall nur die Überlassung von Personal gewährt wird. Für die Abgrenzung ist entscheidend, ob der Werkunternehmer auch ohne die Hilfe des Bestellers das Werk herstellen kann und über ausreichende Mittel verfügt. Kann der Werkunternehmer nur mithilfe der Mittel des Bestellers seine vertragliche Leistung erbringen spricht das zunächst für eine Arbeitnehmerüberlassung, es sei denn der Werkunternehmer hat die Werkzeuggrundausstattung selbst und benötigt nur einzelne spezielle Werkzeuge. Gleiches gilt, wenn der Werkunternehmer die Werkzeuggrundausstattung vom Besteller überlassen bekommt hat, sie aber stets ersetzt und repariert.

Beispiel 1
Der Automobilhersteller will den Einbau der Lichtanlage fremdvergeben und beauftragt hiermit die Autolicht GmbH. Für den Einbau wird spezielles Werkzeug benötigt, über das die Autolicht GmbH nicht verfügt. Daher stellt der Automobilhersteller die Werkzeuge zur Verfügung.

  • Dies spricht grundsätzlich für eine Arbeitnehmerüberlassung. Da es sich hier aber um ganz spezielles Werkzeug handelt, das der Werkunternehmer nur für diese Tätigkeit benötigt, liegt trotz der Überlassung von Mitteln ein Werkvertrag vor.

Hat der Werkunternehmer die Arbeitsmittel z.B. geleast, kann nicht automatisch von einer Eingliederung in den Betrieb des Bestellers und von einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung ausgegangen werden.

4.1.1.6 Gelebte Gewährleistung

Der Entleiher hat gegen den Verleiher keinen Gewährleistungsanspruch, wenn der Leiharbeitnehmer schlecht leistet, da der Verleiher nur die ordnungsgemäße Auswahl des Leiharbeitnehmers schuldet. Der Arbeitsüberlassungsvertrag beinhaltet keinen bestimmten Erfolg als Hauptpflicht der Vertragsbeziehung. Daher können daraus keine Sekundär- bzw. Gewährleitungsansprüche entstehen.

Ein Gewährleistungsrecht gilt nur bei einem Werkvertrag gem. § 634 BGB. Macht der Dritte einen Gewährleistungsanspruch geltend, kann das als Indiz für einen Werkvertrag verstanden werden. Ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag kann nicht vorliegen.
Als Gewährleistungsrechte kommt neben der Nacherfüllung, die Selbstvornahme, der Aufwendungsersatz, das Rücktritts- und Minderungsrecht, sowie der Schadensersatzanspruch in Betracht.

Beispiel 1
Die Grund und Boden GmbH wurde mit der Verlegung von hochwertigem Laminat in den Büroräumen der Gerling GmbH beauftragt. Nach Vollendung und Abnahme stellt sich heraus, dass die Grund und Boden GmbH den Boden nicht richtig geebnet hat, sodass es bereits nach 8 Monaten zu Rissen im Boden kommt. Damit liegt ein Mangel vor. Der Gerling GmbH stehen Gewährleistungsrechte zu.

  • Möchte sie, dass die Grund und Boden GmbH den Schaden selbst beseitigt, kann sie Nacherfüllung nach § 634 Nr. 1 BGB verlangen.
  • Hat sie aber das Vertrauen in die Firma verloren und möchte eine andere Firma beauftragen, kann sie Schadensersatz verlangen.
  • Hat die Grund und Boden GmbH einen Leiharbeitnehmer beschäftigt, der das Laminat in den Büroräumen verlegt hat, hat sie keine Gewährleistungsansprüche gegen den Verleiher, wenn er den Leiharbeitnehmer aufgrund seiner fachlichen Qualifikationen ordnungsgemäß ausgewählt hat.

Schwierig wird die Abgrenzung, wenn die werkvertraglichen Gewährleistungsrechte nicht ausgeübt wurden.

Unter Umständen liegt ein gem. § 639 BGB vertraglich vereinbarter oder gem. § 309 Nr. 7 BGB durch allgemeine Geschäftsbedingungen vorgegebener Ausschluss der werkvertraglichen Gewährleistungsrechte vor. Einem vertraglichen Gewährleistungsausschluss steht entgegen, wenn der Unternehmer den später eintretenden Mangel an der Sache arglistig verschwiegen hat oder eine Garantie für die einwandfreie Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Dann kann er sich nicht mehr auf den vertraglichen Ausschluss berufen. Hat der Werkunternehmer die Gewährleistungsrechte durch AGB ausgeschlossenen, ist zu beachten, dass er die Gewährleistung für etwaige Schäden nur ausschließen darf, wenn er diese nicht vorsätzlich oder in Folge grober Fahrlässigkeit selbst verursacht hat.

Wurden die Gewährleistungsansprüche nicht ausgeübt, kann nicht sogleich auf eine Arbeitnehmerüberlassung geschlossen werden.
Die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Werkvertrag ist daher nicht allein aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Gewährleistungsrechte möglich.

Beispiel 2
Die Grund und Boden GmbH hat in ihren AGBs einen Haftungsausschluss, mit Ausnahme von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit geregelt. Die Gerling GmbH kann keine Gewährleistungsrechte ausüben, obwohl sie einen Werkvertrag vereinbart haben, der Gewährleistungsrechte vorsieht.

  • Aufgrund der Tatsache, dass die Gehring GmbH wegen eines Gewährleistungsausschlusses durch die AGBs der Grund und Boden GmbH keine Gewährleistungsansprüchen geltend machen kann, kann nicht automatisch auf eine Arbeitnehmerüberlassung geschlossen werden.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arbeitnehmerüberlassung“ von Tilo Schindele, auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Patricia Netto, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7.


 

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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Herausgeber / Autor(-en):

Portrait Tilo-Schindele  Rechtsanwalt Tilo Schindele


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