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Int. Vertragsrecht – Teil 03 – Zeitlicher, räumlicher Anwendungsbereich

2.3 Räumlicher Anwendungsbereich

2.3.1 Grundsätzliches

Der räumliche Anwendungsbereich der Rom I-VO erstreckt sich auf das Territorium seiner Mitgliedstaaten in denen Unionsrecht gilt (s. Kapitel 3.2.1). Vor den Gerichten der Mitgliedsstaaten ist also die Rom I-VO anzuwenden. Obwohl es sich bei der Rom I-VO um eine europarechtliche Verordnung handelt, bezieht sich der Begriff "Mitgliedsstaat" im Rahmen der Rom I-VO nicht auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union, sondern auf die Staaten, in der die Rom I-VO anzuwenden ist.(Fußnote) Diese Unterscheidung ist wichtig, da nicht alle EU-Mitgliedsstaaten - namentlich Dänemark, Irland und Großbritannien - automatisch Mitgliedsstaaten der Rom I-VO geworden sind.

2.3.2 Sonderfall Dänemark

Dänemark nimmt grundsätzlich nicht an Maßnahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen innerhalb der EU teil, sodass die Rom I-VO auf dem Territorium Dänemarks keine Anwendung findet.(Fußnote) Es bleibt vor dänischen Gerichten daher bei der Anwendung des von Dänemark bereits umgesetzten Vorgängerübereinkommens EVÜ (s. Kapitel 3.2.2).

2.3.3 Sonderfall Großbritannien

Im Gegensatz zu Dänemark haben sowohl Irland als auch Großbritannien für die Übernahme der Rom I-VO optiert und sind aktuell Mitgliedsstaaten.(Fußnote) Damit ist Dänemark der einzige EU-Mitgliedsstaat, der nicht gleichzeitig Mitgliedsstaat der Rom I-VO ist. Der von Großbritannien 2017 verkündete und voraussichtlich 2019 vollzogene Austritt aus der Europäischen Union wird dessen Mitgliedschaft in der Rom I-VO jedoch beenden. Ab diesem Zeitpunkt wird vor britischen Gerichten wohl das von Großbritannien bereits zuvor umgesetzte EVÜ anzuwenden sein (s. Kapitel 3.2.3).(Fußnote) Da Großbritannien zudem einer der letzten Staaten ist, die das UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG) nicht ratifiziert haben, unterliegt das Land selbst im Bereich grenzüberschreitender Handelskaufverträge somit keinem einheitlichen Kollisionsrecht mehr.(Fußnote)

2.3.4 Universelle Anwendung der Rom I-VO

Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 2 Rom I-VO ihr universeller Anwendungsbereich. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der kollidierenden Rechtsordnung nicht um diejenige eines Mitgliedsstaates handelt.(Fußnote) Das bedeutet, dass die Rom I-VO nicht nur auf Verträge zwischen Parteien aus den Mitgliedsstaaten anzuwenden ist, sondern auch dann, wenn eine Partei seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort außerhalb des Gebiets eines Mitgliedsstaates hat.(Fußnote) Daraus folgt, dass im Rahmen der Rom I-VO auch dann das Recht eines Staates anwendbar sein kann, wenn dieser Staat kein Mitgliedsstaat der Rom I-VO ist.(Fußnote)

Beispiel
Ein Verbraucher mit Wohnsitz in Brüssel schließt mit einem mexikanischen Unternehmen aus Tijuana einen Kaufvertrag über die Lieferung einer dekorativen Vase ab. Ist der Anwendungsbereich der Rom I-VO in räumlicher Hinsicht eröffnet?

  • Der Abschluss eines Kaufvertrags durch einen in Brüssel ansässigen Verbraucher mit einem mexikanischen Unternehmen hat eine Verbindung zum Recht unterschiedlicher Staaten. Auf den Vertrag könnte belgisches, mexikanisches oder eventuell auch das Recht eines Drittstaates Anwendung finden. Fraglich ist, ob Rom I-VO vorliegend anwendbar ist und bei der Regelung der Frage nach dem auf das Vertragsverhältnis anzuwendende Recht überhaupt Anwendung finden kann.
  • Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO legt fest, dass in einem solchen Fall die Regeln der Verordnung Anwendung finden. Zwar handelt es sich bei Mexiko nicht um einen Mitgliedsstaat der Rom I-VO. Durch die universelle Anerkennung aus Art. 2 Rom I-VO ist es für die Anwendung der Rom I-VO aber gerade nicht ausschlaggebend, ob es sich bei der kollidierenden Rechtsordnung um diejenige eines Mitgliedsstaates handelt. Der Anwendungsbereich der Rom I-VO ist somit eröffnet. Auf Grundlage von Art. 6 Rom I-VO wäre in diesem Fall mexikanisches Recht auf den Vertrag anwendbar (dazu jedoch mehr in Kapitel 5).

2.4 Zeitlicher Anwendungsbereich

Die Rom I-VO ist in zeitlicher Hinsicht auf alle ab dem 17.12.2009 geschlossenen Verträge anwendbar.(Fußnote) Auf vor diesem Stichtag geschlossene vertragliche Schuldverhältnisse - einschließlich Dauerschuldverhältnissen - beurteilt sich die Frage nach dem auf das Schuldverhältnis anzuwendende Recht nach den bis dahin gültigen Vorschriften (s. Kapitel 1.2). Für Deutschland sind für einen zwischen 01.09.1986 bis einschließlich 16.12.2009 geschlossenen Vertrag daher weiterhin die Art. 27 - 37 aF EGBGB einschlägig.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Internationales Vertragsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Tim Hagemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-88-5.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Schindele begleitet IT-Projekte von der Vertragsgestaltung und Lastenheftdefinition über die Umsetzung bis hin zur Abnahme oder Gewährleistungs- und Rückabwicklungsfragen.

Tilo Schindele ist Dozent für IT-Recht und Datenschutz bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Seminare und Vorträge unter anderem zu folgenden Themen an:

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  • Rechtssicherheit im Internet: - Praktische Rechtstipps für Unternehmer von AGB über Disclaimer und E-Mails bis zu web2.0
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Normen: Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO, Art. 2 Rom I-VO

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