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Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht – Teil 03 – Die Arbeitsanweisung

2.2.2.1.2 Die Arbeitsanweisung

Bei der Arbeitsanweisung handelt es sich um eine Weisung des Vorgesetzten an den hierarchisch tieferstehenden Untergebenen. Die strafrechtliche Zurechnung bestimmt sich nach den Regeln von Täterschaft und Teilnahme gemäß des § 25 StGB. Wer mittelbarer oder unmittelbarer Täter und wer Teilnehmer (d.h. Anstifter oder Gehilfe) einer Straftat ist, wird nach der Rechtsprechung zunächst mit Hilfe der sog. „animus-Formel“ bestimmt. Maßgeblich ist dabei der Wille des Handelnden:

  • Täter ist danach, wer die Tat als „eigene“ will (animus auctoris)
  • Teilnehmer ist, wer die Tat als „fremde“ will (animus socii)

Daneben wird eine wertende Betrachtung angestellt. Hierfür werden alle (objektiven) Tatumstände einbezogen, die der Handelnde in seine Vorstellung aufgenommen hat. Dazu zählen

  • das Eigeninteresse am Taterfolg
  • die Tatherrschaft
  • der Wille zur Tatherrschaft und
  • der Umfang der Tatbeteiligung (vgl. Kühl, JA 2014, S. 668, 669).

Im Hinblick auf Arbeitsanweisungen ergeben sich folgende Konstellationen:

  • Teilt der Vorgesetzte dem Untergebenen bei der Anweisung alle relevanten Informationen mit, so ist der Vorgesetzte nur Anstifter gem. § 26 StGB und mithin nur Teilnehmer. Täter nach § 25 Abs. Alt. 1 StGB ist dann allein der Untergebene.

Beispiel
Dr. F - Leiter der Forschungsabteilung der Warfield-GmbH - weist den Laboranten L an, die mit noch hoch explosiven Chemikalien verunreinigten Reagenzgläser in irgendeinen Müllcontainer auf dem Firmengelände zu entsorgen, da die vorschriftskonforme Entsorgung in der speziell vorgesehenen Entsorgungsanlage zu aufwendig und zeitraubend sei. L entsorgt die Reagenzgläser im Müllcontainer der Kantine.

  • L als Untergebener macht sich als Täter wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar. L kannte nach Aufklärung durch Dr. F alle relevanten Informationen und entschied sich dennoch dazu, die hochexplosiven Stoffe außerhalb der dafür zugelassenen Anlage zu entsorgen. Da Dr. F dem L alle maßgeblichen Informationen mitgeteilt und zu dieser Art der Entsorgung angewiesen hat, hat Dr. F sich wegen Anstiftung zum unerlaubten Umgang mit Abfällen nach § 326 Abs. 1 Nr. 3, 26 StGB strafbar gemacht.
  • Spiegelt der Vorgesetzte dem Untergebenen bestimmte Befugnisse vor oder hält er rechtsgutsrelevante Informationen zurück, so erhält das Handeln des Vorgesetzten mehr Täterqualität. Er hat dann die sog. Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens inne. Folglich ist er mittelbarer Täter nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB, da unmittelbar nur der getäuschte Untergebene handelt (vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 73 Rn. 168). Dieser leidet wegen des Irrtums über relevante Tatumstände an einem sog. rechtlichen Defizit. Dem Untergebenen fehlt in solchen Fällen der Vorsatz zur Begehung einer Straftat. Er wird vom Vorgesetzten ,,instrumentalisiert“ (vgl. Kühl, JA 2014, S. 668, 671).

Beispiel
Dr. F bemerkt, dass er für seine Sprengstoffexperimente keine sauberen Reagenzgläser mehr vorrätig hat. Daher weist er den Auszubildenden A an, die chemischen Inhalte der benutzen Reagenzgläser in den Restmüll zu kippen und sie zu reinigen. Dabei spiegelt er dem A vor, dass er nebenbei an einer neuen zucker- und süßungsmittelfreien Brause arbeite und die in den Reagenzgläsern noch enthaltenen Flüssigkeiten lediglich gescheiterte Brausegemische seien. Die Farbe und der Geruch der Flüssigkeiten in den Reagenzgläsern waren nicht auffällig, so dass A den Angaben des erfahrenen Dr. F vertraut. Außerdem wurde in der Forschungsabteilung der Warfield-GmbH zwei Wochen zuvor bekannt gegeben, dass man sich auch auf kriegseinsatztaugliche Lebensmittel spezialisieren wolle. A handelt weisungsgemäß.

