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Kartellrecht – Eine Einführung – Teil 24 – Zusammenschlusskontrolle


Herausgeber / Autor(-en):
Tilo Schindele
Rechtsanwalt

Constantin Raves
Rechtsanwalt


7 Zusammenschlusskontrolle

Als dritte Säule des europäischen und deutschen Kartellrechts, neben dem Kartellverbot und der Missbrauchsaufsicht, fungiert die Zusammenschlusskontrolle. Dabei handelt es sich um ein Rechtsinstrument, das den Prozess des Zusammenschlusses von Unternehmen zu einer neuen wirtschaftlichen Einheit unter Aufgabe ihrer ursprünglichen wettbewerblichen Selbstständigkeit, überwacht. Hierdurch soll verhindert werden, dass es durch Unternehmenszusammenschlüsse, zu Marktstrukturen kommt, durch die der Wettbewerb auf dem jeweiligen Markt erheblich geschwächt wird.

Die Zusammenschlusskontrolle untersucht allerdings nicht jedes Unternehmenswachstum. Im Fall des sog. internen Wachstums, d.h. wenn ein Unternehmen sich aus eigener Kraft heraus vergrößert und es dadurch eine marktbeherrschende Stellung erlangt, unterliegt dieses Unternehmen "nur" der Missbrauchsaufsicht.
Der gegensätzliche Fall ist der des sog. externen Wachstums. Dieser liegt vor, wenn sich mehrere, ursprünglich selbstständige Unternehmen zu einem Unternehmen zusammenschließen. Die Folge eines solchen Zusammenschlusses ist, dass es zu einer Bündelung von Wettbewerbskräften kommt, zumindest ein Unternehmen aus dem Wettbewerb ausscheidet und der Wettbewerbsdruck sinkt. Hier greift die Zusammenschlusskontrolle, um die, mit einem externen Wachstum einhergehenden Gefahren für den Wettbewerb zu kontrollieren. Diese äußern sich in Form einer Anmeldepflicht sowie eines Vollzugsverbots mit Erlaubnisvorbehalt.

7.1 Fusionskontrolle im europäischen Recht

Bei Zusammenschlüssen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung unterliegt die Fusionskontrolle ausschließlich der FKVO zur präventiven Marktstrukturkontrolle.

7.1.1 Zusammenschlussbegriff (Art. 3 FKVO)

Gem. Art. 3 FKVO greift die europäische Zusammenschlusskontrolle nur dann ein, wenn es sich um einen Zusammenschluss von Unternehmen handelt, der zu einer dauerhaften Veränderung der Kontrolle zwischen den beteiligten Unternehmen führt. Unterschieden wird hierbei zwischen zwei Erscheinungsformen des Zusammenschlusses, der Fusion und dem Kontrollerwerb (einschließlich seiner Sonderform: der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens).[1]

7.1.1.1 Fusion (Art. 3 Abs. 1 lit. a FKVO)

Von einer Fusion wird dann gesprochen, wenn zwei oder mehrere - bisher voneinander unabhängige Unternehmen - unter zumindest teilweiser Aufgabe ihrer ursprünglichen Rechtspersönlichkeit zu einem neuen Unternehmen verschmelzen.
Eine Verschmelzung kann entweder durch Aufnahme, d.h. durch Übertragung des Aktiv- und Passivvermögens auf ein anderes bestehendes Unternehmen oder durch Neugründung, d.h. durch Übertragung des Aktiv- und Passivvermögens auf ein neues Unternehmen, das zu diesem Zweck eigens gegründet wurde, erfolgen.[2]

7.1.1.2 Kontrollerwerb (Art. 3 Abs. 1 lit. b FKVO)

Unter Kontrolle ist gem. Art. 3 Abs. 2 FKVO die Möglichkeit zu verstehen, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben. Dieser Einfluss rechtfertigt es, bisher getrennt genutzte Ressourcen zu einer neuen unternehmerischen Einheit zusammenzufassen und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb zu untersuchen.[3]

7.1.1.2.1 Gegenstand des Kontrollerwerbs

Der Gegenstand des Kontrollerwerbs ist das unternehmerisch genutzte Vermögen. Dieses Vermögen kann entweder aus einem Unternehmen im Ganzen oder aus Unternehmensteilen bestehen. Unter Unternehmensteilen sind eine oder mehrere getrennte Rechtspersonen, wie z.B. Tochtergesellschaften oder Geschäftsbereiche des Veräußerers gemeint.

