Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner – Teil 25 – Die Betriebsvereinbarung in der Unternehmensumstrukturierung
11. Die Betriebsvereinbarung in der Unternehmensumstrukturierung
Strukturiert der Arbeitgeber sein Unternehmen um, kann dies eine Vielzahl von möglichen Konsequenzen für die zwischen den Betriebspartnern abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen haben. Welche Folgen genau für die aufgestellten betrieblichen Regelungen eintreten, hängt von der jeweiligen Art der Unternehmensumstrukturierung und deren konkreter Ausgestaltung ab.
11.1. Betriebsvereinbarungen beim Betriebsübergang
Vor allem der Wechsel des Betriebsinhabers kann Auswirkungen auf Betriebsvereinbarungen haben. Dieser liegt nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB vor, wenn ein ganzer Betrieb oder ein Teil davon durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Man spricht hier vom sogenannten Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang. Das dem Übergang zugrunde liegende Rechtsgeschäft wird im Regelfall ein zwischen 2 Unternehmen abgeschlossener Vertrag sein (z.B. Kaufvertrag, Mietvertrag, etc.),[1] durch welchen das eine Unternehmen seinen Betrieb oder Betriebsteil veräußert und das andere ihn erwirbt. Somit handelt es sich hier um keine rein unternehmensinterne Umstrukturierung. Im Wesentlichen kann der Übergang - je nach seiner konkreten Konstellation - zwei verschiedene Auswirkungen auf die für den veräußerten Betrieb oder Betriebsteil abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen haben. Entweder gelten sie unmittelbar weiter oder er kommt zur Transformation der in ihnen geregelten Rechte und Pflichten.
11.1.1. Unmittelbare Fortgeltung
Zunächst kann eine Betriebsvereinbarung nach erfolgtem Übergang unmittelbar fortgelten. Dieser Fall kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Betrieb nach seiner Veräußerung die Identität in Form der betriebsverfassungsrechtlichen Selbständigkeit beibehält. Er wird also unverändert fortgeführt. In dieser Konstellation ersetzt der Erwerber den Veräußerer als neuer Arbeitgeber, und demnach auch als fortan neuer Betriebspartner des ebenfalls unverändert bestehenden Betriebsrats. Ab dem Zeitpunkt des Übergangs ist der Erwerber folglich auch neuer Vertragspartner aller Betriebsvereinbarungen, die mit dem alten Arbeitgeber abgeschlossen worden sind.
Beispiel
Der Betrieb wird in seiner Gesamtheit an einen neuen Inhaber verkauft. Vor dem Verkauf wurde für den Betrieb zwischen dem alten Inhaber und dem Betriebsrat eine Vielzahl von Betriebsvereinbarungen abgeschlossen.
- Durch die Veräußerung kommt es zu einem Betriebsübergang. Da der neue Inhaber den Betrieb so übernimmt, wie er ihn schon beim alten Inhaber vorgefunden hatte, behält er seine Identität und betriebsverfassungsrechtliche Selbständigkeit. Folglich gelten alle vorhandenen Betriebsvereinbarungen mit sämtlichen Rechten und Pflichten der Arbeitnehmer, des Betriebsrats und des neuen Arbeitgebers unmittelbar und unverändert weiter.
Auf der anderen Seite ist es denkbar, dass der alte Arbeitgeber nur einen Teil seines Betriebs veräußert, den der Erwerber sodann als autonomen Betrieb oder als selbständigen Betriebsteil fortführt. Durch den Inhaberwechsel erhält der übergegangene Betrieb also eine betriebsverfassungsrechtliche Selbständigkeit. Auch hier gelten die Betriebsvereinbarungen unverändert weiter, und zwar sowohl im ursprünglichen Betrieb als auch im neu entstandenen Betrieb oder neuen selbständigen Betriebsteil.[2] Für diesen bleibt der alte Betriebsrat im Rahmen seines sogenannten Übergangsmandats gem. § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG zuständig. Sein Übergangsmandat endet regelmäßig dann, wenn im neu entstandenen Betrieb oder im nunmehr selbständigen Betriebsteil ein eigener Betriebsrat gewählt wurde. Der alte Betriebsrat verliert seine Zuständigkeit spätestens nach 6 Monaten (§ 21a Abs. 1 S. 3 BetrVG).
Beispiel
Es wird nur ein Teil des gesamten Betriebes, für den einige Betriebsvereinbarungen gelten, verkauft. Der Erwerber macht aus diesem Betriebsteil einen autonomen Betrieb und führt ihn als solchen weiter.
- Der Verkauf geht mit einem Betriebsteilübergang einher. Da aus dem erworbenen Betriebsteil ein autonomer Betrieb wird, erhält er eine eigene betriebsverfassungsrechtliche Selbständigkeit. Die Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und unverändert. Der alte Betriebsrat bleibt durch sein Übergangsmandat zuständig, bis im neu entstandenen Betrieb ein neuer Betriebsrat gewählt wurde; längstens jedoch für sechs Monaten.
[1] Vgl. ErfK/Preis, BGB § 613a Rn. 59
[2] BAG 18.09.2002 NZA 2003, 670 f.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Betriebsvereinbarung – Das Regelungsinstrument der Betriebspartner“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Alexander Geier, Wirtschaftsjurist LL.B., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-70-0.
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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.deStand: Januar 2017