  • Dr. F spiegelte dem noch unerfahrenen A vor, dass die Flüssigkeiten in den Reagenzgläsern Reste von Brauseexperimente seien, die nicht in einer speziell hierfür vorgesehenen Entsorgungsanlage beseitigt werden müssen. Da es sich in Wirklichkeit um hochexplosive Flüssigkeiten handelte, unterlag A einem Irrtum über die tatsächlichen Gegebenheiten. Wegen dieses Irrtums handelt A nicht vorsätzlich. Er musste den Angaben des Dr. F vertrauen und hatte keinen Anlass, zu zweifeln. A leidet an einem rechtlichen Defizit, welches Dr. F gezielt ausgenutzt und den A instrumentalisiert hat. Dr. F ist somit wegen unerlaubten Umgangs mit explosionsgefährlichen Abfällen in mittelbarer Täterschaft strafbar gem. §§ 326 Abs. 1 Nr. 3, 25 Abs. 1 Alt.2 StGB.
  • Wirken Vorgesetzter und Untergebener aufgrund einer gemeinsamen Planung und Verständigung derart zusammen, dass sich ihre Tatbeiträge ergänzen, ist jeder Täter. Die Beteiligten handeln volldeliktisch. Ein solches Tatverhalten nennt man Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB. Speziell in Arbeitsverhältnissen wird jedoch die Annahme der Mittäterschaft immer weniger möglich, je weiter die Hierarchieebenen der Handelnden auseinandergehen (vgl. Saliger, Umweltstrafrecht, S. 73 Rn. 168).

Beispiel
Weil in letzter Zeit in den Restmüllcontainern auf dem Gelände der Warfield-GmbH vermehrt verschmutzte Reagenzgläser und in Beutel abgefüllte Reste von Sprengstoffexperimenten bemerkt wurden, hat man die Restmüllcontainer in eine leerstehende Garage auf dem Firmengrundstück verbracht. Die Garage kann nur mit einer Magnetkarte geöffnet werden. Zugang haben nur Mitarbeiter ab einer bestimmten Hierarchieebene, da man die Auszubildenden verdächtigt, sich das Arbeitsleben gelegentlich einfacher zu machen. Als Leiter der Forschungsabteilung hat Dr. F Zugang zu den Containern. Der Auszubildende B und Dr. F sind sich einig, dass beim vorschriftsgemäßen Entsorgen der explosionsgefährlichen Stoffe wegen der Dokumentations- und Verpackungspflichten zu viel Zeit verschwendet wird, die besser in die Forschung investiert werden könnte. Beide wussten um die Folgen einer vorschriftswidrigen Entsorgung, gleichwohl gab Dr. F dem B jedes Mal die Magnetkarte zwecks vorschriftswidriger Entsorgung der hochexplosiven Flüssigkeiten in den Restmüll.

  • Dr. F und B arbeiten aufgrund einer gemeinsamen Planung und Verständigung über die Abfallentsorgung funktional zusammen. Beide verfolgten das Ziel, ungehemmt forschen zu können, ohne unnötig Zeit durch vorschriftsmäßiges Entsorgung zu verschwenden. Dr. F und B machen sich beide wegen unerlaubten Umgangs mit Abfall in Mittäterschaft nach § 326 Abs. 1 Nr. 3, 25 Abs. 2 StGB strafbar. Dass Dr. F nicht selbst den Abfall beseitigt, ändert daran nichts, da er dem B die Magnetkarte zur Entsorgung überließ. Dadurch wird Dr. F die Beseitigungshandlung des B aufgrund des gemeinsamen Tatplans zugerechnet.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Alexander Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-79-3.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei

  • Rechtsformwahl
  • Wahl des Firmennamens
  • Gesellschaftsgründungen:
    z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung  bei Notarterminen 
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  • Liquidation von Gesellschaften
  • Firmenkäufen
  • Due Diligence
  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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Normen: § 25 StGB

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