7.1.1.2.2 Mittel des Kontrollerwerbs

Als Mittel des Kontrollerwerbs kommt nach Art. 3 Abs. 2 FKVO vor allem der Erwerb von so vielen Anteilsrechten in Betracht, dass sie eine Ausübung von Kontrollrechten ermöglichen. Gleich ist der Fall zu bewerten, in denen Verträge abgeschlossen werden, die eine entsprechende Kontrolle ermöglichen.
Erlangt ein Unternehmen die Mehrheit der Stimmen, ist ein Kontrollerwerb zu bejahen. Im Gegensatz dazu reicht eine bloße Minderheitsbeteiligung für einen Kontrollerwerb im Sinne der europäischen Fusionskontrolle grundsätzlich nicht aus. Etwas Anderes gilt nur dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalls auch durch eine Minderheitsbeteiligung bereits die Möglichkeit zur Kontrolle über das Beteiligungsunternehmen besteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Minderheitsbeteiligung mit Veto- und Sperrechten verbunden ist, die soweit gehen, dass sie dem Erwerber eine negative Alleinkontrolle über das Beteiligungsunternehmen verschaffen oder wenn sich die restlichen Anteile in Streubesitz befinden, so dass die Minderheitsbeteiligung eine stabile Hauptversammlungsmehrheit verleiht. Als Beispiel für einen Kontrollerwerb durch Minderheitsbeteiligung ist die Beteiligung von Porsche an VW in Höhe von 35 % zu nennen, da Porsche infolgedessen über eine gesicherte und stabile Hauptversammlungsmehrheit verfügte.
Als Mittel des Kontrollerwerbs kommen zudem noch die Fälle in Betracht, wenn bei einem Gemeinschaftsunternehmen die eine Mutter die Beteiligung der anderen hinzuerwirbt und so die alleinige Kontrolle über das Beteiligungsunternehmen erlangt oder wenn von den gleichmäßig an einem Unternehmen Beteiligten einer ausscheidet, sodass die beiden verbleibenden Gesellschafter paritätisch beteiligt sind.

7.1.1.2.3 Nicht erfasste Zusammenschlusstatbestände (Art. 3 Abs. 5 FKVO)

Art. 3 Abs. 5 FKVO nennt drei Zusammenschlusstatbestände, die nicht als Zusammenschliss im Sinne der FKVO gelten. Praktische Bedeutung kommt hierbei vor allem dem Regelbeispiel des Art. 3 Abs. 5 lit. a FKVO zu. Dieser ermöglicht den Anteilserwerb durch Finanzinstitute und ist als sog. Bankenklausel bekannt. Der Ankauf von Wertpapieren, vor allem Aktien, wird danach unter engen Voraussetzungen von der Anwendung der FKVO freigestellt, sofern der Erwerb der Anteile nur vorübergehend zum Zweck der Veräußerung binnen eines Jahres erfolgt und aus den erworbenen Anteilen grundsätzlich nicht das Stimmrecht ausgeübt wird. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Erwerb von Wertpapieren oder Anteilen als anmeldepflichtiger Zusammenschluss anzusehen.[4]


[1] Emmerich, Kartellrecht, 13. Auflage 2014, § 15 Rn. 2.

[2] Emmerich, Kartellrecht, 13. Auflage 2014, § 15 Rn. 3.

[3] Körber, in: Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2012, Art. 3 FKVO, Rn. 37-42.

[4] Emmerich, Kartellrecht, 13. Auflage 2014, § 15 Rn. 10.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kartellrecht – Eine Einführung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Constantin Raves, Rechtsanwalt, und Alexander Fallenstein, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-77-9.



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Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Tilo Schindele ist Dozent für Kartellrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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Normen: Art. 3 Abs. 5 FKVO, Art. 3 Abs. 1 lit. b FKVO,Art. 3 Abs. 1 lit. a FKVO, Art. 3 FKVO

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