Int. Vertragsrecht – Teil 04 – Int. Abkommen, europäisches Gemeinschaftsrecht
3 Beziehung zu internationalen Abkommen und zum Europäischen Gemeinschaftsrecht
3.1 Europäisches Gemeinschaftsrecht
Art. 23 Rom I-VO beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen dem Kollisionsrecht der Rom I-VO und anderen europäischen Vorschriften, die besondere Kollisionsnormen enthalten. Betroffen sind eine Reihe verbraucherschutzrechtlicher Richtlinien, deren relevanteste die Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen an Verbraucher[1] darstellt. Eine abschließende Aufzählung der betroffenen Richtlinien findet sich in Art. 46b Abs. 3 EGBGB.[2] Explizit ausgenommen sind jedoch die in Art. 7 Rom I-VO aufgelisteten Versicherungsverträge.[3]
Die sich aus diesen Richtlinien ergebene Kollisionsnormen werden gem. Art. 23 Rom I-VO nicht verdrängt.[4] Um rechtliche Wirkung zu entfalten, müssen Richtlinien der Europäischen Union zunächst durch einen staatlichen Umsetzungsakt in die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen aufgenommen werden.[5] Dies bedeutet also, dass in denen von Richtlinienrecht umfassten Fällen kein einheitliches europäisches Kollisionsrecht existiert, sondern die jeweils in nationales Recht umgesetzten Kollisionsnormen der jeweiligen Richtlinie zu beachten sind.
3.2 Übereinkommen von Rom (EVÜ)
Die Beziehung zum rechtlichen Vorgänger der Rom I-VO, der EVÜ, ist in Art. 24 Rom I-VO geregelt. Da das Ziel der Rom I-VO war, das Kollisionsrecht auf Ebene der Europäischen Union zu vereinheitlichen, sieht Art. 24 Rom I-VO vor, dass die Rom I-VO in den Mitgliedsstaaten an die Stelle der EVÜ tritt.[6] Inhaltlich enthält die Rom I-VO im Verhältnis zur EVÜ jedoch nur wenige Änderungen, sodass sich in der Praxis zwischen der Anwendung der Rom I-VO und der EVÜ nur wenige Unterschiede ergeben.[7]
3.2.1 Räumliche Weitergeltung der EVÜ
Von der Geltung der Rom I-VO sind solche Gebiete der Mitgliedsstaaten ausgeschlossen, für die das Unionsrecht gem. Art. 349, 355 des EU-Arbeitsweisevertrags (AEUV) nicht gilt.[8] Dazu gehören bspw. die französischen Überseegebiete, die niederländischen Antillen und Aruba, die britischen Kanalinseln sowie die Isle of Man.[9] Vor den Gerichten dieser Gebiete ist daher weiterhin die EVÜ anzuwenden.[10]
3.2.2 Verhältnis zu Dänemark
Gem. Art. 24 Rom I-VO verdrängt die Rom I-VO nur in Mitgliedsstaaten die EVÜ. In Dänemark, das grundsätzlich nicht an Maßnahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen innerhalb der EU teilnimmt, heißt das folglich, dass die EVÜ fortgilt.[11] Dänemark gilt in Bezug auf die Rom I-VO somit als Drittstaat. Für die Praxis bedeutet dies, dass von dänischen Gerichten weiterhin die EVÜ und nicht die Rom I-VO angewendet wird.[12] Da die Rom I-VO bzgl. ihrer Anwendbarkeit gem. Art. 2 Rom I-VO nicht zwischen Mitglieds- und Drittstaaten unterscheidet, ist vor den Gerichten der Mitgliedsstaaten allerdings. In Dänemark, das grundsätzlich nicht an Maßnahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen innerhalb der EU teilnimmt, heißt das folglich, dass die EVÜ fortgilt.[13] Dänemark gilt in Bezug auf die Rom I-VO somit als Drittstaat. Für die Praxis bedeutet dies, dass von dänischen Gerichten weiterhin die EVÜ und nicht die Rom I-VO angewendet wird.[14] Da die Rom I-VO bzgl. ihrer Anwendbarkeit gem. Art. 2 Rom I-VO nicht zwischen Mitglieds- und Drittstaaten unterscheidet, ist in Fällen mit Bezug auf Dänemark vor den Gerichten der Mitgliedsstaaten jedoch die Rom I-VO anzuwenden.[15]
3.2.3 Verhältnis zu Großbritannien
Aktuell unterliegt Großbritannien umfassend der Rom I-VO.[16] Durch den voraussichtlich 2019 erfolgenden Austritt aus der Europäischen Union entfällt allerdings die Rechtswirkung der Rom I-VO für Großbritannien. Sofern zwischen Großbritannien und der EU im Zuge der Austrittsverhandlungen keine abweichende Vereinbarung getroffen wird hat das zur Folge, dass Großbritannien ab dem Zeitpunkt des Austritts kein Mitgliedsstaat der Rom I-VO mehr sein wird und somit als Drittstaat zu behandeln ist.[17] Wie im Fall von Dänemark gezeigt unterscheidet die Rom I-VO bzgl. ihrer Anwendbarkeit nicht zwischen Mitglieds- und Drittstaaten.[18] Somit bleibt in Fällen mit Bezug zu Großbritannien die Rom I-VO auch weiterhin vor den Gerichten der Mitgliedsstaaten anzuwenden.
