Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 14 – Innere Organisation, Aufgaben
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
5.1.2.4 Innere Organisation
Das Aufsichtsorgan muss eines seiner Mitglieder gem. Art. 42 SE-VO zum Vorsitzenden wählen. Besteht das Aufsichtsorgan allerdings zur Hälfte aus Mitgliedern der Arbeitnehmer, so darf nur ein von der Hauptversammlung der Aktionäre bestelltes Mitglied zum Vorsitzenden gewählt werden. Neben dem Vorsitzenden ist gem. Art. 9 I c ii i. V. m. § 107 I 1 AktG mindestens ein Stellvertreter zu wählen. Bei Verhinderung des Vorsitzenden tritt der Stellvertreter vollumfänglich in die Rechtstellung des Vorsitzenden ein. Bei einer paritätisch mitbestimmten SE, d.h. wenn Arbeitnehmer und Anteilseigner im Aufsichtsorgan in gleicher Stärke vertreten sind, muss der Stellvertreter zwingend ein Vertreter eines Gesellschafters sein. Das Aufsichtsorgan kann sich ebenso durch Beschluss mit einfacher Stimmmehrheit eine Geschäftsordnung geben und kann aus seiner Mitte einen oder mehrere Ausschüsse bilden.
5.1.2.5 Aufgaben
Die Hauptaufgabe des Aufsichtsorgans ist gem. Art. 40 SE-VO die Überwachung der Geschäftsführung durch das Leitungsorgan. Unter Überwachung versteht man zum einen die Kontrolle bereits abgeschlossener Geschäftsvorfälle, zum anderen jedoch auch eine präventive Überwachung noch nicht abgeschlossener Geschäfte.(Fußnote) Die Überwachungsaufgabe ist auch, dass das Aufsichtsorgan hinsichtlich der zukünftigen Geschäftspolitik beratend tätig wird und darauf Einfluss nimmt. Eine Berechtigung die Geschäfte selbst zu führen, hat das Aufsichtsorgan nicht.
Beispiel
Y, der Vorsitzende des Aufsichtsorgans des Softwareunternehmens S-SE ist mit der Ausführung der Geschäfte durch das Leitungsorgan nicht einverstanden und ruft kurzerhand selbst den Großkunden an und verhandelt mit ihm persönlich die Vertragsbedingungen aus.
- Aufgabe des Aufsichtsorgans und somit auch des Y ist lediglich die Überwachung der Geschäfte bzw. eine beratende Tätigkeit bei Geschäftstätigkeiten. Eine operative Tätigkeit i.S.d. Aushandelns von Verträgen ist somit nicht Aufgabe des Y.
5.1.2.5.1 Auskunftsrecht
Um seiner Überwachungsaufgabe gerecht zu werden, hat das Aufsichtsorgan ein weitgehend unbeschränktes Auskunftsrecht gegenüber dem Leitungsorgan. In einer deutschen SE kann jedes einzelne Mitglied des Aufsichtsorgans sein Informationsrecht geltend machen i.S.d. Art. 41 III 2 SE-VO i.V.m. § 18 SEAG.
5.1.2.5.2 Überprüfungsrecht
Das Aufsichtsorgan hat ferner ein weitgehend unbeschränktes Überprüfungsrecht. Die Überprüfung kann dabei entweder durch das Aufsichtsorgan selbst erfolgen oder aber an sachverständige Dritte, so Wirtschaftsprüfer, delegiert werden. Das Aufsichtsorgan wird mindestens alle 3 Monate über den Gang der Geschäfte der SE und deren Entwicklung informiert. Ebenso sind alle Ereignisse, die sich spürbar auf die Lage der SE auswirken dem Leitungsorgan durch das Aufsichtsorgan mitzuteilen.
Beispiel
Die T-SE befindet sich gemäß ihrer Strategie auf Expansionskurs in Osteuropa. Dem Aufsichtsorgan ist zu Ohren gekommen, dass es bei der Abwicklung von Geschäften das ein oder andere Mal zu unlauteren Geschäftspraktiken in Form von Schmiergeldzahlungen gekommen ist. Es sollen hierzu bereits interne Ermittlungen laufen. Das Aufsichtsorgan verlangt vom Leitungsorgan Aufklärung.
- Gemäß Art. 41 III 2 SE-VO i.V.m. § 18 SEAG kann das Aufsichtsorgan jegliche Information vom Vorstand verlangen, die für die Ausübung der Kontrolltätigkeit erforderlich sind. Das Aufsichtsorgan hat im Rahmen seiner Überwachungsfunktion die Aufgabe zu prüfen, ob im Unternehmen rechtmäßig gehandelt wird und ob sich insbesondere der Vorstand gesetzeskonform verhält. So hat das Aufsichtsorgan gerade im Falle eines möglichen Korruptionsvergehens innerhalb des Unternehmens ein vollumfängliches Informationsrecht.
5.1.2.5.3 Zustimmungsvorbehalt
Einfluss auf die Geschäftsführung kann das Aufsichtsorgan in dem Maße nehmen, indem bestimmte Arten von Geschäften von der Zustimmung des Aufsichtsorgans abhängig gemacht werden. Die zustimmungspflichtigen Geschäfte müssen in der Satzung der SE festgelegt werden, für die das Aufsichtsorgan eine Zustimmung erteilen muss. Über Art. 52 2 SE-VO, § 111 IV 3 - 5 AktG gilt das Recht, dass die Hauptversammlung, eine vom Aufsichtsorgan verweigerte Zustimmung auf Antrag des Leitungsorgans durch Beschluss ersetzen kann.
Beispiel
Der Solarmodulhersteller G-SE möchte in der Wüste Afrikas eine große Solaranlage bauen und investiert in diesen Bau eine Summe von 500 Millionen Euro. Eine solche Investition in dieser Höhe wurde in der 10-jährigen Firmengeschichte bisher nicht getätigt. In der Satzung der G-SE ist ein sog. Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsorgans bei Auslandsinvestitionen, die das übliche Maß überschreiten, festgesetzt.
- Da es sich bei der Investition um eine Auslandsinvestition handelt und in dieser Höhe bisher in der Firmengeschichte keine Investition getätigt wurde, fällt diese Entscheidung unter den Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsorgans. Somit bedarf es bei dieser Geschäftstätigkeit der Zustimmung des Aufsichtsorgans.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.
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Stand: Januar 2017
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Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:
- "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
- "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
- "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
- "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0
Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:
- Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
- Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
- Die Unternehmergesellschaft (UG)
Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
- Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
- Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
- Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
- Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
- Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
- Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
- Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
- Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters
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