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Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 24 – Fehlerhafte Abmahnung als Abmahnung, betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung, bedingte Abmahnung, Abmahnung bei Betriebsübergang

6.1.3 Fehlerhafte Abmahnung als Abmahnung

Auch wenn eine Abmahnung fehlerhaft war, kann sie trotzdem noch dazu geeignet sein, eine Kündigung vorzubereiten. Das liegt daran, dass gewisse Fehler nicht dazu führen, dass die Abmahnung ihre Warnfunktion einbüßt. Dafür kommt es nämlich nur auf die sachliche Berechtigung der Abmahnung (also das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtverletzung), sowie darauf an, dass der Arbeitnehmer erkennt, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so ist der Arbeitnehmer hinreichend gewarnt - auch wenn die Abmahnung anderweitig fehlerhaft ist (BAG 15.03.2001 - 2 AZR 147/00; BAG 21.05.1992 - 2 AZR 551/91 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.28 = NZA 1992, 1028.). Wird beispielsweise eine nach Tarifvertrag vorgesehene Anhörung vor Erteilung der Abmahnung unterlassen, so entfaltete die an sich fehlerhafte Abmahnung trotzdem noch eine uneingeschränkte Warnfunktion (BAG 19.02.2009 - 2 AZR 603/07 = AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr.46 = NJW 2009, 2909.).

6.1.4 Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung

Von der Abmahnung, mit der auf Pflichtverstöße des Arbeitnehmers reagiert und die Kündigung angedroht werden kann, muss die "betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung" unterschieden werden (vgl. Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1950 ff.). In der Rechtsprechung wird eine solche teilweise für notwendig gehalten, bevor gegen ein Betriebsratsmitglied ein Auflösungs- oder Amtsenthebungsverfahren gem. § 23 BetrVG eingeleitet wird (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1950; LAG Baden-Württemberg 13.03.2014 - 6 TaBV 5/13 = ArbuR 2014, 164.). Zudem soll seit Neuestem bei einem Verstoß des Betriebsrats als Gremium eine Abmahnung gegenüber dem ganzen Betriebsrat als solchen möglich sein (ArbG Solingen 18.02.2016 – 3 BV 15/15 = ArbRAktuell 2016, 200; Kleinebrink in: DB 2016, 1380 (1380)).
Inhaltlich soll eine solche betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung zunächst den Verstoß gegen die gesetzlichen Pflichten aus dem BetrVG bemängeln, sowie des Weiteren das gerichtliche Verfahren auf Ausschluss des Mitglieds aus dem Betriebsrat bzw. auf Auflösung des Betriebsrats angedroht werden (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1951.).
Der offensichtlichste Unterschied liegt bereits in dieser Zielsetzung: während die hier behandelte Abmahnung Pflichtverstöße aus dem Arbeitsvertrag rügt und die Kündigung vorbereitet, werden bei der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen Verstöße gegen das BetrVG bemängelt und ein Ausschluss-/Auflösungsverfahren vorbereitet.

6.1.5 Bedingte Abmahnung

Grundsätzlich kann keine Abmahnung wirksam ergehen, wenn die Pflichtverletzung nicht tatsächlich feststeht (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.450.). Dies führt dazu, dass dem Arbeitgeber in Situationen, in denen er lediglich vermutet, dass ein Arbeitnehmer seine Pflichten verletzt hat, keine Handlungsmöglichkeiten offenstehen.
Deshalb wird teilweise in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine "Abmahnung unter Vorbehalt" bzw. eine "bedingte Abmahnung" ergehen kann, wenn der Arbeitnehmer sich nicht sicher ist, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung vorliegt. Eine solche "bedingte Abmahnung" soll demnach eine Verdachtskündigung vorbereiten. Kommt es erneut dazu, dass der Verdacht einer Pflichtverletzung aufkommt, so soll eine Verdachtskündigung möglich sein. Die Pflichtverletzung, die mit der "bedingten Abmahnung" gerügt wird und deshalb auch zu beweisen ist, ist das "Hervorrufen des Verdachts" an sich (vgl. dazu weiterführend: Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1957.).

6.1.6 Abmahnung bei Betriebsübergang

Der neue Arbeitgeber kann sich bei einer Kündigung auf eine Abmahnung berufen, die nicht er, sondern ein früherer Arbeitgeber gegenüber dem fraglichen Arbeitnehmer ausgesprochen hat, wenn er den Betrieb bzw. Betriebsteil kraft Rechtsgeschäft durch Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge vom bisherigen Arbeitnehmer übernommen hat. Gem. § 613a Abs.1 BGB gehen bei einem solchen Betriebsübergang alle Rechte und Pflichten mit über. Darauf folgt, dass er Erwerber auch das Recht erhält, sich auf bereits ergangene arbeitsrechtliche Maßnahmen wie eine Abmahnung zu berufen. Gleiches gilt, wenn der Betrieb bzw. Betriebsteil kraft Gesetz im Rahmen einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung durch Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1958 f.).

Beispiel
Arbeitnehmer N kommt am 15.03.2001 unentschuldigt mit erheblicher Verspätung zur Arbeit, weshalb sein Arbeitgeber G ihm gegenüber eine wirksame Abmahnung ausspricht. Zum 01.04.2001 erwirbt E den gesamten Betrieb von G; es liegt ein Betriebsübergang gem. § 613a BGB vor. Am 15.04.2001 erscheint N erneut unentschuldigt einige Stunden zu spät zur Arbeit. E möchte dem N kündigen. Er findet in der Personalakte die Abmahnung, die G vor Betriebsübergang gegenüber N ausgesprochen hat und fragt sich, ob er sich auf diese berufen kann.

  • E kann sich bei der Kündigung auf die Abmahnung berufen, die G vor Betriebsübergang gegenüber N ausgesprochen hat. Das liegt daran, dass bei einem Betriebsübergang sämtliche Rechte und Pflichten übergehen; der Arbeitnehmer soll dem neuen Arbeitgeber genauso gegenüberstehen wie dem früheren. Daher muss N die Abmahnung gegen sich gelten lassen. E kann sich auf sie berufen.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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  • Abwicklungsverträge
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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

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Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

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