Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 25 – Vorsorgliche Abmahnung, Abmahnung und Korrekturvereinbarung
6.1.7 Vorsorgliche Abmahnung
In manchen Situationen kann der Arbeitnehmer nicht mit Sicherheit sagen, ob eine Pflichtverletzung vorliegt oder nicht. In wieder anderen Fällen ist eindeutig klar, dass ein Verstoß vorliegt, jedoch ist es dem Arbeitgeber nicht möglich festzustellen, welcher Verstoß genau vorliegt. Unter solchen Umständen ist es dem Arbeitgeber möglich, die Pflichtverletzung(en) "vorsorglich" abzumahnen.
Ist nicht klar, ob eine Pflichtverletzung gegeben ist, kann diese somit "vorsorglich" bemängelt werden. In den Fällen, in denen nicht klar ist, welche von mehreren in Betracht kommenden Verstößen vorliegt, muss jeder Verstoß in einer eigenen vorsorglichen Abmahnung gerügt werden. Je nachdem, welche Pflichtverletzung sich später als die "richtige" herausstellt, muss der Arbeitnehmer ja gerade diese für eine Kündigung zuvor abgemahnt haben (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1961.).
Beispiel
Arbeitnehmer N erscheint eines Tages nicht zur Arbeit. Sein Arbeitgeber G weiß nicht, warum und fragt sich, ob er eine Abmahnung erteilen kann.
- G könnte eine "vorsorgliche" Abmahnung erteilen. Momentan kann er nicht mit Sicherheit sagen, welche Pflichtverletzung vorliegt. Einerseits könnte N unberechtigt fehlen - in diesem Fall läge ein Verstoß gegen die Pflicht aus dem Arbeitsvertrag gem. § 611 BGB vor, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Andererseits könnte N berechtigt fehlen wegen Krankheit - dann hätte er jedoch die Anzeigepflicht eines krankheitsbedingten Fehlens gem. § 5 Abs.1 S.1 EFZG verstoßen, da er sich nicht bei G krankgemeldet hat. In jedem Fall liegt jedenfalls ein Pflichtverstoß vor - nur welcher der beiden ist momentan noch nicht klar. G kann N daher vorsorglich sowohl wegen unberechtigten Fehlens, als auch wegen Verstoß gegen die Anzeigepflicht abmahnen. Wirksamkeit erlangt dann die Abmahnung, die den tatsächlichen Verstoß rügt.
Beispiel
Arbeitnehmer N erscheint mehrfach alkoholisiert bei der Arbeit und konsumiert auch während der Arbeitszeiten erhebliche Mengen alkoholischer Getränke, obwohl sein Arbeitgeber G für den gesamten Betrieb ein striktes Alkoholverbot ausgesprochen hat. G fragt sich, ob er eine Abmahnung aussprechen muss bevor er N kündigen kann.
- G sollte gegenüber N eine Abmahnung aussprechen. Verstößt N bewusst und willentlich gegen das Alkoholverbot, so ist die verhaltensbedingte Kündigung einschlägig, welche grundsätzlich eine Abmahnung voraussetzt. Ist N jedoch krankhaft alkoholabhängig, so ist hingegen die personenbedingte Kündigung zu wählen. für welche eine Abmahnung jedoch mangels Erfolgsaussichten nicht notwendig ist. G kann aus jetziger Sicht nicht mit Sicherheit sagen, ob N krank ist oder nicht. Daher weiß G auch nicht, ob die verhaltens- oder personenbedingte Kündigung der richtige Weg sein wird, und somit auch nicht, ob eine Abmahnung notwendig ist. Gerade aus diesem Grund sollte G den N vorsorglich abmahnen, sodass er auf jeden Fall vorbereitet ist.
6.1.8 Abmahnung und Korrekturvereinbarung
Grundsätzlich ist es möglich, statt der einseitigen Abmahnung eine sogenannte "Korrekturvereinbarung" mit dem Arbeitnehmer abzuschließen. In der Praxis wird von dieser Möglichkeit jedoch äußerst selten Gebrauch gemacht.
Eine Korrekturvereinbarung kann getroffen werden, wenn der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten einsieht. Sie enthält zwar eine Abmahnung, jedoch erkennt der Arbeitnehmer in der Vereinbarung die Pflichtverletzung mit seiner Unterschrift an und verpflichtet sich zur zukünftigen Vertragstreue. Im Gegensatz zur einseitigen Abmahnung verpflichtet sich der Arbeitgeber im Gegenzug, die Vereinbarung nach Ablauf einer gewissen Zeit der Vertragstreue (z.B. 12 Monate) wieder aus der Personalakte zu entfernen. Dadurch kann die enthaltene Abmahnung auch nicht so lange für eine Kündigung herangezogen werden wie die einseitige Abmahnung (vgl. Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1967.).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.
Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017
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Herausgeber / Autor(-en):
Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem
- Aufhebungsverträge
- Abwicklungsverträge
- Kündigungen
- Kündigungsschutzansprüche
- Abfindungen
- Lohn- und Gehaltsansprüche
- Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
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und berät und vertritt Betriebsräte.
Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:
- Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:
- Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
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