Umweltstrafrecht für Geschäftsführer – Teil 35 – EU, Verwaltungsakzessorietät
Herausgeber / Autor(-en):
Harald Brennecke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Brennecke Rechtsanwälte
8.3.5 Unerlaubter Betrieb einer Anlage in einem anderen EU-Mitgliedsstaat
Nach § 327 Abs. 2 S. 2 StGB wird bestraft, wer unerlaubt eine Anlage, in der
- gefährliche Stoffe oder
- gefährliche Gemische gelagert oder verwendet werden oder
- gefährliche Tätigkeiten ausgeübt werden,
in einem anderen EU-Mitgliedsstaat in einer Weise betreibt, die geeignet ist, außerhalb der betreffenden Anlage Leib und Leben eines anderen Menschen zu schädigen oder erhebliche Schäden an Tieren oder Pflanzen, Gewässern, der Luft oder dem Boden herbeizuführen.
Nach § 327 Abs. 2 S. 2 StGB bedarf es für die Strafbarkeit neben dem unerlaubten Anlagebetrieb im EU-Ausland (Fußnote) die Eignung, eine abstrakte Gefahr zu verursachen (Fußnote). Die Gefährlichkeit der Stoffe oder Gemische ergibt sich aus § 3a ChemG und Art. 3 der Verordnung (Fußnote) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments, wo Stoffe und ihre spezielle Gefährlichkeit aufgelistet und dargelegt sind. Die gefährlichen Tätigkeiten müssen sich auf die oben genannten Rechtsgüter beziehen. Durch die Tätigkeit verursachte Gefahren für andere Rechtsgüter, scheiden aus dem Anwendungsbereich aus. Bei der Eignung zu erheblichen Schäden richtet sich die Erheblichkeit nach der Höhe und Menge der zu erwartenden Schäden (Fußnote).
Beispiel
Der Geschäftsführer G der GumChem-GmbH veranlasst die Umsiedelung der Produktionsstätte D in den osteuropäischen EU-Staat R, weil er in der Bundesrepublik mangels ausreichender Filtervorrichtung keine immissionschutzrechtliche Genehmigung erhalten hat und außerdem in Rumänien billiger produzieren kann. Die Produktionsstätte D enthält eine spezielle Abzugsanlage, die die umweltschädlichen und giftigen Dämpfe aus der Produktionsstätte in enormem Umfang in die Außenluft befördern kann. Nach der Umsiedelung produziert G aus giftigen Chemikalien fleißig Kunststoffe mit der Produktionsstätte D in R und befördert mittels der Abzugsanlage ungefiltert in enormen Mengen die für Mensch und Natur schädlichen Dämpfe in die Frischluft. Obwohl er wusste, dass es in R für den Betrieb der Anlage ebenfalls eine Genehmigungspflicht gibt, hat er sich keine eingeholt. Ebenso weiß G von den schädlichen Dämpfen und der unzureichenden Filterung. Ihm ist das aber egal, denn er vertraut auf die Nonchalance der dortigen Behörden und auf die notfalls erforderliche Macht des Bargeldes.
- G erfüllt vorliegend den Tatbestand des unerlaubten Betriebs einer Anlage in einem anderen EU-Mitgliedsstaats gemäß § 327 Abs. 2 S. 2 StGB strafbar. Als rechtliche Anlagebetreiberin traf zwar die GmbH die Genehmigungspflicht, mittels der Vorschrift über das Handeln für einen anderen des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird dieses Merkmal aber auf den G übergewälzt. G hat in R trotz der Pflicht keine Genehmigung eingeholt. Gleichwohl wird die Abzugsanlage ohne diese Gestattung betrieben. Dort werden giftige Chemikalien zu Kunststoffen verarbeitet und damit gefährliche Stoffe verwendet. Die Anlage wird aufgrund der Menge der austretenden Dämpfe und der unzureichenden Filterung so betrieben, dass der Betrieb der Produktionsstätte geeignet ist, außerhalb der Anlage Mensch und Natur zu schädigen. G handelte zudem vorsätzlich.
8.3.6 Verwaltungsakzessorietät in § 327 Abs. 2 StGB
Strafbar ist jedoch jede einzelne Tathandlung des § 327 Abs. 2 StGB erst, wenn sie unerlaubt, d.h. ohne die nach dem jeweiligen Gesetz (Fußnote) erforderliche Genehmigung, Planfeststellung oder entgegen einer auf dem jeweiligen Gesetz (Fußnote) beruhenden vollziehbaren Untersagung vorgenommen wird.
Nach der Rspr. handelt nach der Vorschrift des § 327 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 StGB über das Betreiben einer genehmigungspflichtigen Anlage ohne Genehmigung nicht strafbar, wer gegen eine erteilte Auflage beim Betrieb einer Altanlage verstößt, die nicht genehmigungspflichtig, sondern nur anzeigepflichtig war. Der Wortlaut der Vorschrift über das Betreiben einer genehmigungspflichtigen Anlage ohne Genehmigung des § 327 Abs. 2 S. 1 StGB schreibt eindeutig nur die Genehmigungsbedürftigkeit vor. Verstöße gegen die Anzeigepflicht können nur als Ordnungswidrigkeit geahndet werden und Anlass für eine behördliche Untersagungsverfügung bieten (Fußnote). Daneben ist nach der Rechtsprechung ein Anlagebetrieb unter wesentlicher Abweichung von der erteilten Genehmigung wie ein genehmigungsloses Handeln zu bewerten und demzufolge strafbar (Fußnote).
Rechtsgrundlage für eine vollziehbare Untersagung, gegen die im Rahmen der Vorschrift des § 327 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StGB über das unerlaubte Betreiben einer Abfallentsorgungsanlage nach dem KrWG verstoßen werden kann, ist die Vorschrift des § 39 Abs. 1 S. 2 KrWG über bestehende Abfallentsorgungsanlagen. Das Planfeststellungserfordernis für den Betrieb einer Abfalldeponie resultiert aus § 35 Abs. 2 KrWG (Fußnote).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Alexander Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-79-3.
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Stand: Januar 2017
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Harald Brennecke, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.
Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei
- Rechtsformwahl
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- Gesellschaftsgründungen:
z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung bei Notarterminen
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- Geschäftsführerverträgen
- Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.
Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:
- "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
- "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
- "Der Unternehmenskauf - Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
- "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
- "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
- "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
- "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
- "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
- "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
- "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
- "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0
Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:
- Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
- Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
- Die Unternehmergesellschaft (UG)
Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:
- Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
- Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
- Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
- Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
- Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
- Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
- Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
- Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
- Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
- Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters
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