Welches Kollisionsrecht in Zukunft vor britischen Gerichten Anwendung findet ist noch nicht abschließend geklärt. Zwar gilt das EVÜ grundsätzlich auch in Großbritannien, was wie in Dänemark dazu führen könnte, dass vor den Gerichten der Mitgliedsstaaten die Rom I-VO, vor britischen Gerichten jedoch die EVÜ angewendet wird.[19] Allerdings liegt es ab dem Zeitpunkt des Austritts im Ermessen der britischen Rechtsprechung, inwieweit sie sich auch weiterhin an die Geltung des EVÜ gebunden sieht.[20]
[1] Richtlinie 2002/65/EG.
[2] Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015, 1. Teil, Rn 1.127.
[3] Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015, 1. Teil, Rn 1.133.
[4] Prütting/Wegen/Weinreich: BGB Kommentar, 12. Auflage 2017, Art. 23 ROM I, Rn 2.
[5] Vgl. Art. 288 AEUV.
[6] MüKoBGB/Martiny, 7. Auflage. 2018, Rom I-VO Art. 24 Rn 1.
[7] Kramme/Baldus/Schmidt-Kessel, Brexit und die juristischen Folgen, 1. Auflage, 2017, S. 312.
[8] BeckOK BGB/Spickhoff, 44. Ed. 1.11.2017, VO (EG) 593/2008 Art. 24 Rn. 3.
[9] MüKoBGB/Martiny, 7. Auflage. 2018, Rom I-VO Art. 24 Rn 4.
[10] BeckOGK/Schulze, 1.8.2017, Rom I-VO Art. 24 Rn. 6.
[11] Ferrari IntVertragsR/Schulze, 3. Auflage 2018, VO (EG) 593/2008 Art. 24 Rn 6.
[12] MüKoBGB/Martiny, 7. Auflage 2018, Rom I-VO Art. 24 Rn 3.
[13] Ferrari IntVertragsR/Schulze, 3. Auflage 2018, VO (EG) 593/2008 Art. 24 Rn 6.
[14] MüKoBGB/Martiny, 7. Auflage 2018, Rom I-VO Art. 24 Rn 3.
[15] BeckOGK/Schulze, 1.8.2017, Rom I-VO Art. 24 Rn 9.
[16] Vgl. Art. 1 Abs. 4 iVm Erwägungsgrund 46 Rom I-VO.
[17] Ferrari IntVertragsR/Schulze, 3. Auflage 2018, VO (EG) 593/2008 Art. 24 Rn 7.
[18] BeckOGK/Schulze, 1.8.2017, Rom I-VO Art. 24 Rn 9.
[19] Kramme/Baldus/Schmidt-Kessel, Brexit und die juristischen Folgen, 1. Auflage, 2017, S. 313.
[20] BeckOGK/Schulze, 1.8.2017, Rom I-VO Art. 24 Rn 12.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Internationales Vertragsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Tim Hagemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-88-5.
Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018
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