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Umwandlungssteuerrecht – Teil 23 – Steuerliche Folgen für die übertragende Körperschaft


Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


6.2 Steuerliche Folgen für die übertragende Körperschaft, § 11 UmwStG

Die Folgen für die Körperschaft sind

  • die Erstellung einer Übertragungsbilanz
  • der Ansatz des gemeinen Wertes und
  • die Ermittlung und Besteuerung des Übertragungsgewinns.

6.2.1 Pflicht zur Erstellung einer steuerlichen Übertragungsbilanz

Für die übertragende Körperschaft ist auf den steuerlichen Übertragungsstichtag eine steuerliche Übertragungsbilanz aufzustellen. Steuerlicher Übertragungsstichtag ist der Stichtag der (Handels-)Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Der steuerliche Übertragungsstichtag darf nicht mit dem handelsrechtlichen Umwandlungsstichtag verwechselt werden.

Umwandlungsstichtag ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG der Tag, von dem an die Handlungen der übertragenden Körperschaft als für Rechnung der übernehmenden Körperschaft vorgenommen gelten. Es ist der dem steuerlichen Übertragungsstichtag folgende Tag oder mit anderen Worten: Der steuerliche Übertragungsstichtag geht dem Umwandlungsstichtag voran.

Weil mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags die Steuerpflicht der übertragenden Körperschaft endet, endet in diesem Moment auch ihr letztes Wirtschaftsjahr. Umfasst der Zeitraum von dem letzten Bilanzstichtag bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag weniger als zwölf Monate, liegt ein Rumpfwirtschaftsjahr vor (§ 8b Satz 2 Nr. 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung).

Die Pflicht zur Aufstellung einer eigenständigen steuerlichen Übertragungsbilanz nach den Regelungen des § 11 UmwStG besteht in allen Fällen, in denen die Bilanz für die inländische Besteuerung von Bedeutung ist. Das gilt unabhängig davon, ob die übertragende Körperschaft im Inland steuerpflichtig oder ob sie im Inland zur Führung von Büchern verpflichtet ist.

Die steuerliche Übertragungsbilanz ist für die inländische Besteuerung von Bedeutung, wenn

  • die übertragende Körperschaft im Inland unbeschränkt oder beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist oder
  • bei fehlender persönlicher Steuerpflicht der Übertragerin oder
  • die übernehmende Körperschaft unbeschränkt oder beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. In diesem Fall wirkt sich der Wertansatz in der steuerlichen Übertragungsbilanz auf den für die übernehmende Körperschaft zu ermittelnden Übernahmegewinn (§ 12 Abs. 1 und 2 UmwStG) aus.

Die steuerliche Übertragungsbilanz ist nach deutschen steuerlichen Bilanzierungsgrundsätzen aufzustellen. Das gilt auch in den Fällen, in denen eine ausländische Körperschaft auf eine andere ausländische Körperschaft verschmilzt, wenn die Übertragungsbilanz für inländische Besteuerungszwecke benötigt wird. Für die (inländische) steuerliche Übertragungsbilanz besteht weder eine Bindung an Wertansätze in der Handelsbilanz noch an ausländische Bilanzierungsvorschriften.

Für die auf den Schluss dieses Wirtschaftsjahres aufzustellende Schlussbilanz (= steuerliche Übertragungsbilanz) ist der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz aufgehoben. § 11 UmwStG enthält eigenständige, vom Handelsrecht abweichende Ansatz- und Bewertungsregelungen. Während in der handelsrechtlichen Übertragungsbilanz nach § 17 Abs. 2 Satz 2 UmwG - den (allgemeinen) Vorschriften über die Jahresbilanz entsprechend - die Wirtschaftsgüter mit den (fortgeführten) Buchwerten anzusetzen sind, sind sie gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG in der steuerlichen Übertragungsbilanz (= Schlussbilanz auf den steuerlichen Übertragungsstichtag) grundsätzlich mit dem gemeinen Wert auszuweisen.

6.2.2 Gemeiner Wert als grundsätzlicher Bewertungsmaßstab

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG sind die übergehenden Wirtschaftsgüter, einschließlich nicht entgeltlich erworbener oder selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter, in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Der gemeine Wert wird gem. § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis bestimmt, der für das Wirtschaftsgut nach seiner Beschaffenheit im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die den Preis beeinflussen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bleiben unberücksichtigt. Diese Definition bezieht sich auf das einzelne Wirtschaftsgut und beinhaltet auch einen Gewinnaufschlag des Verkäufers, soweit der Marktpreis das hergibt.

Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG auch für einen nicht entgeltlich erworbenen (originären) Firmenwert gelten. Für einen Firmenwert gibt es jedoch keinen Einzelveräußerungspreis. Ein Firmenwert kann in Anlehnung an § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB nur aus einem Gesamtwert für das Unternehmen abgeleitet werden. Dafür sind eine Unternehmensbewertung durchzuführen und der gemeine Wert für das übergehende Betriebsvermögen im Ganzen zu ermitteln. Nach der Ertragswertmethode wird dabei der aufgrund einer Prognose festgestellte künftig erzielbare Ertrag mittels eines Kapitalisierungszinssatzes auf den Bewertungsstichtag abgezinst, wobei der Zinssatz sich nach einer Vergleichskapitalanlage bestimmt. Die Methode geht also davon aus, dass ein potentieller Käufer den Kaufpreis danach bemessen würde, wie viel Kapital er anderweitig anlegen müsste, um denselben Ertrag zu erwirtschaften.[1]

Der Geschäftswert ermittelt sich nun als Unterschiedsbetrag zwischen dem Gesamtwert des übergehenden Betriebes einerseits und dem Saldo aus Aktiva (zu gemeinen Werten) und Passiva andererseits („Residualgröße„).

Soweit sich aus § 11 UmwStG nichts anderes ergibt, gelten für die steuerliche Übertragungsbilanz die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 und 5 EStG. Das bedeutet, dass u.a. die in § 5 EStG beschriebenen Passivierungsverbote (z.B. für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (Drohverlustrückstellungen) oder für Jubiläumszuwendungen, die nicht schriftlich zugesagt wurden) zu beachten sind.

Pensionsrückstellungen sind gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 UmwStG - abweichend vom Grundsatz der Bewertung mit dem gemeinen Wert - nach § 6a EStG zu bewerten. Dabei ist nach Maßgabe der Regelungen in § 6a Abs. 3 EStG der Teilwert zu ermitteln. Dieser wird - insbesondere durch die Vorgabe des Diskontierungssatzes und die fehlende Berücksichtigung von zu erwartenden Gehaltssteigerungen - regelmäßig zu niedrig sein. Somit kommt es zur Entstehung von stillen Lasten. Diese stillen Lasten werden sich bei der Unternehmensbewertung mindernd auf den Firmenwert auswirken.

Steuerfreie Rücklagen (z. B. nach § 6b EStG oder Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 Abs. 4 EStR) sind nicht (zwingend) gewinnerhöhend aufzulösen, sondern können mit dem - nach Maßgabe der jeweiligen Regelungsgrundlage - ermittelten Betrag in der steuerlichen Übertragungsbilanz angesetzt werden. Es handelt sich zwar nicht um übergehende Wirtschaftsgüter, sondern um (bisher) unversteuerten Gewinn.

Gemäß § 12 Abs. 3 UmwStG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG tritt die übernehmende Rechtsträgerin auch bezüglich der den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklagen in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft. Wenn die Übernehmerin die steuerfreien Rücklagen übernimmt und fortführt, müssen sie in der steuerlichen Übertragungsbilanz der Übertragerin angesetzt werden können. Bei Ansatz des gemeinen Werts liegt unter dem Gesichtspunkt der Gesamtrechtsnachfolge bei der Übernehmerin keine Anschaffung und bei der Übertragerin keine Veräußerung vor.


[1] BVerfG vom 7. 11. 2006 1 BvL 10/02, BStBl 2007 II 192

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Umwandlungssteuerrecht“ von Carola Ritterbach, Fachanwältin für Bank-und Kapitalmarktrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt, Wirtschaftsjurist LL.M. und Steuerberateranwärter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-73-1.



Herausgeber / Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
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LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

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Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät in allen Fragen rund um berufsrechtliches Verhalten und berufsrechtliche Ahndungen, hierbei liegt ein Fokus im Bereich der Anstellung von Freiberuflerin in Kanzleien, Sozien oder als Syndici.

Ein weiterer Interessenschwerpunkt von Rechtsanwältin Dibbelt ist das Insolvenzarbeitsrecht. Hierbei berät Frau Dibbelt die Mandanten hinsichtlich der Fragen, ob ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und unterstützt bei der Antragstellung. Ein weiterer Fokus ist die Beendigung von Arbeits- und Anstellungsverträgen im Rahmen der Krise, des vorläufigen Insolvenzverfahrens sowie des eröffneten Insolvenzverfahrens. Sie berät und begleitet Mandanten, die im Rahmen von Verhandlung  des Insolvenzverwalters von ggf. erforderlichen Kollektivvereinbarungen (Interessenausgleich, Insolvenzsozialplan, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen etc.) oder auch im Rahmen von Betriebsübergängen betroffen sind.

Rechtsanwältin Dibbelt ist Dozentin für AGB-Recht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Sie bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema

  • Arbeitsrechtliche und Berufsrechtliche Pflichten bei Anstellungsverhältnissen von Freiberuflern
  • Lohnansprüche in der Krise und Insolvenz
  • Rechte und Ansprüche des Arbeitnehmers in der Insolvenz
  • Bedeutung Betriebsübergang und –änderungen in der Insolvenz


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Normen: § 11 UmwStG

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