Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 07 – Verhaltensbedingte Kündigung
3.3.1.2 Verhaltensbedingte Kündigung
Unterfällt die ordentliche Kündigung den Regelungen des KSchG, so muss ein Grund für die Kündigung vorliegen. Daher unterscheidet man als Unterfälle der ordentlichen Kündigung die verhaltensbedingte, die personenbedingte und die betriebsbedingte Kündigung (Fußnote). Bei der verhaltensbedingten Kündigung liegt der Grund für die Kündigung - wie der Name schon sagt - in einem bestimmten vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers; es liegt also eine Pflichtverletzung vor.
Die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung setzt grundsätzlich eine Abmahnung voraus (Fußnote). In der früheren Rechtsprechung wurde nach der Art der Pflichtverletzung und dem durch sie gestörten Bereich differenziert, sodass bei Vertragsverletzungen im Leistungsbereich andere Voraussetzungen galten als bei Pflichtverletzungen im Vertrauensbereich oder im betrieblichen Bereich. Diese Unterscheidung ist nach heutiger Rechtsprechung jedoch nicht mehr von Bedeutung.
Relevant ist heute stattdessen allein der rein zukunftsorientierte Charakter der Kündigung (Fußnote). Eine Kündigung ist keine Bestrafung für das gezeigte Fehlverhalten. Sie kann stattdessen nur dann ausgesprochen werden, wenn klar ist, dass das Arbeitsverhältnis auch in Zukunft belastet sein wird und sich Verstöße wiederholen werden. Man spricht von einer "negativen Zukunftsprognose". Diese negative Zukunftsprognose kann man normalerweise aber nur anstellen, wenn der Arbeitnehmer trotz bereits erfolgter Abmahnung wieder Pflichtverletzungen begeht, denn dann hat sich gezeigt, dass er nicht auf die Belehrungen reagiert und er sich sehr wahrscheinlich auch in Zukunft nicht ändern wird. Daher ist vor einer Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung notwendig.
Zum anderen ergibt sich dieses Erfordernis auch aus dem Grundsatz in § 1 Abs.2 KSchG, wonach eine Kündigung nur dann gerechtfertigt ist, wenn es kein milderes Mittel zur Verhinderung zukünftiger Vertragsstörungen gibt (Fußnote) Daher ist regelmäßig zuerst die Abmahnung als milderes Mittel zu wählen, bevor eine Kündigung wirksam möglich ist.
In der Praxis häufig anzutreffen ist der Versuch, das Erfordernis der Abmahnung durch vertragliche Regelung auszuschließen. Ist im Arbeitsvertrag jedoch das generelle Recht des Arbeitnehmers zur Kündigung ohne Abmahnung vorgesehen, so ist diese Regelung unwirksam. Die Bestimmungen des Kündigungsschutzes sind zwingend, sodass auch nicht freiwillig und vertraglich auf sie verzichtet werden kann (Fußnote). Eine sog. "vorweggenommene Abmahnung", welche im Arbeitsvertrag für den Fall bestimmter Verstöße vereinbart wird, ist jedoch rechtlich zulässig (Fußnote)
3.3.1.2.1 Verletzung von Hauptpflichten
Wie beschrieben, kann sich eine verhaltensbedingte Kündigung sowohl auf die Verletzung von Hauptpflichten, als auch von Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis stützen. Ist von einer Hauptpflichtverletzung die Rede, so bleiben vorvertragliche Verletzungen in jedem Fall außer Betracht. Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer ohne vorherige Abmahnung kündigen, es sei denn die Kündigung vor Dienstantritt ist ausnahmsweise vertraglich ausgeschlossen. Der Grund dafür ist, dass wenn innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses keine Abmahnung für eine Kündigung erforderlich ist, für den Fall einer Kündigung noch vor Dienstantritt unmöglich strengere Voraussetzungen gelten können (Fußnote).
3.3.1.2.2 Verletzung von Nebenpflichten
Abgesehen von den Hauptpflichten entstehen dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis auch noch Nebenpflichten i.S.d. § 241 Abs.2 BGB. Auch bei einer entsprechenden Nebenpflichtverletzung ist zunächst eine Abmahnung erforderlich, bevor eine Kündigung wirksam möglich ist (Fußnote).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.
Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017
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Herausgeber / Autor(-en):
Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem
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und berät und vertritt Betriebsräte.
Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:
- Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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