Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen – Teil 27 – Gestaltungsmöglichkeiten eines dualistisch strukturierten Unternehmens und der Mitbestimmung
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
9.2.3.2 CEO-Modell /Co-CEO-Modell Struktur
Für familiengeführte mittelständische, nicht mitbestimmungspflichtige Unternehmen mit "Patriarch" an der Spitze ist die Wahl eines monistischen Leitungssystems zu empfehlen. Das monistische Leitungssystem kann als sog. „CEO-Modell“ mit einer Personalunion von Verwaltungsratsvorsitz und Vorsitz der Geschäftsleitung ausgestaltet werden d.h. es kann ein „starker Mann“ an der Spitze etabliert werden. Dieses Modell ist ebenso mit einer Doppelspitze in Form einer Co-CEO Modellstruktur möglich. Die Position des CEO kann ferner dadurch gestärkt werden, dass für diese Position in der Satzung Einzelgeschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis verankert wird. Ebenso könnte, um die Stellung des Verwaltungsrats zu stärken, die Amtszeit auf die Maximaldauer von 6 Jahren erhöht werden und bezüglich des Vetorechts die Mehrheitsverhältnisse angehoben werden. Durch die Stärkung der Position ist diese von der Machtfülle größer als die eines Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft.[1]
9.3 Gestaltungsmöglichkeiten eines dualistisch strukturierten Unternehmens
Für größere mittelständische Unternehmen, die von der Struktur einem Großunternehmen gleichen, empfiehlt sich eine dualistische Leitungsstruktur, die im Wesentlichen hinsichtlich ihrer Gestaltungsoptionen der einer Aktiengesellschaft gleicht. Gegenüber der deutschen Aktiengesellschaft erstreckt sich die SE-spezifische Gestaltungsfreiheit - neben der aktienrechtlichen Gestaltung - auf folgende Bereiche:
- Amtszeit und Wiederbestellung der Organmitglieder
- Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung der Organe, Anzahl der Mitglieder
- Zustimmungsvorbehalte
9.3.1 Amtszeit und Wiederbestellung der Organmitglieder
In der Satzung der SE gibt es hinsichtlich der Amtszeit der Verwaltungsratsmitglieder Gestaltungsbedarf. Es muss in der Satzung nicht zwingend ein genauer Zeitraum der Amtszeit hinterlegt werden, sondern es kann eine Höchstdauer der Amtszeit bestimmt werden. Es kann ein turnusmäßiges Ausscheiden der Aufsichtsratsmitglieder festgelegt werden, sog. "staggered board". Dies hat den Vorteil, dass Seilschaften durchbrochen werden und neue Ideen einfließen können.[2]
Die Wiederbestellung der Organe kann in der Satzung eingeschränkt werden, z.B. auf eine einmalige Wiederbestellung. Der Vorteil einer lediglich einmaligen Wiederbestellung ist die Verhinderung einer innovationsfeindlichen Personalentwicklung.
9.3.2 Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung der Organe
Im Zuge der Satzungsgestaltung ist es für eine SE ohne Mitbestimmung möglich,- sowohl für die Beschlussfähigkeit als auch für die Beschlussfassung der Organe der SE interne Regelungen aufzustellen, um die Arbeitsweise effizienter zu gestalten. Grundsätzlich ist die Beschlussfähigkeit bei der Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder gegeben und die Beschlussfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit. Für gesetzlich vorgesehene Beschlussfassungen bei Aufsichtsorganbeschlüssen darf jedoch nicht von der gesetzlich vorgegeben qualifizierten Mehrheit abgewichen werden. Bei Beschlüssen des Leitungsorgans sind die Gestaltungsvarianten des Stichentscheids bei Stimmgleichheit sowie Vetorechte zugunsten einzelner Vorstandsmitglieder möglich. Die Anzahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans muss durch drei teilbar sein. Eine Mindestanzahl von mindestens drei Mitgliedern ist im gesetzlichen Regelfall vorgegeben.
9.3.3 Zustimmungsvorbehalte
Grundsätzlich können in der Satzung der SE die Arten der zustimmungspflichtigen Geschäfte festgelegt werden.[3] Dies empfiehlt sich besonders dann für eine mitbestimmte familiengeführte SE mit dualistischem Leitungssystem, wenn sich die Familienmitglieder aus dem operativen Geschäft zurückgezogen haben und innerhalb des Aufsichtsorgans lediglich überwachende Funktion innehaben. So haben die Familienmitglieder bei bestimmten operativen Geschäftsentscheidungen größere Macht, indem sie bei die Existenz des Unternehmens beeinträchtigenden Geschäften ihr Veto einlegen können. Somit ist es empfehlenswert, einen Katalog zustimmungspflichtiger Gesetz in der Satzung zusammenzustellen.
9.4 Gestaltungsmöglichkeiten der Mitbestimmung
Die Mitbestimmung innerhalb der SE kann - sofern die Gesellschaft zuvor ebenso nicht mitbestimmungspflichtig war - dauerhaft unterbunden werden, da die Mitbestimmungsregelungen von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer unabhängig sind. So kann sich eine Gesellschaft, die noch nicht der Mitbestimmung unterliegt, in eine SE umwandeln und muss bei künftigem Mitarbeiterwachstum keine Mitbestimmungsregelung implementieren. Eine Gesellschaft, die zuvor der Mitbestimmung unterlegen hat, kann durch die Umfirmierung in eine SE das Mitbestimmungsniveau dauerhaft konstant halten.[4]
Die Rechtsform ermöglicht ebenso die Wahl ausländischer Vertreter in das Aufsichtsorgan bzw. den Verwaltungsrat, um durch die Internationalität die Belange der unterschiedlichen Gesellschaften besser vertreten werden können.[5]
[1] Seibt, in: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, 67, 86 ff.
[2] Kort, in: Großkommentar der Praxis, 2014, § 84 Rn. 14.
[3] Seibt: Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, 2005, 67, 79.
[4] Walla, Corporate Governance in einer monistisch verfassten Societas Europaea deutscher Provenienz, 566, 572.
[5] Lutter, in: Lutter/Hommelhoff/Teichmann, 2. Auflage 2015, SE Einl. Rn. 41.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) als Rechtsform für mittelständische Unternehmen“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Sarah Schwab, Wirtschaftsjuristin LL.M., erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-60-1.
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Stand: Januar 2017
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Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:
- "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
- "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
- "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
- "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0
Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:
- Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
- Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
- Die Unternehmergesellschaft (UG)
Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
- Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
- Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
- Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
- Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
- Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
- Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
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