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Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage – Teil 21 – Anzeigepflicht des Arbeitgebers, Gegenstand des Kündigungsschutzes, Folgen der Verletzung des Kündigungsverbots, Kündigungsfrist, Zustimmung durch das Integrationsamt

7.2 Anzeigepflicht des Arbeitgebers

Der Sonderkündigungsschutz des § 85 SGB IX gilt nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis noch nicht länger als sechs Monate besteht. Um dem zuständigen Integrationsamt jedoch die Möglichkeit zu geben, sich vorzubereiten, besteht nach § 90 III SGB III eine Anzeigepflicht des Arbeitgebers.
Der Arbeitgeber hat danach Einstellungen von Schwerbehinderten auf Probe sowie die Beendigungen vor Vollendung der sechs Monate innerhalb von vier Tagen dem Integrationsamt anzuzeigen.
Eine Verletzung dieser Anzeigepflicht kann Schadensersatzansprüche des schwerbehinderten Arbeitsnehmers nach sich ziehen.[1]

7.3 Gegenstand des Kündigungsschutzes

Der Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX gilt grundsätzlich für arbeitgeberseitige Kündigungen. Dies umfasst sowohl die ordentliche, als auch die außerordentliche Kündigung.[2] Die dafür geltende Schriftform ist erneut erforderlich. Ob es sich bei der Kündigung um eine Beendigungs- oder Änderungskündigung handelt ist unerheblich.[3]
Andere Beendigungstatbestände als eine Kündigung durch den Arbeitgeber werden nur innerhalb des erweiterten Bestandsschutzes von § 92 SGB IX erfasst.[4]
Nach dem Zugang der Kündigung kann der Arbeitnehmer wirksam auf den Kündigungsschutz verzichten.[5] Dabei ist grundsätzlich keine Schriftform notwendig.[6]

7.4 Folgen der Verletzung des Kündigungsverbots

Erklärt der Arbeitgeber eine Kündigung ohne die Zustimmung des Integrationsamts vorher einzuholen, ist diese unwirksam.[7] Die Wirksamkeit wird auch nicht hergestellt, sollte das Integrationsamt der Kündigung nachträglich zustimmen.
Die Kündigung kann jedoch mit dem Ablauf der Klagefrist nach § 7 KSchG wirksam werden. Allerdings dürfte der Arbeitgeber dann keinerlei Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung zum Zeitpunkt der Kündigung gehabten haben und diese weiter auch nicht innerhalb von drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung erhalten haben.[8]

7.5 Kündigungsfrist

Nach § 86 SGB IX beträgt die Kündigungsfrist mindestens vier Wochen. Dies betrifft jedoch nur arbeitgeberseitige Kündigungen und einen mindestens sechs Monate bestehendes Arbeitsverhältnis.[9]

7.6 Zustimmung durch das Integrationsamt

Benötigt der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes hat er einen Antrag beim zuständigen Integrationsamt zu stellen, vgl. § 87 SGB IX. Dies muss der Arbeitgeber vor der Kündigungserklärung tun.

7.6.1 Antrag

Der Antrag ist bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt zu stellen. Der Antrag ist schriftlich und mit der persönlichen Unterschrift des Arbeitgebers oder seines Vertreters zu stellen.[10]
Der Antrag hat zudem den Namen des Arbeitnehmers, die Art der Kündigung oder den Zeitpunkt zu dem gekündet werden soll zu enthalten.[11]
Innerhalb des Antragsverfahren holt das Integrationsamt die Stellungnahme des Betriebs- oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört die betroffene, schwerbehinderte Person an, vgl. § 87 II SGB IX. Dadurch soll eine gütliche Einigung gefördert werden.

7.6.2 Entscheidung des Integrationsamtes

Das Integrationsamt hat in der Regel innerhalb eines Monats zu entscheiden. Dann folgt eine schriftliche Entscheidung die sowohl dem Arbeitgeber als auch dem betroffenen Arbeitnehmer zugestellt wird, vgl. § 88 II SGB IX.
Stimmt das Integrationsamt der Kündigung zu, darf der Arbeitgeber innerhalb eines Monats die Kündigung aussprechen. Dabei muss die Kündigung innerhalb dieses Monats dem schwerbehinderten Arbeitnehmer zugehen.[12]


[1] Vgl. BAG 21.3.1980, AP SchwbG § 17 Nr. 1.

[2] Ascheid/Preis/Schmidt/Vossen, § 85 SGB IX, Rn. 19.

[3] Ascheid/Preis/Schmidt/Vossen, § 85 SGB IX, Rn. 19.

[4] Gallner/Mestwerdt/Nägele/Fiebig/Osnabrügge, § 85-92 SGB IX, Rn. 20.

[5] Vgl. BAG 11.3.1999, NZA 1999, 761.

[6] BAG 23.11.2006, NZA 2007, 466.

[7] BAG 16.3.1994, NZA 1994, 879; BAG 22.10.2015, NZA 2016, 473.

[8] BAG 12.3.2008, NZA 2008, 1055.

[9] ErfK/Rolfs, § 86 SGB IX, Rn. 1.

[10] ErfK/Rolfs, § 87 SGB IX, Rn. 2.

[11] ErfK/Rolfs, § 87 SGB IX, Rn. 3.

[12] ErfK/Rolfs, § 88 SGB IX, Rn. 3.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Paulina Zoe Linke, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-76-2.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

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  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

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