Int. Vertragsrecht - Teil 06 - Rechtswahl
4.2 Rechtswahl
Die Wahl des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts (Rechtswahlvereinbarung) muss sich gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO ausdrücklich aus den vertraglichen Bestimmungen oder eindeutig aus den Umständen des Falls ergeben. Die Rechtswahl muss nicht vor oder bei Vertragsschluss getroffen werden, sondern kann auch nachträglich erfolgen.(Fußnote) Möglich ist bspw. auch eine Rechtswahl im Laufe des Verfahrens.(Fußnote) Gleichfalls können die Parteien eine rein negative Rechtswahl treffen, also die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung ausschließen.(Fußnote) Die Bestimmung des anwendbaren Rechts bemisst sich dann mangels positiver Rechtswahl nach Art. 4 Rom I-VO (s. Kapitel 5).
Die zwischen den Parteien getroffene Rechtswahlvereinbarung stellt einen rechtlich eigenständigen Vertrag dar, auch wenn sie sich im selben Vertragsdokument wie der Hauptvertrag befindet.(Fußnote) Ob die Rechtswahlvereinbarung wirksam zustande gekommen ist bemisst sich nach der Rechtsordnung, die nach dem Parteiwillen Anwendung finden soll.(Fußnote)
Beispiel 1
Ausgangsfall: Ein deutscher Unternehmer vereinbart mit einem kanadischen Verbraucher einen Kaufvertrag über die Lieferung eines Sportwagens gegen Zahlung von 40.000 EUR. Sie bestimmen, dass für diesen Vertrag deutsches Recht angewendet werden soll.
- Ob die Rechtswahlvereinbarung rechtsgültig ist bemisst sich nach dem Recht, welches die Parteien für das Vertragsverhältnis gelten lassen wollen. Das ist vorliegend deutsches Recht. Das bedeutet, dass nach deutschem Recht zu bestimmen ist, ob die Rechtswahlvereinbarung gültig ist. Ob ein Vertrag wirksam geschlossen worden ist bemisst sich im deutschen Recht nach §§ 145 ff BGB. Nach Maßgabe der §§ 145 ff BGB müssen die Parteien zwei übereinstimmende Willenserklärungen über das anzuwendende Recht ausgetauscht haben. Ferner dürfen keine Wirksamkeitshindernisse vorliegen, bspw. wegen Geschäftsunfähigkeit (§§ 104 ff BGB), Irrtumsanfechtung (§§ 109 ff BGB), Gesetzes- (§ 134 BGB) oder Sittenverstößen (§ 138 BGB). Sofern diese im vorliegenden Fall nicht vorliegen, wurde die Rechtswahlvereinbarung rechtsgültig vereinbart. Auf den Kaufvertrag über den Sportwagen ist somit deutsches Recht anzuwenden.
Beispiel 2
Sachverhalt wie in Beispiel 1, nur handelt es sich bei dem kanadischen Geschäftspartner um ein sechsjähriges Kind. Ist die Rechtswahlvereinbarung wirksam zustande gekommen?
- Der Wirksamkeit des Kaufvertrags könnte hier das geringe Alter des kanadischen Kindes entgegenstehen. Dies ist nach deutschem Recht zu bemessen. Gem. § 104 Abs. 1 BGB beginnt die Geschäftsfähigkeit erst mit Vollendung des siebten Lebensjahres. Der Geschäftspartner ist vorliegend allerdings erst sechs Jahre alt und damit geschäftsunfähig. Die Willenserklärung und mithin der Vertrag sind gem. § 105 Abs. 1 BGB daher nichtig. Die Rechtswahlvereinbarung ist unwirksam. Bei der Frage welches Recht auf den Vertrag anzuwenden ist, wird die Unwirksamkeit so behandelt als wenn die Parteien keine Rechtswahl getroffen hätten.(Fußnote) Das anzuwendende Recht wird dementsprechend nach Art. 4 Rom I-VO ermittelt (s. Kapitel 5).
4.2.1 Ausdrückliche Rechtswahl
Der eindeutigste Fall einer Rechtswahlvereinbarung liegt vor, wenn die Parteien sich ausdrücklich auf die Verwendung eines bestimmten Rechts geeinigt haben.(Fußnote) Dies kann, muss aber nicht im Rahmen des Hauptvertrags geschehen. Die Rechtswahl kann auch nach Abschluss des Hauptvertrags erfolgen.(Fußnote) Sie muss auch nicht individuell zwischen den Parteien verabredet worden sein. Es genügt auch, wenn sie sich aus standardisierten Formularverträgen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt.(Fußnote) Aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit empfiehlt es sich jedoch, die Rechtswahlvereinbarung bereits in den Hauptvertrag zu integrieren.
