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Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 10 – Bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

3.3.2 Bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

Unterliegt der Arbeitnehmer nicht dem KSchG - entweder, weil er noch nicht sechs Monate beim Arbeitgeber angestellt ist (§1 KSchG), oder aber, weil es sich um einen Kleinbetrieb (§ 23 Abs.1 S.2 KSchG) handelt - so ist grundsätzlich keine Abmahnung erforderlich, bevor eine Kündigung ergehen kann (BAG 21.02.2001, AP BGB § 611 Abmahnung Nr.26 = NZA 2001, 951; Berkowsky in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 114, Rn.134.).

Jedoch darf eine Kündigung auch außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG nicht (alters-) diskriminierend sein (BAG 23.07.2015 - 6 AZR 457/14 = AP AGG § 7 Nr.7 = NJW 2016, 268.). Zudem hat das BAG in der Vergangenheit vermehrt in solchen Fällen ein "Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme" gefordert (BAG 21.02.2001 - 2 AZR 15/00 = AP BGB § 242 Kündigung Nr. 12 = NZA 2001, 833.), was jedoch nur für die soziale Auswahl bei der betriebsbedingten Kündigung gilt, vor der eine Abmahnung sowieso generell nicht nötig ist (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1633 ff.).
Ein Erfordernis zur Abmahnung vor der ordentlichen Kündigung existiert außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG daher nicht. Es ergibt sich weder aus § 242 BGB, da eine fristgerechte Kündigung ohne vorherige Abmahnung nicht gegen Treu und Glauben verstößt (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1498.), noch auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BAG 23.04.2009 - 6 AZR 533/08 = NJW 2009, 3534 = NZA 2009, 1260.).

Auch wenn der Arbeitgeber bei Nichtanwendbarkeit des KSchG vor einer Kündigung zwar nicht zur Abmahnung verpflichtet ist, so ist er dazu jedoch trotzdem berechtigt. Eine Abmahnung ist auch in diesen Fällen zulässig und kann wirksam erteilt werden. Dies geschieht häufig, wenn der Arbeitgeber zwar auf das Fehlverhalten reagieren, den Arbeitnehmer an und für sich gerne im Betrieb weiterbeschäftigen möchte.
Wird der Arbeitnehmer aufgrund einer Pflichtverletzung abgemahnt, obwohl er keinem Kündigungsschutz unterliegt und daher ohne weiteres gekündigt werden könnte, so liegt in der Abmahnung allerdings der Verzicht des Arbeitgebers bezüglich einer Kündigung aus demselben Grund. Das bedeutet, dass es sich der Arbeitnehmer später nicht mehr anders entscheiden kann. Einmal wirksam ausgesprochen, "verbraucht" eine Abmahnung das Kündigungsrecht des Arbeitgebers bezüglich des konkreten Vorfalls endgültig (BAG 10.11.1988 - 2 AZR 215/88 - AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr.3; Appel in: Arbeitsrecht - Handbuch für die Praxis, § 78, Rn.22.).

Beispiel
Arbeitgeber G hat zwei Angestellte. Einer von ihnen, N, erscheint am 18.4. unentschuldigt nicht bei der Arbeit. G weiß zwar, dass er N kündigen könnte, jedoch schätzt er ihn persönlich und möchte ihn gerne weiterbeschäftigen. Deshalb ruft er N am folgenden Tag zu sich und spricht eine wirksame Abmahnung wegen des Vorfalls aus. Zwar verhält sich N seitdem tadellos, G kommen einige Tage später jedoch Zweifel. Bei genauerer Überlegung möchte er N nun doch lieber wegen des unentschuldigten Fehlens kündigen. Kann G wegen des Vorfalls am 18.4. nun noch eine Kündigung gegenüber N aussprechen?

  • G kann N nicht mehr wegen der unentschuldigten Verspätung kündigen. Selbst wenn ursprünglich eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung möglich gewesen wäre, so verfällt diese Möglichkeit, wenn der entsprechende Pflichtverstoß abgemahnt wird. Durch die Abmahnung erklärte G konkludent, dies sei das (einzige) arbeitsrechtliche Mittel, welches er wegen der Verspätung ergreift. N hatte ein schutzwürdiges Vertrauen darin, dass keine weiteren Maßnahmen - insbesondere keine Kündigung - mehr folgen werden. G hat durch die Abmahnung endgültig auf die Kündigung wegen dieses konkreten Vorfalls verzichtet.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

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  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

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Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

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  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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