Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung – Teil 30 – Rechtsbehelfe gegen eine mündliche Abmahnung, Anhang - Die relevantesten Pflichtverstöße und ihr Abmahnungserfordernis
9.2 Rechtsbehelfe gegen eine mündliche Abmahnung
9.2.1 Außerprozessuale Rechtsbehelfe
9.2.1.1 Außerprozessuale Rechtsbehelfe des Arbeitnehmers
Ist dem Arbeitnehmer gegenüber eine mündliche Abmahnung ergangen, so hat er regelmäßig kein Recht auf Gegendarstellung gem. § 83 Abs.2 BetrVG, da die Abmahnung selbst auch nicht in die Personalakte gelangt. Jedoch kann der Arbeitnehmer sich auch wegen einer mündlichen Abmahnung nach seiner Wahl bei der zuständigen Stelle des Betriebs (siehe dazu näher: Unterpunkt 10.1.1.1.3.) oder dem Betriebsrat (siehe dazu näher: Unterpunkt 10.1.1.1.4.) beschweren (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.543 f.).
9.2.1.2 Außerprozessuale Rechtsbehelfe des Arbeitgebers
Außerprozessuale Rechtsbehelfe gegen eine Abmahnung durch den Arbeitnehmer bestehen für den Arbeitgeber nicht (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.549.). Es ist jedoch empfehlenswert, zumindest ein klärendes Gespräch zu suchen, um die Beweggründe des Arbeitnehmers zu verstehen und einer möglichen fristlosen Kündigung vorzubeugen.
9.2.2 Prozessuale Rechtsbehelfe
9.2.2.1 Prozessuale Rechtsbehelfe des Arbeitnehmers
Ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Widerruf oder Rücknahme einer lediglich mündlich erklärten Abmahnung existiert regelmäßig nicht. Ausnahmsweise kann dies der Fall sein, wenn die Abmahnung den Arbeitnehmer über das notwendige Maß hinaus in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn sie Beleidigungen enthält und Dritte von ihr Kenntnis erlangen (Schunck in: NZA 1993, 828 (831).).
9.2.2.2 Prozessuale Rechtsbehelfe des Arbeitgebers
In Übertragung der Grundsätze, die für den Arbeitnehmer gelten ist davon auszugehen, dass auch für den Arbeitgeber keine Möglichkeit besteht, gegen eine mündliche Abmahnung gerichtlich vorzugehen (Kleinebrink, Abmahnung, Rn.648).
10 Anhang: Die relevantesten Pflichtverstöße und ihr Abmahnungserfordernis
10.1 Abkehrwille
Lässt ein Arbeitnehmer verlauten, dass er plant, demnächst ein anderes Arbeitsverhältnis einzugehen oder sich selbstständig zu machen, oder trifft er entsprechende Vorkehrungen, so liegt darin an sich keine Pflichtverletzung (Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, § 22, Rn.621.). Dementsprechend können solche Äußerungen oder Pläne kein Grund für eine Abmahnung oder gar Kündigung sein. Allerdings darf es nicht zu unerlaubter Abwerbung anderer Mitarbeiter (siehe dazu näher: Unterpunkt 4.2.) oder Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot (siehe dazu näher: Unterpunkt 4.62.) kommen.
10.2 Abwerbegespräch/ Verstoß gegen das Abwerbeverbot
Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, seinen Arbeitgeber vor Schädigungen zu bewahren. Darunter fällt auch das Abwerben von Angestellten. Daher geht ein Arbeitnehmer, welcher versucht, andere Arbeitnehmer anzuwerben, einen Verstoß gegen seine Schutz- und Treuepflichten (Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, § 22, Rn.623.).
Von einem entsprechenden "Abwerbegespräch" spricht man, wenn ein Arbeitnehmer einen Kollegen im Rahmen eines Gesprächs dazu bringen will, das Unternehmen zu verlassen. Unerheblich ist, ob der Kollege dazu bewegt werden soll, im Anschluss bei dem handelnden Arbeitnehmer selbst, oder aber bei einem Dritten, Unbeteiligten, tätig zu werden (Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, § 22, Rn.623; vgl. Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1545.).
Es muss hierbei im Einzelfall unterschieden werden zwischen der erlaubten Vorbereitung einer geplanten Selbstständigkeit und unerlaubter Konkurrenz. Die bloße Mitteilung eines Arbeitnehmers gegenüber seinen Kollegen, dass er sich selbstständig machen will, ist beispielswiese noch kein "Abwerben" in diesem Sinne (Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, § 22, Rn.623.; vgl. Unterpunkt 4.1.).
Liegt hingegen tatsächlich ein Abwerbungsversuch vor, so ist im Zweifelsfall zunächst eine Abmahnung erforderlich, bevor dem Arbeitnehmer gekündigt werden kann (BAG 26.06.2008 - 2 AZR 190/07.). In besonders schwerwiegenden Fällen kann jedoch sogar eine außerordentliche (auch fristlose) Kündigung möglich sein, sodass eine Abmahnung entbehrlich ist. Indizien für einen entsprechend gravierenden Fall kann beispielsweise die besondere Vertrauensstellung des Abwerbenden oder dessen Handeln für Geld im Auftrag eines Konkurrenten sein (Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, § 22, Rn.623; BAG 26.06.2008 - 2 AZR 190/07.).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.
Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017
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Herausgeber / Autor(-en):
Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem
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- Abwicklungsverträge
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- Kündigungsschutzansprüche
- Abfindungen
- Lohn- und Gehaltsansprüche
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und berät und vertritt Betriebsräte.
Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:
- Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:
- Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
- Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
- Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
- Minijobs rechtssicher gestalten
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