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Baumängel vor und im Prozess – Teil 20 – Das Selbstständige Beweisverfahren

7.1.2.1. Antrag auf Einleitung

Das selbständige Beweisverfahren beginnt durch den Antrag auf Einleitung einer der beteiligten Parteien. Der Antrag ist nur gesetzeskonform, wenn eindeutig aus diesem hervorgeht, wer genau das Verfahren einleitet (Antragsteller) und gegen wen sich das Verfahren richten soll (Antragsgegner). Hierbei müssen konkrete Tatsachenbehauptungen aufgeführt werden.(Fußnote)

Hinsichtlich der genauen Bezeichnung der gegnerischen Partei im Antrag auf Einleitung wäre zum Beispiel im Rahmen einer Feuchte-Feststellung im Keller des Bauherrn zu beachten, dass dieser, wenn er ein Beweisverfahren anstrebt, überlegen muss, wen genau er als Antragsgegner in diesem Verfahren bezeichnen möchte. Als Auswahlmöglichkeiten für seine Überlegungen wäre z. B: der Bauunternehmer zu benennen – wenn es sich um einen Ausführungsfehler handelt. Auch der Architekt könnte in Anspruch genommen werden, wenn dieser durch einen Planungsfehler die Feuchtigkeit zu verantworten hat. Der Bauherr kann jedoch, wenn er sich unsicher ist, beide benennen. Allerdings ist es im Baurecht leider häufig der Fall, dass die korrekten Anspruchsgegner nicht mit Sicherheit bezeichnet werden können. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, den Antrag gegen einen Antragsgegner zu richten und gegen denkbare andere Anspruchsgegner nur den Streit zu verkünden. Das bedeutet kurz dargestellt, dass die Streitverkündung die betreffende Person über den Gegenstand und den Stand des Prozesses in Kenntnis setzt. Dabei stellt der Antragsteller diesem vor die Wahl, ihn zu unterstützen oder er äußert sich gar nicht dahingehend. Verliert der Anstragssteller den Prozess gegen den Antragsgner, kann er in einem weiteren Verfahren den Dritten auf Gewährleistung oder Schadensersatz verklagen. Hier muss der Dritte nunmehr sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen, nebst Urteil, gegen sich gelten lassen.(Fußnote)

Anforderungen an den Antrag auf Einleitung:

  • Bezeichnung des Gegners
  • Tatsachenbezeichnung
  • Benennung der Zeugen/Bezeichnung der übrigen Beweismittel
  • Glaubhaftmachung

Beachte bei Schiedsgutachten:
Ein Antrag auf Einleitung durch den Antragsteller wäre jedoch dann unzulässig, wenn durch eine zuvor durchgeführte Schiedsgutachtenabrede das für die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens erforderliche rechtliche Interesse (§ 485 Abs. 2 ZPO) entfallen würde. Wenn die Schiedsgutachtenabrede mittelbar zur Wirkung hätte, dass – aufgrund der Vorrangigkeit eines Schiedsgutachtens – ein Gutachten im selbstständigen Beweisverfahren nicht mehr zur Klärung von Streitfragen beitragen könnte, würde das Rechtschutzinteresse für den Antrag der Antragstellerin fehlen.

Dem Beweis zugängliche Tatsachen sind konkrete nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörende Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt oder des menschlichen Lebens.(Fußnote) Diese Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen, müssen glaubhaft gemacht werden. Für die Glaubhaftmachung kommen speziell eidesstattliche Versicherungen und Urkunden in Betracht. Ausgeschlossen sind Beweiserhebungen, die nicht sofort erfolgen können, wie die Anhörung von Personen oder die Durchführung von Ortsbesichtigungen. Es genügt hier in Bauangelegenheiten, dass die maßgeblichen Tatsachen so aufgeführt werden, wie sie sich nach ihrer äußeren Erscheinung für einen Laien im Baurecht darstellen.(Fußnote) Es ist nötig vorzutragen, was genau die Ursachen der behaupteten Mängel sind. Auch die in Frage kommenden Mängelbeseitigungsmaßnahmen oder die Beseitigungskosten, die aufgewandt werden müssten, bedürfen keiner weiteren Erläuterung.

Hinsichtlich der Zeugenbenennung sind betreffende Personen namentlich vorzutragen. Hinsichtlich der anderen Beweismittel, wie beispielsweise der Sachverständige, sind diese lediglich in Ihrer Funktion zu benennen („Gutachten eines vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen für …“).

Die nötige Glaubhaftmachung der behaupteten Tatsachen bedeutet vereinfacht eine schlüssige und nachvollziehbare Darstellung der Umstände.

Allerdings darf grundlos kein Beweissicherungsverfahren angestrengt werden. Das heißt, wenn der Bauunternehmer seiner festgestellten Nachbesserungspflicht nachkommt, kann der Bauherr keinen Antrag auf Einleitung des Verfahrens stellen. Erst im Falle der Weigerung des Bauunternehmers, eine Nachbesserung anzuerkennen und durchzuführen, hat der Bauherr die Möglichkeit diesen Schritt zu gehen.

7.1.2.2. Zulässigkeitsprüfung durch das Gericht

Das zuständige Gericht hat bei der Bearbeitung keinen Ermessensspielraum. Dies bedeutet in der Praxis, sobald die Voraussetzungen gegeben sind, kann der eingereichte Antrag nicht aus Gründen der Unzweckmäßigkeit abgelehnt werden. Wenn der Richter Hinweise durch Bedenken gibt und diese als Zurückweisung des Antrags gewertet werden können, so besteht die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung durch den Antragsteller im Rahmen einer Anfechtungsklage vorzugehen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Baumängel vor und im Prozess“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Babett Stoye LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-67-0.


 

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Stand: Januar 2017


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