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Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 19 – Auswechseln des Abmahnungsgrundes, Aufnahme in die manuelle, elektronische Personalakte und Datenschutz

5.2 Auswechseln des Abmahnungsgrundes

Es kann vorkommen, dass sich der Arbeitgeber bei der Erteilung einer Abmahnung zunächst darüber irrt, welche Pflichtverletzung tatsächlich gegeben ist. In diesem Fall muss er die bereits erteilte Abmahnung zurücknehmen und eine neue Abmahnung auf Grund der wirklichen Pflichtverletzung erteilen. Dies kann er unter dem ursprünglichen Datum tun, denn zu diesem Zeitpunkt hat sich die Pflichtverletzung schließlich ereignet (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.497 ff.).

Beispiel
Arbeitnehmer N erscheint zwei Tage in Folge, nämlich am 04. und 05.06.2009 unentschuldigt nicht zur Arbeit. Sein Arbeitgeber G erteilt N daraufhin eine Abmahnung wegen unberechtigten Fehlens. Tatsächlich fehlt N jedoch berechtigt, da er krank ist. Er hat sich jedoch nicht bei G krankgemeldet, sondern reicht die Krankmeldung erst einige Zeit später ein, worin ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht des Arbeitnehmers liegt. G fragt sich nun, ob die Abmahnung wirksam ist und, wenn dies nicht der Fall ist, was er zu tun hat.

  • Die Abmahnung ist unwirksam; G sollte eine neue Abmahnung auf der Grundlage des tatsächlichen Verstoßes, nämlich der Verletzung der Anzeigepflicht erlassen. In seiner bisherigen Abmahnung hat G den Pflichtverstoß "unberechtigtes Fehlen" gerügt. Diesen hat N jedoch tatsächlich nicht begangen, da er berechtigterweise (wegen Krankheit) gefehlt hat. Da eine Abmahnung jedoch nur dann wirksam ist, wenn der in ihr genannte Pflichtverstoß wirklich gegeben ist, ist die Abmahnung vorliegend unwirksam. N hat hingegen einen anderen Pflichtverstoß begangen, nämlich den Verstoß gegen die Anzeigepflicht. Diesen kann und sollte G nun in einer neuen Abmahnung aufgreifen. Diese Abmahnung kann das gleiche Datum tragen wie die erste, unwirksame Abmahnung.

In einem Rechtsstreit, der die Abmahnung oder eine auf ihr basierende Kündigung betrifft, ist dieses Auswechseln des Abmahnungsgrundes jedoch nicht mehr möglich (Linck in: Schaub ArbR-Hdb., § 132, Rn.41.). Stellt sich also während des Prozesses heraus, dass die Abmahnungsgründe unzutreffend sind, so kann der Arbeitgeber keinen anderen Abmahnungsgrund "nachschieben" (Pauly in: NZA 1995, 449 (453); Schaub in: NJW 1990, 872 (874); Linck in: Schaub ArbR-Hdb., § 132, Rn.41). Die Abmahnung ist unwirksam, was in den meisten Fällen auch die Unwirksamkeit der streitigen Kündigung bedeutet.
Es ist daher dringend zu empfehlen, bei Kenntniserlangung darüber, dass in Wirklichkeit ein anderer Abmahnungsgrund als ursprünglich gedacht vorliegt, umgehend eine neue Abmahnung ergehen zu lassen.

5.3 Aufnahme in die manuelle/elektronische Personalakte und Datenschutz

Üblicherweise wird eine Abmahnung in die Personalakte aufgenommen (vgl. Reichold in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 87, Rn.4.). Da der Arbeitgeber nicht einmal verpflichtet ist, überhaupt eine solche Personalakte anzulegen (Reichold in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 87, Rn.3.), obliegt die Entscheidung, in welcher Form es dies tut alleine ihm (Reichold in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 87, Rn.7; Kleinebrink, Abmahnung, Rn.113 f.).
Es besteht einerseits die Möglichkeit, die Personalakte manuell zu führen. Diese Art der Personalaktenführung fällt - zumindest in der Privatwirtschaft - nicht in den Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), wenn sie die übliche Ordnungsstruktur (chronologisch, alphabethisch o.ä.) aufweist (BAG 06.06.1984 - 5 AZR 286/81 = AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr.7.) Daher ergeben sich aus der Aufnahme einer Abmahnung in eine manuell geführte Personalakte regelmäßig keine Probleme hinsichtlich des Datenschutzes.
Andererseits besteht heute die Möglichkeit, die Personalakte mit Hilfe von elektronischen Personalinformationssystemen zu führen ("elektronische Personalakte"). Auch in diesem Fall benötigt der Arbeitgeber zur Speicherung der Abmahnung nicht die Einwilligung des Arbeitnehmers, denn die Speicherung erfolgt noch im Rahmen der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses, § 28 Abs.1 S.1 Nr.1 BDSG (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.122 f.). Jedoch muss bei Führung einer elektronischen Personalakte der Arbeitnehmer vor der erstmaligen Speicherung gem. § 33 Abs.1 S.1 BDSG benachrichtigt werden, wobei er sowohl von der bloßen Tatsache der Speicherung, als auch deren Art und Inhalt in Kenntnis gesetzt werden muss.

Beispiel
Arbeitgeber G hat gegenüber Arbeitnehmer N eine wirksame Abmahnung ausgesprochen. Er möchte diese nun auch der elektronisch geführten Personalakte beifügen und fragt sich, ob und wie er N davon in benachrichtigen muss.

  • G muss N vor der erstmaligen Speicherung der Abmahnung benachrichtigen (§ 33 Abs.1 S.1 BDSG). Es ist dazu beispielsweise in der Regel ausreichend, die schriftliche Abmahnung mit einem entsprechenden Zusatz zu versehen: "Diese Abmahnung wird vollständig und vollinhaltlich in Ihrer elektronischen Personalakte gespeichert"

Zur Aufbewahrung in der Personalakte ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht verpflichtet. Eine Aufbewahrungspflicht besteht hingegen wegen des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers, wenn dieser die Aufbewahrung nach § 83 Abs.2 BetrVG gefordert hat, sowie wenn es sich um eine noch laufende Angelegenheit handelt (Reichold in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 87, Rn.16; Kleinebrink, Abmahnung, Rn.115 ff.).
Der Arbeitnehmer kann eine von ihm ausgesprochene Abmahnung zudem auch jederzeit wieder aus der Personalakte entfernen und sie dadurch zurücknehmen, es sei denn, dem stehen ausnahmsweise Interessen des Arbeitnehmers entgegen (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.112.).
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, die Personalakte aufzubewahren, da es an einem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers daran regelmäßig fehlt (Reichold in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 87, Rn.16; Kleinebrink, Abmahnung, Rn.516 f.). Allerdings empfiehlt es sich, erteilte Abmahnungen zumindest solange aufzubewahren, wie der Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis bzw. ggf. dessen Berichtigung verlangen kann, da sie hierbei für die Beurteilung von Leistung und Führung relevant sein können (siehe dazu näher: Unterpunkt 6.8.).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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