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Umweltstrafrecht für Geschäftsführer – Teil 42 – § 329 Abs. 3 und 4 StGB

10.4 Tathandlungen des § 329 Abs. 3 StGB

Strafbar nach § 329 Abs. 3 ist die Gefährdung eines Naturschutzgebietes, einer als Naturschutzgebiet einstweilig sichergestellten Fläche oder eines Nationalparks. Die Tatobjekte des § 329 Abs. 3 StGB sind

  • Naturschutzgebiete nach § 23 Abs. 1 BNatSchG
  • einer als Naturschutzgebiet nach § 22 Abs. 3 BNatSchG einstweilig sichergestellte Flächen oder
  • Nationalparks nach § 24 BNatSchG (vgl. Szesny in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar-StGB, § 329 Rn. 22).

Die strafbaren Tathandlungen sind:

  • Bodenschätze oder andere Bodenbestandteile abbauen oder gewinnen
  • Abgrabungen oder Aufschüttungen vornehmen
  • Gewässer schaffen, verändern oder beseitigen
  • Moore, Sümpfe, Brüche oder sonstige Feuchtgebiete entwässern
  • Wälder roden
  • Tiere einer im Sinne des BNatSchG besonders geschützten Art töten, fangen, diesen nachstellen oder deren Gelege ganz oder teilweise zerstören oder entfernen
  • Pflanzen einer im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes besonders geschützten Art beschädigen oder entfernen oder
  • ein Gebäude errichten.

Maßgeblich für die Strafbarkeit ist die erhebliche Beeinträchtigung des jeweiligen Schutzzwecks der schutzbedürftigen Gebiete. Die erhebliche Beeinträchtigung setzt eine Störung von gewisser Dauer und Intensität voraus, sodass konkrete Gefahren für die in den Gebieten geschützten Güter wahrscheinlich werden müssen. Die Erheblichkeit kann an das Ausmaß im Hinblick auf die beeinträchtigte Fläche oder an eine bestimmte Ökologieart anknüpfen, die durch den Eingriff betroffen ist.

Ein weiteres Beeinträchtigen von bereits beeinträchtigten Gebieten ist strafbar (vgl. Witteck, in: BeckOK-StGB, § 329 Rn. 20, 20.1).

Schließlich müssen die Tathandlungen des Tatbestands der Gefährdung eines Naturschutzgebietes, einer als Naturschutzgebiet einstweilig sichergestellten Fläche oder eines Nationalparks entgegen einer zum Schutz der in Absatz 3 genannten Gebiete erlassenen Rechtsvorschrift oder vollziehbaren Untersagung begangen werden. Es reicht für einen verwaltungsrechtlichen Verstoß, wenn die Rechtsvorschrift oder die vollziehbare Untersagung die betreffenden Gebiete zumindest als Nebenzweck schützen will (vgl. Szesny in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar-StGB, § 329 Rn. 24c).

Beispiel
Die Grubbing-GmbH ist spezialisiert auf Waldrodung, um den Boden für den Verkehrswege- oder Siedlungsbau wieder fruchtbar zu machen. Der Geschäftsführer I hat einen neuen Kunden akquirieren können, der große Flächen für die Landwirtschaft braucht. Ungeschickterweise ist ein Teil der vom Kunden erworbenen Flächen als Naturschutzgebiet nach der Vorschrift über die Naturschutzgebiete des § 23 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ausgewiesen, in dem ein prächtiger Wald von einigem Umfang nach der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Bundeswaldgesetz (BWaldG) über die Begriffsbestimmung des Waldes steht. I weiß, dass der Teil der Fläche ein Naturschutzgebiet darstellt. Er weiß zudem, dass durch eine sog. Schutzerklärung nach der Vorschrift des § 22 Abs. 1 BNatSchG über die Erklärung zum geschützten Teil von Natur und Landschaft jegliche Zerstörungshandlung seitens der Behörden verboten wurde. Als Schutzzweck wurde der Erhalt des Waldes, der eine große Artenvielfalt sowie seltene Pflanzen beherbergt, genannt. Gleichwohl sind im diese Informationen egal, sodass er seine Belegschaft unter bewusstem Verschweigen des Charakters als Naturschutzgebiet anweist, die große Waldfläche mit den sog. Harvestern gänzlich zu entfernen, was erfolgt.

  • I macht sich wegen Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete durch Rodung von Wald in mittelbarer Täterschaft nach §§ 329 Abs. 3 Nr. 5, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar. Die Arbeiter leiden bzgl. des Verschweigens des Charakters des Naturschutzgebiets an einem rechtlichen Defekt über die Tatsache des Naturschutzgebiets, weswegen der I die Arbeiter als sein Instrument zur Entfernung des Waldes benutzen konnte und deswegen mittelbare Täterschaft vorliegt. I hat somit den Wald in mittelbarer Täterschaft entgegen dem Verbot aus der Schutzerklärung vorsätzlich gerodet. Durch die gänzliche Rodung des flächenmäßig enorm großen Waldgebiets wurde der Schutzzweck erheblich beeinträchtigt. Denn durch die gänzliche Rodung wurde der Schutzzweck vollständig aufgehoben.

