Preisabsprachen - Teil 21 - Sanktionen und Rechtsfolgen
6 Sanktionen und Rechtsfolgen für Preisabsprachen im Kartellrecht
Preisabsprachen können erhebliche Nachteile mit sich bringen. Die Kartellbehörden gehen im Rahmen der Sanktionen gegen solche Absprachen besonders vehement vor. Welche Maßnahmen die Kartellbehörden gegen Verstöße treffen können, soll im Folgenden die Erläuterung der wichtigsten Rechtsfolgen zeigen.
6.1 Europäische Kommission
6.1.1 Abstellungsverfügung, Art. 7 VO 1/2003
Die europäische Kartellbehörde kann bei einem Verstoß gegen Art. 101 AEUV die Adressaten verpflichten, die Handlung abzustellen, zu beseitigen oder eine Handlung vorzunehmen. So kann die europäische Kommission die Zuwiderhandelnden verpflichten, durch ein Rundschreiben an die Geschäftspartner, die Abstellung der kartellwidrigen Verhaltensweise zu verkünden.[1]
6.1.2 Einstweilige Maßnahmen, Art. 8 VO 1/2003
In dringenden Fällen, in denen die Gefahr eines ernsten, nicht wiedergutzumachenden Schadens für den Wettbewerb besteht, ist die Kommission befugt einstweilige Maßnahmen anzuordnen.
6.1.3 Nichtigkeit
Verträge oder Beschlüsse, die gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen, sind gem. Art. 101 Abs. 2 AEUV nichtig. Die Nichtigkeit beschränkt sich nur auf die gegen das Kartellrecht verstoßenden Klauseln, wenn die übrige Vereinbarung von dieser getrennt werden kann. Kann eine Trennung in sachlicher Hinsicht nicht erfolgen, so ist die gesamte Vereinbarung bzw. der Beschluss nichtig. Von der Nichtigkeit sind auch Verträge erfasst, die zur Durchführung oder Vertiefung der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung zwischen Mitgliedern der Absprache und Dritten geschlossen wurden, sogenannte Ausführungsverträge.[2]
6.1.4 Bußgeld
Gemäß Art. 23, 24 VO 1/2003 kann die Europäische Kommission Bußgelder und Zwangsgelder verhängen. Die Geldbuße wird in einem zweistufigen Verfahren berechnet. Auf der ersten Stufe wird von der Kommission ein Grundbetrag ermittelt, der auf der zweiten Stufe erhöht oder verringert wird. Grundlage für die Berechnung der Bußgeldgrundbetrag ist der Wert der verkauften Waren und Dienstleistungen, die mit dem Kartellverstoß in Zusammenhang stehen. In der Regel ist das der Umsatz des letzten Geschäftsjahres, in dem das Unternehmen an dem Verstoß beteiligt war (im Folgenden einschlägiger Umsatz). Von dem Umsatz sind nicht die Mehrwertsteuer oder andere Steuern und Abgaben erfasst. Ein bestimmter Anteil des einschlägigen Umsatzes, der sich nach der Schwere des Kartellverstoßes richtet, wird mit der Anzahl der Jahre multipliziert, in denen der Verstoß vorlag. Grundsätzlich kann ein Wert von bis zu 30 % des einschlägigen Umsatzes festgesetzt werden. Im Rahmen der Bestimmung der Höhe des Wertes berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, wie zum Beispiel die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil aller beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis. Bei horizontalen Preisabsprachen wird ein Betrag zwischen 15 % und 25 % des einschlägigen Umsatzes angesetzt.[3]
Bei der Berechnung des Bußgeldes werden erschwerende und mildernde Umstände berücksichtigt.
Erschwerende Umstände sind:[4]
- Fortsetzung eines Kartellrechtsverstoßes oder erneutes Begehen eines gleichartigen oder ähnlichen Verstoßes, wenn bereits der Kartellverstoß von der Wettbewerbsbehörde festgestellt wurde.
- Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Kommission
- Behinderung der Untersuchung der Kommission
- Anstifter oder Anführer des Kartellverstoßes
- Vornahme von Maßnahmen, mit denen andere Unternehmen zu der Beteiligung an dem Verstoß gezwungen oder unter Druck gesetzt wurden
Mildernde Umstände sind:[5]
- Nachgewiesene Beendigung des Kartellverstoßes
- Vorbringen von Beweisen, dass der Kartellverstoß fahrlässig begangen wurde
- Vorbringen von Beweisen, dass nur eine geringfügige Beteiligung bestand und in dem Zeitraum des Verstoßes eigenes und nicht koordiniertes Wettbewerbsverhalten vorlag
- Zusammenarbeit mit der Kommission über die rechtlichen Verpflichtungen der Zusammenarbeit hinaus (Kronzeugenregelung)
- Genehmigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch eine Behörde oder geltende Vorschriften
- Ermutigung des wettbewerbswidrigen Verhalten durch eine Behörde oder durch geltende Vorschriften
- Nachweis, dass die Verhängung der Geldbuße die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens gefährdet.
Die rechtliche Obergrenze einer Geldbuße für jedes beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinbarung darf 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen. Insgesamt wird die Kommission eine Geldbuße festlegen, die auch ausreichend ist, um die beteiligten und weitere Unternehmen von einem Kartellrechtsverstoß abzuschrecken.[6]
Wie vehement die Kommission gegen Preisabsprachen vorgeht, zeigen die hohen Bußgelder, die in der Vergangenheit verhängt wurden. Zuletzt wurde gegen das LKW-Kartell ein Rekord-Bußgeld in Höhe von 2,93 Milliarden Euro verhängt.[7]
6.1.5 Zwangsgeld
Im Gegensatz zur Geldbuße soll mit dem Zwangsgeld keine Ahndung des wettbewerbswidrigen Handels bewirkt werden. Von den wettbewerbsverstoßenden Unternehmen soll mit dem Zwangsgeld ein bestimmtes Verhalten erzwungen werden, um einen künftigen oder gegenwärtigen Wettbewerbsverstoß zu unterbinden. Die Kommission kann Zwangsgelder bis zu einem Höchstbetrag von 5 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahres erzielen Tagesumsatzes festsetzen, für jeden Tag, den das Unternehmen die festgesetzte Verhaltensweise nicht abstellt, vornimmt oder duldet.[8]
[1] Kling/Thomas, Kartellrecht, S. 423 ff., Rn.2 ff.
[2] Kling/Thomas, Kartellrecht, S. 186, Rn. 437 ff.
[3] Europäische Kommission, Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, (2006/C 210/02), Rn. 12 ff.
[4] Europäische Kommission, Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, (2006/C 210/02), Rn. 28 u. 35.
[5] Europäische Kommission, Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, (2006/C 210/02), Rn. 25.
[6] Europäische Kommission, Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, (2006/C 210/02), Rn. 32.
[7] Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 19.07.2016 “EU-Kommission verhängt Rekordgeldbuße von 2,93 Milliarden Euro gegen LKW-Kartell, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/germany/news/eu-kommission-verhängt-rekordgeldbuße-von-293-milliarden-euro-gegen-lkw-kartell_de
[8] Kling/Thomas, S.474, Rn.129.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Preisabsprachen im Kartellrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Laura Macht, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-87-8.
Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018
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