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Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 18 – Folgen einer wirksamen Abmahnung

5 Folgen einer wirksamen Abmahnung

5.1 Wirkungsdauer der Abmahnung

Eine wirksam ausgesprochene Abmahnung wirkt nicht ewig fort. Viel eher kann sie durch Zeitablauf und zwischenzeitlicher Vertragstreue des Arbeitgebers kündigungsrechtlich wirkungslos werden. Die Folge ist, dass sich der Arbeitgeber bei einer Kündigung nicht mehr auf die bereits wirkungslos gewordene Abmahnung berufen kann (Appel in: Arbeitsrecht - Handbuch für die Praxis, § 78, Rn.18; Kleinebrink, Abmahnung, Rn.489.).
Nach welcher Zeit eine Abmahnung ihre kündigungsrechtliche Wirksamkeit verliert, ist nicht festgelegt. In der Praxis haben sich einige Richtwerte herausgebildet, wonach bei leichten Vertragswidrigkeiten zwei Jahre (LAG Hamm 14.05.1986 - 2 Sa 320/86 = NZA 1987, 26; Appel in: Arbeitsrecht - Handbuch für die Praxis, § 78, Rn.19.), bei schweren Verstößen teilweise hingegen sogar drei Jahre angenommen werden (Brill in: NZA 1985, 109 (110).). Hierbei handelt es sich jedoch ausdrücklich nur um unverbindliche Richtlinien. Wie lange eine Abmahnung wirksam bleibt ist laut BAG gerade nicht anhand einer festen Frist zu bestimmen, sondern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, wobei es maßgeblich auf die Schwere der Verletzung ankommt (BAG 18.11.1986 - 7 AZR 674/84 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.17; BAG 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 = NJOZ 2003, 3169 (3173).). Jedoch können auch Faktoren wie das Verhalten des Arbeitnehmers nach der Abmahnung, weitere durch den Arbeitgeber nicht mehr beanstandete Verstöße des Arbeitnehmers oder anderer Mitarbeiter (Schaub in: NZA 1997, 1185 (1188).) oder der Grad der Vertrauensbindung eine Rolle spielen (vgl. näher dazu Beckerle, Die Abmahnung, S.147 ff.).

Beispiel
Im Jahr 2000 erscheint Arbeitnehmer N unberechtigt zu spät zur Arbeit. Sein Arbeitgeber G spricht deshalb ihm gegenüber eine wirksame Abmahnung aus. In den folgenden Jahren ist N stets pünktlich. Im Jahr 2015 kommt er erneut unentschuldigt zu spät. G fragt sich, ob die Abmahnung aus dem Jahr 2000 noch wirksam ist, sodass er N nun kündigen kann.

  • Die Abmahnung entfaltet keine kündigungsrechtliche Wirksamkeit mehr. Zwar ist die Dauer der Wirksamkeit nicht an feste Fristen geknüpft, sondern vom Einzelfall abhängig, jedoch sprechen hier die überzeugenderen Argumente dafür, dass ihre Wirksamkeit bereits erloschen ist. Die Abmahnung wurde vor 15 Jahren ausgesprochen; zudem hat sich N seitdem keinen weiteren Pflichtverstoß zu Schulden kommen lassen. Dadurch, dass es sich außerdem nur um eine vergleichsweise geringe Pflichtverletzung handelt, ist hier anzunehmen, dass die Abmahnung von 2000 durch Zeitablauf und die zwischenzeitliche Vertragstreue des N ihre Wirksamkeit verloren hat.

Beispiel
Im Juni 2010 beleidigt Arbeitnehmer N einige seiner Kollegen auf das Gröbste. Auf diesen erheblichen Pflichtverstoß reagiert sein Arbeitgeber G mit einer wirksamen Abmahnung. Zunächst verhält sich N in der Folgezeit tadellos. Anfang 2014 jedoch kommt es erneut zu einem vergleichbaren Pflichtverstoß, als er wieder einem Kollegen gegenüber ausfällig wird. G möchte N nun kündigen und fragt sich, ob er sich dabei noch auf die Abmahnung aus dem Juni 2010 berufen kann. (Hinweis: hier wäre möglicherweise sogar zu erwägen, ob eine Abmahnung komplett entbehrlich sein könnte; diese Möglichkeit wird für das Beispiel jedoch außer Betracht gelassen).

  • Die Abmahnung entfaltet noch kündigungsrechtliche Wirkung. Für die Wirkungsdauer gibt es keine starren Fristen. Stattdessen sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Vorliegend handelt es sich um einen schweren Pflichtverstoß. Die Tatsache, dass die Abmahnung vor 3,5 Jahren ausgesprochen wurde, führt nicht zwingend dazu, dass sie unwirksam wird. Entscheiden ist, dass der Arbeitnehmer sich immer noch im Klaren darüber ist, dass ein weiterer Verstoß arbeitsrechtliche Konsequenzen haben wird. Im vorliegenden Fall kann dies bei einem so schweren Pflichtverstoß auch nach 3,5 Jahren noch angenommen werden. (Vergleiche hierzu auch: BAG 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 = NJZ 2003, 3169 (3173).)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
  • Minijobs rechtssicher gestalten

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