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Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage – Teil 25 – Besonderer Kündigungsschutz bei Massenentlassungen

8.3 Gegenstand des Kündigungsschutzes

Der besondere Kündigungsschutz des PflegeZG umfasst die arbeitgeberseitige Kündigung.

8.3.1 Kündigung durch den Arbeitgeber

Insofern gilt das Kündigungsverbot für jegliche Kündigung durch den Arbeitgeber, unabhängig ihrer Art. Dies umfasst sowohl ordentliche, als auch außerordentliche, Beendigungs- oder Änderungskündigungen. Mithin sind die Kündigungsgründe unerheblich.(Fußnote) Dementsprechend ist jegliche Kündigung unheilbar nichtig.(Fußnote)

8.3.2 Zulassung der Kündigung

Allerdings kann eine Kündigung ausnahmsweise wie im MuSchG oder bei § 18 BEEG zulässig sein. Nach § 5 II 1 PflegeZG gilt das Kündigungsverbot nicht, wenn die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle die Kündigung ausnahmsweise für zulässig erklärt hat. Dazu bedarf es eines ordnungsgemäßen Antrags.(Fußnote)

8.4 Darlegungs- und Beweislast

Dass die Voraussetzungen für den besonderen Kündigungsschutz nach § 5 I PflegeZG vorliegen, muss der Beschäftigte beweisen. Insofern obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast.(Fußnote)
Im Gegensatz dazu muss der Arbeitgeber im Streitfall beweisen, dass die Kündigung ausnahmsweise für zulässig erklärt wurde.(Fußnote)

9 Besonderer Kündigungsschutz bei Massenentlassungen

Ein weiterer Sonderkündigungsschutz stellt § 17 KSchG dar. Demnach wird dem Arbeitnehmern Schutz durch eine Anzeigepflicht bei Massenentlassungen gewährt. Diese Regelung ist zwingend, weshalb ein Verzicht auf diesen besonderen Kündigungsschutz nicht möglich ist.(Fußnote)Der Schutz nach § 17 KSchG steht dabei neben dem allgemeinen Kündigungsschutz, als auch dem besonderen Kündigungsschutz aus zum Beispiel dem Mutterschutzgesetz.(Fußnote)

9.1 Voraussetzungen der Anzeigepflicht nach § 17 KSchG

9.1.1 Geltungsbereich

Der Anwendungsbereich der Anzeigepflicht nach § 17 KSchG erfasst grundsätzlich alle Arbeitnehmer i.S.d. § 1 KSchG.(Fußnote) Hierbei findet keine Unterscheidung nach Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit oder des Arbeitszeitvolumens statt.(Fußnote) Eine Mindestzugehörigkeit liegt folglich nicht vor. § 17 KSchG gilt ebenfalls für zur Berufsbildung Beschäftigte.(Fußnote)
§ 17 KSchG findet nur Anwendung bei Betrieben. Der Begriff des Betriebes richtet sich hierbei nach dem Betriebsverfassungsrecht.(Fußnote) Ein Betrieb ist somit die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern durch Einsatz technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen.(Fußnote)
Verschiedene Unternehmen können einen gemeinsamen Betrieb i.S.d. § 17 KSchG bilden.(Fußnote) Dies erfordert die Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke mit den Arbeitnehmern innerhalb einer organisatorischen Einheit und entsprechende rechtliche Verbindungen.(Fußnote)
Die Anzeigepflicht besteht mithin für Betriebsteile sofern sie selbstständig sind und für Nebenbetriebe mit einem Betriebsrat, der gem. § 17 II KSchG zu unterrichten ist.(Fußnote)
Die Anzeigepflicht nach § 17 KSchG besteht nur für Betriebe die regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen.(Fußnote)

9.1.2 Anzahl der beabsichtigten zu entlassenen Arbeitnehmer

Des Weiteren erfordert § 17 KSchG ein bestimmtes Verhältnis zur Gesamtbelegschaft des Betriebes. Nach § 17 I S. 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, wenn er

  • in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,
  • in Betrieben mit in der Regel mehr als 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert, der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
  • in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmerinnerhalb von 30 Kalendertagen entlässt.

9.1.3 Innerhalb von 30 Kalendertagen

Nach § 17 KSchG besteht ein bestimmter Entlassungszeitraum von 30 Kalendertagen. Die Frist beginnt am ersten Entlassungstag, somit zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung.(Fußnote) Im weiteren Verlauf werden alle Entlassungen innerhalb der folgenden 30 Tage zusammen gezählt. Maßgeblich ist dementsprechend die Anzahl der beabsichtigten Kündigungen.(Fußnote) Überschreitet der Arbeitgeber mit Kündigungen durch bereits zuvor getätigte Entlassungen die Staffelung des § 17 I KSchG, sind die bereits durchgeführten Entlassungen nachträglich anzuzeigen.(Fußnote)

Beispiel 1:
Arbeitgeber Krüger führt einen Betrieb für Fischkonserven mit regelmäßig 45 Arbeitnehmern. Am 10.01. kündigt K 2 seiner Arbeitnehmer, Fiebler und Rademacher.

  • Die Frist beginnt mit der Kündigungserklärung. Sie beginnt dementsprechend am 10.01. und läuft am 08.02. ab. Krüger muss in diesem Fall keine Anzeige erstatten, weil er nicht mehr als 5 Arbeitnehmer entlassen hat.

Beispiel 2:
Krüger kündigt am 25.01. auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage 4 weitere Arbeitnehmer.

  • Diese erneuten Entlassungen fallen in die Frist von 30-Kalendertagen. Die Entlassungen vom 10.01. und vom 25.01. sind zusammen zu rechnen. Damit hat Krüger die Mindestanzahl von § 17 I Nr. 1 KSchG erreicht. Alle Kündigungen innerhalb des 30-Kalendertage-Zeitraums sind folglich anzeigepflichtig. Die Kündigungen von Fiebler und Rademacher sind somit nachträglich anzuzeigen.

Beispiel 3:
Am 21.02. muss sich Krüger schweren Herzens erneut von 3 Arbeitnehmern trennen.

  • Die Entlassungen vom 21.02. liegen außerhalb der ursprünglichen 30-Kalendertage-Frist. Allerdings liegen sie innerhalb der 30-Kalendertage-Frist die mit den Entlassungen vom 25.01. begonnen hat. Die Kündigungen vom 25.01. und 21.02. sind erneut zusammen zu rechnen. Dadurch erreicht Krüger die gesetzlich vorgeschriebene Mindestanzahl von 6 Entlassungen. Die Kündigungen vom 21.02. sind erneut anzeigepflichtig.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Paulina Zoe Linke, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-76-2.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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