10.5 Tathandlungen des § 329 Abs. 4 StGB

Strafbar ist nach § 329 Abs. 4 StGB die Schädigung eines Lebensraums oder eines Lebensraumtyps von bestimmten Arten wildlebender Tiere und Pflanzen in einem sog. Natura 2000-Gebiet. Die Natura 2000-Gebiete nach §§ 7 Abs. 1 Nr. 8, 31 ff. BNatSchG sind nach Vorgaben der EU ausgewählte Naturgebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und europäische Vogelschutzgebiete. Welche Lebensräume und natürliche Lebensraumtypen innerhalb des Natura 2000-Gebietes geschützt sind, wird durch den Verweis in die Vorschrift des § 329 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 StGB über die Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete durch Schädigung eines Lebensraums einer Tier- und Pflanzenart oder eines natürlichen Lebensraumtyps in einem Natura 2000-Gebiet auf Artikel 4 Absatz 2 oder Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG sowie Anhang I und II der Richtlinie 92/43/EWG klargestellt.

Für die Strafbarkeit nach § 329 Abs. 4 StGB muss das betreffende Gebiet noch nicht national unter Schutz gestellt worden sein. Das Gebiet muss zumindest von der EU-Kommission als Natura 2000-Gebiet ausgewiesen worden sein. (vgl. Szesny in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar-StGB, § 329 Rn. 24a).

Als strafbare Tathandlung reicht nach § 329 Abs. 4 StGB jedes Verhalten aus, wenn es den betreffenden Lebensraum oder Lebensraumtyp erheblich schädigt. Diese erhebliche Schädigung muss zur Erfüllung des Straftatbestandes unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten nach § 330d Abs. 1 Nr. 4 StGB verursacht werden (vgl. Witteck, in: BeckOK-StGB, § 329 Rn. 21.1, 22a).

Beispiel
Die Semtexon-GmbH produziert „Semtex H“ zu militärischen Zwecken. Dabei handelt es sich um einen knetartigen Sprengstoff. Ungeschickterweise wurden 5 Tonnen Sprengstoff produziert, bei dem das Mischverhältnis aufgrund eines Fehlers der Belegschaft nicht mehr stimmt und daher überhaupt nicht zündet. Es wurde versehentlich die dreifache Menge an Weichmacher beigemischt, der aus Mineralöl besteht und der die Produktion dickflüssig macht. Von den Stoffen, die für die Explosion zuständig sind, wurde nahezu nichts beigemischt. Weil die Entsorgungskosten aus Sicht des Geschäftsführers K viel zu hoch sind, beschließt er die fehlerhafte Produktion komplett in die Nordsee am Borkum-Riffgrund zu entsorgen. Dort befinden sich 521 km² Sandbänke, sodass das gelbliche „Semtex“ nur sehr schwer erkennbar ist. Außerdem geht er davon aus, dass die giftigen Stoffe nach und nach von Seehunden gefressen werden. Trotz der Erkenntnis, dass das Gebiet u.a. zum Schutze einer Seehundeart durch Schutzverklärung als Natur 2000-Gebiet ausgewiesen wurde und dem Umstand, dass nach der Vorschrift des § 33 Abs. 1 BNatSchG über die allgemeinen Schutzvorschriften erhebliche Beeinträchtigungen unzulässig sind, wies er die Belegschaft an, die Stoffe in das Meer zu kippen. Diesen Arbeitern spiegelte er vor, eine Ausnahme von der Naturschutzbehörde nach der Vorschrift des § 34 Abs. 3 BNatSchG über zulässige Ausnahmen erteilt bekommen hat. Sodann wurde die Entsorgung gemäß den Anweisungen des K ausgeführt.
Die Seehunde fraßen die Stoffe, mit der Folge, dass über 200 der Tiere starben, obwohl nur ein Bestand von 251-500 dieser Tiere verzeichnet ist.

  • K erfüllt den Tatbestand der Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete durch Schädigung eines Lebensraums einer Tierart in einem Natura 2000-Gebiet in mittelbarer Täterschaft nach §§ 329 Abs. 4 Nr. 1 Alt. 1, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB. Aufgrund des Vorspiegelns der angeblich erteilten Ausnahme litten seine Mitarbeiter an einem rechtlichen Defekt, den K ausnutze und somit mittelbarer Täter wurde. Der Borkum Riffgrund stellt durch Schutzverordnung ein Natura 2000-Gebiet nach dem Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen dar. K hat gegen das Verbot zur Vermeidung von erheblichen Schäden verstoßen und somit verwaltungsrechtliche Pflichten verletzt. K hat dieses Gebiet zudem erheblich geschädigt, indem über 200 dieser Seehunde starben. Dabei handelte K vorsätzlich.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers im Umweltstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, und Alexander Becker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-79-3.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Herausgeber / Autor(-en):

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei

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    z.B. Beratung zu Gesellschaftskonzepten, Gestaltung von Gesellschaftsverträgen, Geschäftsführerverträgen, Handelsregisteranmeldungen, Vorbereitung und Begleitung  bei Notarterminen 
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  • Geschäftsführerverträgen
  • Sanierung, Insolvenzvermeidung und Insolvenzbegleitung:
    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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Telefon: 0721-20396-28

 

Normen: § 329 Abs. 3 StGB, § 329 Abs. 4 StGB

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