Logo Brennecke & FASP Group

Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 10 – Leitungssysteme der SE

5 Leitungssysteme der SE

Die Gründer einer SE haben gem. Art. 38 b SE-VO die Wahl zwischen zwei unterschiedlichen Leitungssystemen:

  • Dualistisches Leitungssystem
  • Monistisches Leitungssystem

Das Leitungssystem bestimmt, wie die SE zu führen ist. Grundsätzlich ist die Wahl des Leitungssystems bei der Gründung zu treffen und in der Satzung zu verankern. Ein nachträglicher Wechsel des Leitungssystems ist möglich.[(Fußnote)

5.1 Das dualistische Leitungssystem

Das sog. dualistische Leitungssystem ist in Art. 39 ff. SE-VO geregelt und entspricht aufgrund seiner zweigliedrigen Führungsstruktur dem System einer deutschen Aktiengesellschaft. Es besteht aus einem Leitungs- und einem Aufsichtsorgan. Hinsichtlich der Organbezeichnung hat sich der deutsche Gesetzgeber an der SE-VO orientiert, sodass der Vorstand im Gegensatz zu einer Aktiengesellschaft als Leitungsorgan und der Aufsichtsrat als Aufsichtsorgan bezeichnet werden.(Fußnote) Das Leitungsorgan ist wie der Vorstand einer Aktiengesellschaft mit der Führung der Geschäfte betraut. Das Aufsichtsorgan ist ähnlich eines Aufsichtsrates für die Überwachung der Geschäfte verantwortlich.

Das dualistische System prägen drei wesentliche Elemente:

  • Inkompatibilität zwischen der Mitgliedschaft im Leitungs- und Aufsichtsorgan: D.h., derjenige, der Mitglied im Leitungsorgan ist, kann nicht gleichzeitig Mitglied im Aufsichtsorgan sein.
  • Weisungsfreiheit des Leitungsorgans: D.h., das Leitungsorgan muss bei der Ausübung seines unternehmerischen Handelns die Meinung des Aufsichtsorgans, der Hauptversammlung oder einzelner Aktionäre nicht berücksichtigen.
  • Erschwerte Abberufbarkeit der Organmitglieder: D.h., die Abberufung ist nur aufgrund eines wichtigen Grundes möglich (grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung).

5.1.1 Leitungsorgan

In Art. 39, 47 - 50 SE-VO, in Art. 9 I c ii i.V.m. § 16 SEAG sowie in Art. 9 I c iii i.V.m. Regelungen des nationalen Aktienrechts ist geregelt,

  • wie viele Mitglieder ein Leistungsorgan haben muss
  • welche persönlichen Voraussetzungen bei einem Mitglied des Leistungsorgans erfüllt sein müssen
  • wie die Bestellung und die Abberufung erfolgt
  • wie das Leistungsorgan intern zu organisieren ist und
  • welche Aufgaben das Leistungsorgan hat
5.1.1.1 Erforderliche Mitgliederanzahl des Leitungsorgans

Grundsätzlich gibt es für die Anzahl der Mitglieder des Leitungsorgans keine Vorgaben. Die Anzahl muss jedoch gem. Art. 39 IV 1 SE-VO in der Satzung festgesetzt werden. Sofern es sich um eine nicht mitbestimmte Gesellschaft d.h. einer Gesellschaft ohne Mitwirkung der Arbeitnehmer am Willensbildungsprozess mit einem Grundkapital von mehr als 3 Millionen Euro handelt, muss das Leitungsorgan jedoch aus mindestens zwei Personen bestehen.

Beispiel
Der schwäbische Motorenhersteller X-AG mit einem Grundkapital von 5 Millionen Euro, der bereits viele Jahre durch A geleitet wird, möchte sich in eine SE umwandeln. Einen Betriebsrat gibt es in diesem Unternehmen nicht, da im Schwabenland die Angelegenheiten auf unbürokratische Art und Weise geregelt werden. Die Leitung der X-SE soll weiterhin dem A obliegen.

  • Bei der X-SE handelt es sich um ein Unternehmen mit einem Umsatz von über 3 Millionen Euro. Das Leitungsorgan muss somit aus mindestens 2 Mitgliedern bestehen. Die alleinige Leitung der X-SE ist dem A nicht möglich.

Mittelständische Unternehmen können von dieser Vorgabe abweichen und in der Satzung festlegen, dass das Leitungsorgan lediglich aus einem Mitglied besteht. Dies ist vornehmlich für familiengeführte mittelständische Unternehmen von Vorteil, da der Patriarch eigenverantwortlich die Geschäfte führen kann.

Beispiel
Die Leitung der in der 12. Generation bestehenden Schokoladenmanufaktur Y-AG mit insgesamt 74 Mitarbeitern obliegt aus Tradition dem ältesten Sohn der Gründerfamilie B. Diese Tradition soll auch in der umfirmierten Y-SE aufrechterhalten werden und B alleiniges Leitungsorganmitglied werden.

  • Bei mittelständischen familiengeführten SEs kann in der Satzung geregelt werden, dass das Leitungsorgan lediglich aus einem Mitglied bestehen kann. B kann weiterhin alleiniges Leitungsorgan des Unternehmens bleiben.

Sofern es sich um eine arbeitnehmerbestimmte SE handelt, d.h. wenn gemäß den gesetzlichen Mitbestimmungsregelungen eine Pflicht besteht, dass die Arbeitnehmer mittels Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsorgan bei strategischen Entscheidungen der SE mitbestimmen und die §§ 34 f. SEBG Anwendung finden, muss das Leitungsorgan aus zwei Personen bestehen, da in diesem Fall ein Leitungsorgan zwingend für den Bereich Arbeit und Soziales verantwortlich sein muss.(Fußnote) In den Regelungen des §§ 34 ff. SEBG, dem Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer europäischen Gesellschaft, sind ebenso spezifische Mitbestimmungsregelungen der Arbeitnehmer verankert.

Beispiel
Der Getriebehersteller Z-AG wird von C geleitet. Das Unternehmen hat bereits seit über 10 Jahren einen Betriebsrat. Bei der Umwandlung in eine SE soll C alleiniges Mitglied des Leitungsorgans bleiben.

  • Die bisherigen Mitbestimmungsregelungen bleiben auch in der Z-SE bestehen, sodass es sich um eine mitbestimmte SE handelt. Das Leitungsorgan muss hier aus zwei Mitgliedern bestehen. C kann das Unternehmen nur neben einem weiteren Leitungsorgan, das für das Ressort Arbeit und Soziales verantwortlich ist, führen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.


 

Weiterlesen:
zum vorhergehenden Teil des Buches
zum folgenden Teil des Buches

Links zu allen Beiträgen der Serie Buch - Europäische AG (SE)

Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei

  • Rechtsformwahl
  • Wahl des Firmennamens
  • Gesellschaftsgründungen:
    z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung  bei Notarterminen 
  • Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern
  • Liquidation von Gesellschaften
  • Firmenkäufen
  • Due Diligence
  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
Mail: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: Art. 38 b SE-VO, Art. 39 ff. SE-VO

Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosGesellschaftsrecht