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Preisabsprachen - Teil 16 - Vertikale Formen I

5.1.15 Sternverträge/ Hub-and-Spoke

Bei Sternverträgen, die auch als Hub-and-Spoke bezeichnet werden, finden horizontale Absprachen nicht direkt zwischen den Wettbewerbern statt, sondern über einen Dritten, zum Beispiel einen Verband, eine Meldestelle oder ein Unternehmen auf anderer Wirtschaftsstufe, wie Lieferanten oder Kunden. Die Wettbewerber schließen mit diesem Dritten gleichartige Vertikalvereinbarungen, so dass es durch das Bündel koordinierter Vertikalverträge zu einem gleichförmigen Verhalten unter den Wettbewerbern kommt. Der Begriff Hub-and-Spoke kommt ursprünglich aus dem US-Kartellrecht. Um die Dreieckskonstellation zu verbildlichen, hat man sich den Aufbau eines Rades zunutze gemacht, insbesondere das Zusammenwirken von Speichen (Spokes) und Radnabe (Hub). Dabei stellt der Dritte die Radnabe dar und die Speichen verbildlichen die Kommunikation bzw. Verträge der Wettbewerber mit dem Dritten.[1]

Beispiel:
Händler A ruft bei dem gemeinsamen Lieferanten an und verlangt von ihm dafür zu sorgen, dass der Händler B bestimmte Mindestverkaufspreise einhält

  • Ein solches Vorgehen stellt sowohl eine vertikale als auch eine horizontale Wettbewerbsbeschränkung nach § 1 GWB dar. Sie enthält nicht nur eine horizontale Verhaltenskoordination der Wettbewerber A und B. Die Vereinbarungen zwischen dem Lieferanten und den einzelnen Händlern sind auch als Vertikalvereinbarungen zu verstehen. Die Rechtsfigur der Sternverträge ist nach § 1 GWB/ Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten.

5.2 Vertikale Formen der Preisabsprache

Auch vertikale Preisabsprachen zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Marktstufen können in den verschiedensten Formen in Erscheinung treten.

5.2.1 Preisbindung der zweiten Hand

Ein häufiger Fall in der Praxis ist die Preisbindung der zweiten Hand, die zu einer Beschränkung des Weiterverkaufspreises führt. Dabei vereinbart der Lieferant mit dem Abnehmer und Weiterverkäufer der Ware, dass dieser beim Verkauf der Produkte an seine Abnehmer einen bestimmten, vom Lieferanten vorgeschriebenen, Preis verlangen soll. Unter die Preisbindung der zweiten Hand fallen Mindest-, Fest- und Höchstpreise, die im Weiteren näher erläutert werden.

5.2.2 Mindestpreisvereinbarungen

Die Ausführungen im Rahmen der horizontalen Mindestpreisvereinbarung (5.1.2) gelten auch im vertikalen Verhältnis.

Grundsätzlich ist auch eine Mindestpreisvereinbarung im Vertikalverhältnis nicht freistellungsfähig. Jedoch besteht die Möglichkeit einer Legalausnahme gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV und § 2 Abs. 1 GWB, wenn anzuerkennenden Interessen zu berücksichtigen sind. Ein solch anzuerkennendes Interesse sieht die Kommission in der Verhinderung der Trittbrettfahrerei durch vertikale Mindestpreise.[2]

Das Problem der Trittbrettfahrerei besteht darin, dass Kunden die Beratung eines Händlers mit Ladengeschäft in Anspruch nehmen, aber anschließend die Ware nicht bei diesem erwerben, sondern bei einem günstigeren Händler im Internet. Der Händler, der ausschließlich über das Internet verkauft, hat durch das fehlende Ladengeschäft einen enormen Kostenvorteil. Der Händler mit dem Ladengeschäft kann im Wettbewerb nicht mit diesen Preisen mithalten. Sowohl die Käufer als auch die Produzenten könnten ein sachlich begründetes Interesse an dem Bestehen eines Ladengeschäftes mit Beratung haben, sodass einer Trittbrettfahrer-Mentalität durch das Festsetzen von Mindestverkaufspreisen entgegengewirkt werden könnte. Durch eine einheitliche Preisgestaltung der Händler, würde sich nach der erfolgten Beratung im Ladengeschäft ein Kauf bei einem anderen Händler nicht mehr lohnen. Der örtliche Händler mit Ladengeschäft wäre dann wieder konkurrenzfähig.[3]

Damit eine Legalausnahme der Mindestpreisvereinbarung möglich ist, müssen die Parteien der Vereinbarung nachweisen, dass die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV/ § 2 Abs. 1 GWB vorliegen und darlegen, dass die Vereinbarung nicht nur ein Mittel, sondern auch einen Anreiz darstellt, um etwaiges Trittbrettfahren von Einzelhändlern in Bezug auf diese Dienstleistungen auszuschalten.[4]

5.2.3 Festpreisvereinbarung

Sofern zwischen den Parteien vereinbart wird, dass eine Abweichung der Preise nach oben oder unten ausgeschlossen ist, liegt eine Festpreisvereinbarung vor. Sie ist die engste und unmittelbarste Form eines Preiskartells.

Beispiel:
Hersteller A vereinbart mit Händler B, dass dieser die von A erworbenen Produkte nur zu dem von ihm festgesetzten Preis von 50 € je Stück verkaufen darf.

  • Eine solche Vereinbarung beschränkt die Handlungsfreiheit in Bezug auf die Preisfestsetzung. Dies Art von Vereinbarung stellt eine Festpreisvereinbarung dar.

Grundsätzlich unterfallen auch die Festpreisbindungen als bezweckte vertikale Wettbewerbsbeschränkungen dem europäischen und deutschen Kartellrecht. Jedoch können wie bei der Mindestpreisbindung auch solche Preisbindungen unter die Legalausnahme des Art. 101 Abs. 3 AEUV und § 2 Abs. 1 GWB fallen, die im Einzelfall bestimmten anzuerkennenden Interessen Rechnung tragen. Ein solch anzuerkennendes Interesse sieht die Kommission in der Verhinderung der Trittbrettfahrerei durch vertikale Mindestpreise.

Ebenso wie bei Mindestpreisvereinbarungen gilt auch bei Festpreisvereinbarungen das Handelsvertreterprivileg.


[1] Jungermann in: Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, I. Unterscheidung zwischen Fallgruppen horizontaler Vereinbarungen und solchen vertikalen Vereinbarungen sowie deren Abgrenzung, Rn 43.

[2] Europäische Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen (2010/C 130/01), Rn. 225 ff.

[3] Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Auflage, S. 606, Rn. 139.

[4] Europäische Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen (2010/C 130/01), Rn. 225.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Preisabsprachen im Kartellrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Laura Macht, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-87-8.


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Stand: Januar 2018


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Herausgeber / Autor(-en):

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

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Tilo Schindele ist Dozent für Kartellrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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