Beispiel
Am Ende eines in Deutschland geschlossenen Mietvertrags zwischen einem deutschen Urlauber und einem schwedischen Bungaloweigentümer findet sich folgender Absatz: "Dieser Vertrag unterliegt schwedischem Recht."
- Die Parteien können gem. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO grundsätzlich frei bestimmen, welche Rechtsordnung auf den Vertrag Anwendung finden soll. Der Ort des Vertragsschlusses spielt für das anwendbare Recht keine Rolle. Im vorliegenden Fall haben die Parteien die Wahl schwedischen Rechts ausdrücklich in den Vertrag aufgenommen. Der Mietvertrag unterliegt somit schwedischem Recht.
Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden sollte unbedingt bedacht werden, dass eine ausdrückliche Rechtswahl so eindeutig formuliert sein muss, dass sich zumindest durch Auslegung ergibt, welches Recht damit gemeint ist (Bestimmtheitsgrundsatz).(Fußnote) Das gilt insbesondere dann, wenn die Parteien die Rechtsordnung eines Landes verwenden wollen, dessen Zivilrechtsordnung gespalten ist.(Fußnote) Lässt sich auch durch Auslegung nicht eindeutig klären, welches Recht durch die Parteien bestimmt werden soll, so wird das anzuwendende Recht gem. Art. 4 Rom I-VO bestimmt. Die Rechtswahl der Parteien wird also so behandelt, als gäbe es überhaupt keine Rechtswahlvereinbarung (s. Kapitel 5).
Beispiel
Ein deutsches Unternehmen schließt mit einem amerikanischen einen Mietvertrag über eine industrielle Maschine ab, für den laut einer Klausel am Ende des Vertrags "amerikanisches Recht" gelten soll. Die Maschine wird in Texas zusammengebaut, in Ohio gewartet und über ein Logistiklager in New Jersey nach Deutschland verschickt. Die Firmenzentrale des Unternehmens befindet sich in Kalifornien. Ist die Rechtswahlvereinbarung ausreichend bestimmt?
- Nach Rechtswahl der Parteien soll "amerikanisches Recht" angewendet werden. Das Zivilrecht der Vereinigten Staaten variiert jedoch je nach Bundesstaat. Bei den USA handelt es sich also um ein Land mit gespaltener Zivilrechtsordnung. Da der Wortlaut der Rechtswahlvereinbarung nicht hinreichend konkret ist um zu bestimmen, welcher Bundesstaat gemeint ist, muss die Klausel ausgelegt werden. In Frage kommen in diesem Fall die im Rahmen des Mietvertrags beteiligten Bundesstaaten Texas, Ohio, New Jersey und Kalifornien. Da sich aus der Klausel nicht eindeutig ergibt, welches Recht die Parteien gelten lassen wollen, gilt die Rechtswahlvereinbarung als nicht geschlossen. Die Bestimmung des anzuwendenden Rechts erfolgt also nach Art. 4 Rom I-VO (s. Kapitel 5).
Die Form der Rechtswahlvereinbarung unterliegt den Formvorschriften des Art. 11 Rom I-VO. Danach sind die Formerfordernisse der Rechtswahlvereinbarung unabhängig von denen des Hauptvertrags zu bemessen.(Fußnote) Die Rechtswahlvereinbarung kann also auch dann gültig sein, wenn der Hauptvertag wegen Formmangel unwirksam ist.(Fußnote) Umgekehrt behält natürlich auch der Hauptvertrag seine Gültigkeit, wenn nur die Rechtswahlvereinbarung unwirksam ist.(Fußnote)
Für die Rechtswahlvereinbarung sieht die Rom I-VO keine besonderen Formerfordernisse vor. Die Rechtswahl kann daher auch mündlich oder in elektronischer Form erfolgen.(Fußnote) Nach Maßgabe des Art. 11 Rom I-VO ist es daher ausreichend, wenn die Form der Rechtswahlvereinbarung entweder den Anforderungen des auf den Hauptvertrag anzuwendenden Rechts oder desjenigen am Ort des Vertragsschlusses genügt.(Fußnote)
Achtung: Bei Verträgen zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer (Verbraucherverträge) sind gem. Art. 11 Abs. 4 Rom I-VO die Formvorschriften zu beachten, die in dem Land gelten, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (s. Kapitel 6.2.4).
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Internationales Vertragsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Tim Hagemann, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-88-5.
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Stand: Januar 2018
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Herausgeber / Autor(-en):
Tilo Schindele, Rechtsanwalt, Stuttgart
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