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Arbeitsrechtliche Abmahnung – Teil 36 – Relevante Pflichtverstöße VI

10.32 Krankheit

Ist ein Arbeitnehmer erkrankt, so kann er diesen Zustand nicht ändern. Er begeht keine Pflichtverletzung. Es kommt stattdessen eine ordentliche personenbedingte Kündigung in Betracht, da der betreffende Umstand - die Krankheit - in der Person des Arbeitnehmers selbst begründet liegt. In seltenen Ausnahmefällen, nämlich wenn der Weg der ordentlichen Kündigung ausgeschlossen und eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit besteht, ist auch eine außerordentliche Kündigung möglich (Fußnote). In jedem Fall kann der Arbeitnehmer jedoch nichts an seiner Krankheit ändern. Eine Abmahnung wäre daher nicht erfolgversprechend. Aus diesem Grund ist eine Abmahnung vor der Kündigung jedenfalls entbehrlich (Fußnote).
In der neueren Rechtsprechung ist jedoch teilweise davon ausgegangen worden, dass eine Abmahnung jedenfalls dann doch erforderlich ist, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit durch ein steuerbares Verhalten beseitigen kann (Fußnote). Beispielswiese kann zwar eine psychische Erkrankung nicht gesteuert und geändert werden, jedoch kann der Betroffene seine Medikamente regelmäßig nehmen, um arbeitsfähig zu sein. Das Nehmen der Medikamente ist ein steuerbares Verhalten, sodass dessen Unterlassen nach dieser Rechtsprechung zunächst abgemahnt werden muss, bevor eine Kündigung ergehen kann. Diese hier von der Rechtsprechung seit neuestem vertretene Ansicht ist jedoch umstritten (Fußnote) und es bleibt abzuwarten, ob sich ein solches Abmahnungserfordernis tatsächlich durchsetzen wird.

10.33 Konkurrenztätigkeit

Auch ohne ausdrückliches vertragliches Verbot darf ein Arbeitnehmer im Geschäftszweig seines Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung keine Konkurrenztätigkeit zum Nachteil des Arbeitgebers aufnehmen (Fußnote). Bei Verstoß gegen diese Unterlassungspflicht ist vor einer Kündigung keine Abmahnung notwendig (Fußnote).

10.34 Kritik

Allgemeine Kritik durch den Arbeitnehmer am Arbeitgeber, dem Betrieb oder dem Arbeitsverhältnis ist - auch, wenn sie in der Öffentlichkeit geäußert und überspitzt dargestellt wird - von der Meinungsfreiheit geschützt und kann keine Pflichtverletzung darstellen. Daher kann darin auch kein Grund für eine Abmahnung oder gar eine Kündigung liegen. Dies gilt jedoch nur soweit, wie die Kritik nicht einen beleidigenden Charakter hat. Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber oder Arbeitskollegen stellen eine Verletzung der Rücksichtnahmepflichten da. Auch in diesem Fall ist grundsätzlich zunächst eine Abmahnung notwendig (Fußnote), je nach Schwere der Pflichtverletzung können jedoch Ausnahmen bestehen (sFußnote)

10.35 Lohnpfändung

Nach Rechtsprechung des BAG ist vor einer Kündigung wegen zahlreicher Lohnpfändungen - sofern eine solche überhaupt möglich ist - keine vorherige Abmahnung notwendig. Begründet wird dies damit, dass mit einer Abmahnung auf Verstöße gegen Leistungs- oder Verhaltenspflichten reagiert werden soll. Hinsichtlich der Gestaltung seiner privaten Vermögensverhältnisse ist der Arbeitnehmer jedoch völlig frei; aus dem Arbeitsverhältnis erwachsen ihm in dieser Hinsicht keinerlei Pflichten. Daher ist dieses außerdienstliche Verhalten keiner Abmahnung zugänglich (Fußnote).

10.36 Mobbing

Bei "Mobbing" durch einen Arbeitnehmer ist eine Abmahnung grundsätzlich erforderlich, wenn damit gerechnet werden kann, dass eine Wiederherstellung des Vertrauens möglich ist (Fußnote).

10.37 Nachweispflicht, Verletzung der…

Als Ergänzung zu der Anzeigepflicht (Fußnote) trifft den Arbeitnehmer in vielen Fällen auch eine Nachweispflicht. Unter anderem muss eine Arbeitsunfähigkeit mithilfe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Fußnote) nachgewiesen werden gem. § 5 Abs.1 S.2 EFZG, ebenso die Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörige bei Inanspruchnahme von Pflegezeit gem. § 2 Abs.1 PflegeZG.
Verletzt ein Arbeitnehmer diese Nachweispflicht, so hat zunächst eine Abmahnung zu ergehen, bevor eine Kündigung möglich ist (Fußnote).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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