Arbeitsrechtliche Abmahnung – Teil 38 – Relevante Pflichtverstöße VIII
10.42 Rauchverbot, Verstoß gegen…
Hat ein Arbeitgeber zulässigerweise ein Rauchverbot angeordnet oder besteht gar ein gesetzliches Rauchverbot, so ist ein Verstoß des Arbeitnehmers dagegen ein tauglicher Grund für eine Abmahnung und - sofern diese vergeblich bleibt - auch ein Kündigungsgrund. In Betrieben, in denen eine besonders hohe Brandgefahr besteht und das Rauchverbot daher aus Sicherheitsgründen besteht, kann ein Verstoß hingegen sogar ein "wichtiger Grund" für eine außerordentliche Kündigung sein, sodass eine Abmahnung entbehrlich sein kann (BAG 27.09.2012 - 2 AZR 955/11 = AP KSchG 1969 § 15 Nr.74 = NJW 2013, 1323.).
Verlässt der Arbeitnehmer zum Zwecke des Rauchens seinen Arbeitsplatz (sog. "Raucherpause") ohne sich beim Arbeitnehmer abzumelden ("Ausstempeln" o.ä.), so liegt darin ein schwerer Pflichtverstoß ("Arbeitszeitbetrug", siehe dazu näher: Unterpunkt 4.11.) Der Arbeitnehmer erbringt in dieser Zeit nicht die geschuldete Arbeitsleistung, verleitet den Arbeitgeber jedoch durch die fehlende Anzeige dessen dazu, ihm trotzdem seinen Lohn für diese Zeit zu zahlen. Dieser erhebliche Verstoß kann sogar Grund für eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung sein (LAG Nürnberg 05.08.2015 - 2 Sa 132/15 = ArbRAktuell 2015, 485; Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1555.).
10.43 Sachbezug
Eine Abmahnung kann entbehrlich sein, wenn der Arbeitnehmer gegen Regelungen zur Inanspruchnahme eines Sachbezugs verstößt um anstelle der Ware Bargeld zu erhalten und dieser Verstoß im Einzelfall so schwer wiegt, dass eine negative Zukunftsprognose bereits angestellt werden kann (BAG 23.06.2009 - 2 AZR 103/08 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.59 = NZA 2009, 1198; Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1591.).
10.44 Schadenshöhe
Hat ein Arbeitnehmer eine besondere Vertrauensposition inne, so kann bereits bei einem einmaligen fahrlässigen Versehen eine Abmahnung vor der Kündigung entbehrlich sein, wenn das Versehen geeignet war, einen besonders schweren Schaden herbeizuführen. Dies gilt sowohl für eine Gefahr für Leben und Gesundheit anderer, als auch für das Risiko eines besonders hohen finanziellen Schadens (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1592 f.).
10.45 Schlechtleistung
Auch die Schlechtleistung eines Arbeitnehmers kann Grund für eine ordentliche Kündigung sein, sofern diese Leistungsstörung dem Arbeitnehmer vorwerfbar ist (Beckerle, Die Abmahnung, S.81; BAG 11.12.2003 - 2 AZR 667/02 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.48 = NZA 2004, 784; BAG 17.01.2008 - 2 AZR 536/06 - AP KschG 1969 § 1 Nr.85.).
Was als Schlechtleistung gilt hängt davon ab, was die Parteien vertraglich als geschuldete Leistung vereinbart haben. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag nicht bzw. nicht genau beschrieben (z.B. Menge, Qualität), so richtet sich der Inhalt einerseits nach dem Arbeitsinhalt, den der Arbeitgeber durch Ausübung seines Direktionsrechts festgelegt hat, andererseits nach dem "persönlichen Leistungsvermögen" des Arbeitnehmers. Das "persönliche Leistungsvermögen" ist die Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer "unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit" erbringen kann - wenn er also "so gut wie möglich" arbeitet (BAG 11.12.2003 - 2 AZR 667/02 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.48 = NZA 2004, 784; Beckerle, Die Abmahnung, S.81 f.).
Bleibt der Arbeitnehmer hinter dieser Arbeitsleistung zurück, so muss der Arbeitgeber untersuchen, ob die Gründe für die Schlecht-/Minderleistung in dem Verhalten ("Faulheit", Arbeitsunwilligkeit o.ä.), oder aber in der Person (Krankheit o.ä.) des Arbeitnehmers liegen.
Ist ein Verhalten des Arbeitgebers der Grund, so ist der Arbeitnehmer nach erfolgloser Abmahnung im Wiederholungsfall zur verhaltensbedingten Kündigung berechtigt (vgl. Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1536.)
Beruht die Schlechtleistung jedoch auf Umständen in der Person des Arbeitnehmers, die dieser nicht beeinflussen kann, so ist lediglich eine personenbedingte Kündigung möglich. Diese erfordert in diesem Fall zwar keine vorherige Abmahnung, stellt jedoch hohe Anforderungen an die Störung des Arbeitsverhältnisses, welche dauerhaft und entsprechend schwer sein muss (Beckerle, Die Abmahnung, S.82.).
Beispiel
Arbeitnehmer N ist im Betrieb des Arbeitgebers G als Kassierer tätig. Seit Jahren weißt die Kasse am Ende seiner Schicht lediglich kleine Differenzen von weniger als einem Euro auf. Eines Tages ergibt sich wegen einiger Unachtsamkeiten des N eine Differenz von etwa 20 Euro. G fragt sich, ob er N deshalb abmahnen oder kündigen kann.
- G kann gegenüber N eine Abmahnung aussprechen. N hat gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er eine durch Unachtsamkeit eine Differenz von 20 Euro herbeigeführt hat. Zwar ist im Arbeitsvertrag nicht enthalten, wie hoch die Differenz noch sein darf. Jedoch hat N durch seine jahrelange Arbeit gezeigt, dass es seiner persönlichen Leistungsfähigkeit entspricht, lediglich geringe Differenzen von unter einem Euro entstehen zu lassen. N hätte auch an dem fraglichen Tag "so gut wie möglich" arbeiten müssen. Dadurch, dass er das nicht getan hat, liegt eine Schlechtleistung vor. Auf diese kann G mit einer Abmahnung reagieren. (zu diesem Fall näher: LAG Berlin, 26.03.2004 - 6 Sa 2490/03.).
10.46 Schmiergelder, Annahme/Forderung von…
Wer Schmiergeld von Kunden/Mandanten fordert oder annimmt, mit denen der Arbeitgeber geschäftliche Beziehungen pflegt, zerstört die Vertrauensgrundlage für seine Anstellung so erheblich und nachhaltig, dass regelmäßig auch ohne vorausgehende Abmahnung eine - sogar außerordentliche - Kündigung möglich ist (Beckerle, Die Abmahnung, S.84.). Völlig unerheblich hierfür ist, ob dem Arbeitgeber durch das Handeln des Arbeitnehmers ein Schaden entstanden ist oder nicht (Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, § 22, Rn.682.).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.
Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017
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Herausgeber / Autor(-en):
Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem
- Aufhebungsverträge
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- Kündigungsschutzansprüche
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- Lohn- und Gehaltsansprüche
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und berät und vertritt Betriebsräte.
Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:
- Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:
- Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
- Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
- Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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